Der Bundesgerichtshof hatte im vergangenen Sommer entschieden, Amazons Affiliate-Programm für Schulfördervereine verstoße nicht gegen die Preisbindung. In der im Dezember veröffentlichten Urteilsbegründung hieß es:
Die Käufer zahlten den gebundenen Ladenpreis; ihnen würden keine wirtschaftlichen Vergünstigungen gewährt. Die Provisionszahlung von Amazon an den Förderverein stelle für Eltern keinen wirtschaftlichen, sondern lediglich einen (zulässigen) ideellen Vorteil dar.Hintergrund des Urteils: Eltern wurden von Fördervereinen gebeten, Schulbücher nur noch – über den Affiliate-Button auf der Vereinswebsite – bei Amazon zu kaufen, um dem Verein bis zu neun Prozent Umsatzprovision zu sichern. Dagegen hatte der Börsenverein zunächst erfolgreich geklagt. Amazon ging in Berufung und hatte vor dem Bundesgerichtshof Erfolg. Mit dem Urteil könne ein Preiswettbewerb durch die Hintertür durch Spenden- und Provisionsmarketing entstehen, befürchtete damals Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang.
Diese Sorge scheint sich zu bewahrheiten: Thalia und Bücher.de haben auf das Urteil reagiert. Auf der Website Schulengel.de, die solche Provisionsangebote für Schulfördervereine bündelt, ist nachzulesen: "Seit dem 01. Februar 2017 werden auch Prämien aus Buchkäufen bei Thalia.de weitergegeben". Als Prämie ist ein Wert von 12 Prozent angegeben, außerdem verweist die Seite via Link ausdrücklich auf das Urteil des BGH. Bücher.de ist auf dem Portal Bildungsspender.de mit einem Rabatt von 10 Prozent vertreten.
Auf der Amazon-Website dagegen heißt es schon seit einigen Monaten, der feste Werbekostenerstattungssatz für die Produktkategorien Bücher und eBooks betrage "derzeit 0 % für Schulfördervereine, Elternverbände einer Schule, Universitäten oder Fachhochschulen oder Parteien, die mit einer solchen Institution verbunden sind." Das dürfte sich vermutlich allerdings ändern, sobald die Schulbuchsaison näher rückt.
Amazon wird nicht lange zuschauen, ebenso die anderen großen Onlinebuchhändler und Ketten wie z. B. Hugendubel, Mayersche, Osiander und Ruprecht.
Und wer kein Online-Provisons-Modell fährt, lässt sich gedruckte Empfehlungsschreiben der Schulfördervereine in den Buchladen bringen und schwupp - gibt es hier auch etwas für den Förderverein mitzunehmen und der Umsatz bleibt vor Ort.
Wo soll das hinführen, denn das Urteil spricht zwar von Schulbüchern aber faktisch kann jedes Buch über einen Förderverein verprovisioniert werden!
Wenn die Buchkäufer verstehen und lernen, dass ihr Bucheinkauf Gutes tut, dann wird auf kurz oder lang, ein signifikanter Anteil der Buchverkäufe verprovisioniert statt finden. Gerade die chronisch unterfinanzierten Schulbüchereien freuen sich über jede Zuwendung. Und die Schulfördervereine werden schon dafür sorgen, dass diese bequeme Einnahmequelle bekannt wird und der unvermeidbare Bucheinkauf der Eltern zumindest der eigenen Schule was Gutes zukommen lässt - our school first ...
Alle off- und online Händler geben Deckungsbeitrag ab, verdienen in einem nicht wachsendem Markt weniger, was nur durch Verdrängung wett gemacht werden kann oder durch Erhöhung der Buchpreise. Letzteres liegt jedoch nicht in der Hand des Buchhandels. Ob die Verlage dem Ruf nach höheren Preisen folgen, ist unsicher, denn sie werden nicht leiden, zumindest anfänglich.
Die Rechnung kommt in 10 bis 15 Jahren, wenn der Buchhandel bereinigt und der Markt unter sich aufgeteilt ist (wer hindert die Starken eine Provision von 15% oder mehr anzubieten?).
Die Kleinen und nicht nur die sind dann auf der Strecke geblieben, denn das Schulbuchgeschäft ist volumenmäßig ein wichtiger Umsatzfaktor.
Toller Wettbewerb!
Erstaunlich aber immerhin, dass Thalia sein Füllhorn bei den Schulfördervereinen sogar noch weiter öffnet und hier sogar 12% Provisionen gibt (statt "nur" 10% wie bei den auf seiner eigenen Seite angebotenen Förderprogrammen).
Das schnelle Ausnutzen einer - nun, vielleicht Gesetzeslücke? zeigt auf jeden Fall, wohin die Reise etwa im Fall der Preisbindung ginge.
Man möchte jedenfalls Thalia gerne vor allem eine Saison lang viele Schulbuchbestellungen über das Portal wünschen, damit die Provisionen wenigstens richtig schmerzen.
Ansonsten scheinen sie vermutlich gut von den Verlagen rabattiert zu werden - woher sonst können sie so viel für diese Programme ausgeben?
Was mich an dem Urteil und seiner Begründung immer noch erstaunt: Wieso konnte nicht deutlich gemacht werden, dass den Eltern mehr als nur ein ideeller Vorteil entsteht, wenn sie über die Förderverein-Affiliate-Plattformen bestellen?
Sie gehen doch zumindest Hand in Hand mit den Plattformbetreibern, die doch nur als Mittelsmänner die Affiliateprovisionen von den Händlern erhalten, um sie dann aber, selbst völlig passiv, an die vom Käufer ausgewählten Fördervereine weiterzureichen.
Wenn schon kein unmittelbarer Vorteil für die Eltern darin gesehen wird (immerhin hat der Förderverein der Schule unserer Tochter, wie er stolz mitteilt, in wenigen Jahren schon über 5.000 EUR an Spendengeldern erhalten - das sind umgerechnet mehr als 10 EUR pro Schüler, die wir Eltern alle nicht für die nächste Schulausführung, Klassenfahrt, Kinobesuch ausgeben müssen - es ist ja bereits bezahlt), dann muss doch alleine die Tatsache, dass der Käufer durch Zuteilung an den Förderverein alleinig über den Spendenempfänger verfügt, anders gewertet werden als lediglich die "Gewährung von ideellen und immateriellen Vorteilen, etwa die Vermittlung des Gefühls, etwas Gutes getan zu haben," wie das Gericht es beschreibt.
Es ist doch kein Unterschied, ob die Plattform oder der Käufer selbst die Spende anonym an den Verein weitergeben - klar ist, aus dem Kauf eines Buches entsteht die Möglichkeit, über eine 12%ige Spende zu verfügen. Das ist doch nicht nur ideell.
Wie können die Richter das übersehen?
"Auch Buchkäufe werden vergütet. Für preisgebundene Bücher erhalten wir insgesamt 16%."