Hauke Hückstädt über das Frankfurter Literaturhaus

"Fraport in literarischer Miniatur, ohne Nachtflugverbot"

14. März 2017
von Börsenblatt
Noch bis zum 18. März geht in Köln die lit.Cologne über die Bühnen. Was man von den Kölnern in Sachen Literaturveranstaltungen lernen kann, welche Rolle der Moderator bei Lesungen spielt und welche Literaturformate in Frankfurt gerade angesagt sind, erklärt Hauke Hückstädt, Leiter des Frankfurter Literaturhauses.

Gerade geht die lit.Cologne wieder über die Bühnen. Was kann man von den Kollegen aus Köln lernen?Wahrscheinlich mehr als allen bewusst ist. Vor allem aber, dass literarisches Gespür und programmatischer Anspruch sowie Publikums- und Sponsorenerfolg sich nicht ausschließen. Es gibt keine unkommerziellen Veranstalter mehr. Druck ist auf jeder Laube. Literatur alaaf! – ist das Signal aus Köln.

Buch, Autor, Leselampe – laufen solche Veranstaltungen im Frankfurter Literaturhaus überhaupt noch?Alles drei, in der Reihenfolge, wunderbare Gegebenheiten. Deshalb kommen die Leute. Der Rest ist Handwerk, Beiwerk, selbstverständlich.

Wozu brauchen Sie bei Lesungen einen Moderator? Auf dem Podium gibt es Lesung und Gespräch. Die Lesung liefert den O-, den Ur-Ton des Buches, die Intention. Die Gespräche aber sind gute Transmitter für komplexe Zusammenhänge. Da es sich schwer alleine unterhält, pflegen wir, den Gästen Gesprächspartner beizustellen.

"Kopf & Hörer", "Acht Betrachtungen", "Frankfurt, deine Geschichte" - Sie haben sich ja schon einige neue Formate für das Literaturhaus Frankfurt ausgedacht. Auf welches sind Sie besonders stolz? Die "Acht Betrachtungen" mit dem MMK haben alle Seiten beglückt und jüngst finden wir riesige Resonanz auf "Frankfurt, deine Geschichte", unsere Pionierleistung Literatur in Einfacher Sprache von renommierten Autoren genuin schreiben zu lassen. Und gerade haben wir mit "95 Anschläge – Thesen für die Zukunft" im S. Fischer Verlag einen der wenigen Reformationsjubiläumsbeiträge in den Buchhandel und auf die Podien gebracht, der nicht 500 Jahre zurück, sondern vielstimmig nach vorne schaut. Oder ich denke auch an das "Wörtermeer" des Jungen Literaturhauses, ein sehr zielgerichtet wirkendes Projekt mit Schulen, Schülern und Lehrern der Region.

Tanz in den Mai? Gehört das in ein Literaturhaus? Wein und Käse, gehört das zusammen? Oder, wenn sie es literarischer nehmen, ja, Brot und Wein, immer zusammen. Das Dionysische kommt zu kurz.

Steht das Literaturhaus in Konkurrenz zu den Veranstaltungen des örtlichen Buchhandels?Das denken wir nicht und empfinden wir nicht. Der Buchhandel ist nicht unser Hauptförderer. Das Subsidiaritäts-Prinzip ist hier nicht angegriffen. Frankfurt ist eine Metropole, da muss viel passieren.

Was passiert im Lesezirkel?Im Lesezirkel treffen sich mit immer neuem Zuwachs seit Jahren unsere Mitglieder, genaue, sorgfältige Leser, die sich gerne und intensiv austauschen. Das Idealpublikum eines jeden Literaturhauses.

Und zum Schluss: Wie viele Veranstaltungen finden pro Jahr statt? Wie ist das Verhältnis von eher klassischen Lesungen zu anderen Veranstaltungsformaten?
Es sind etwa 100 Veranstaltungen, die wir nicht gegeneinander aufrechnen. Form und Inhalt bedingen einander und so auch die von uns gewählte Ausrichtung. Und diese 100 Veranstaltungen darunter auch die des Jungen Literaturhauses, das sind dann nur die Sachen, für die wir Tickets verkaufen. Hinzu kommen Workshops, Lesezirkel, Autorengruppen, Verlagskonferenzen, Initiativen, Gastveranstaltungen, Schreibwerstätten, ein Vermietungsbetrieb, Social Media, das Kolleg Schöne Aussicht für Lehrer. Das Haus ist täglich in Bewegung. Eine Art Fraport in literarischer Miniatur, ohne Nachtflugverbot.