Übersetzer-Chef Schmidt-Henkel zieht Bilanz

"Strukturell gut gerüstet"

1. März 2017
von Börsenblatt
Hinrich Schmidt-Henkel, seit 2008 Vorsitzender des Verbandes der Literaturübersetzer VdÜ, kandidiert nicht erneut. Er zieht eine positive Bilanz seiner Amtszeit, kritisiert stagnierende Seitenhonorare und appelliert beim neuen Normvertrag für ein Miteinander mit den Verlagen.

Bei der ordentlichen Mitgliederversammlung des VdÜ am 4. und 5. März in Berlin werden Vorstand und Honorarkommission neu gewählt. Hinrich Schmidt-Henkel möchte nicht erneut für das Amt des 1. Vorsitzenden kandidieren, sondern will Beisitzer im Vorstand und Mitglied der Honorarkommission werden. Kandidatin für das Amt als 1. Vorsitzende ist die Berliner Literaturübersetzerin und Lektorin Patricia Klobusiczky.

Rückblickend bewertet Schmidt-Henkel das für die Literaturübersetzer in den vergangenen achteinhalb Jahren Erreichte als grundsätzlich positiv; der Verband stehe "gefestigt und geeint da. Die Mitglieder sind gut informiert und miteinander hervorragend vernetzt. Letzte interne Maßnahmen des scheidenden Vorstandes sollen dafür sorgen, dass der Verband finanziell und strukturell gut für seine künftigen Aufgaben gerüstet ist. Grundsatzurteile des BGH und die gemeinsam mit einer Gruppe von Verlagen 2014 aufgestellten Gemeinsamen Vergütungsregeln sorgen dafür, dass es so gut wie keine Übersetzungsverträge ohne Beteiligung an Verkäufen und Nebenrechtsverwertungen mehr gibt. Das ist ein Quantensprung im Vergleich zu früher."

"Mindestbeteiligungen werden nicht umgesetzt"

Kritisch sieht Schmidt-Henkel die Entwicklung der Seitenhonorare und die Vertragsgestaltung großer Verlagsgruppen: "Die Seitenhonorare stagnieren seit vielen Jahren, was auch durch die an sich besseren Beteiligungen bei weitem nicht ausgeglichen wird. Außerdem weigern sich ausgerechnet die größten Anbieter von Übersetzungsverträgen, die BGH-Urteile, in denen Mindestbeteiligungen formuliert werden, tatsächlich umzusetzen. Die amtierende Regierung hat es versäumt, im Zuge ihrer Urhebervertragsrechtsnovelle die Position der Kreativen wirksam zu stärken – mangels eines Verbandsklagerechts bleiben einzelne Übersetzerinnen gegenüber Auftraggebern, die ihnen regelmäßig rechtswidrige Verträge aufzwingen, weiterhin am kürzeren Hebel."

Zweifel an der Solidarität der Verlage

Die Frage der Verlagsbeteiligung an den Ausschüttungen der VG Wort sieht Schmidt-Henkel grundsätzlich positiv: "Ich halte es für ausgesprochen sinnvoll und begründet, dass alle an Buchpublikationen Beteiligte von den Ausschüttungen profitieren, auch die Verlage. Sie appellieren ja auch engagiert an die Solidarität von Autoren und Übersetzer in dieser Frage. Leider ist von einer solchen Solidarität bei der Gestaltung von Übersetzungsverträgen oder bei der Bereitschaft zur Aufstellung von Vergütungsregeln nicht viel zu sehen, was es nicht unbedingt leichter macht, im Kollegenkreis für die Verlagsbeteiligung an den Ausschüttungen der VG Wort zu werben."

Die VG Wort sieht Schmidt-Henkel als den Ort, "an dem sich Verlage, Autoren und Übersetzer so fruchtbar einigen wie nirgends sonst. Das ist der Geist, in dem ich mir auch die weitere Zusammenarbeit mit unserem Verband erhoffe, zum Beispiel, wenn es darum geht, miteinander einen neuen Normvertrag für Übersetzungen zu formulieren. Dass unsere Branche intern in diesem Geist miteinander umgehen kann, weiß ich aus vielen Begegnungen und Gesprächen, die von einem partnerschaftlichen Interesse aneinander geprägt waren."