Leipziger Buchmesse 2017: Panel zu Meinungsfreiheit

Freiheit zur Hassrede?

24. März 2017
von Börsenblatt
Im Osten Europas ist die Meinungsfreiheit unter Druck – doch gegen die Leugnung von Fakten hilft nur die Herstellung von Transparenz. Eigentlich, so das Fazit eines Börsenvereins-Panels auf der Leipziger Buchmesse, schlägt gerade jetzt die Stunde der Verleger.

Verlegen in postfaktischen Zeiten: Für die polnische Verlegerin Beata Stasinska (W. A. B. Verlag) fühlt sich das dieser Tage nicht selten wie der "Traum eines Verrückten" an – der öffentlich-rechtliche Rundfunk und andere öffentliche Medien werden politisch instrumentalisiert, nicht selten läuft das auf "Freiheit für Hatespeech statt freier Meinungsäußerung" hinaus. Jeder ist seines Glückes Schmied, lautete die simple Botschaft der Politik in den schwierigen Transformationsjahren – heute zeigt sich, dass damit kein Staat zu machen ist.

In Viktor Orbáns Ungarn, so berichtet Gábor Csordás, Chef des renommierten Jelenkor Verlages im südungarischen Pécs, wird das System von "Checks and Balances" auf fatale Weise ausgehöhlt, die Unabhängigkeit von Lehre und Forschung außer Kraft gesetzt, ein Großteil der Medienlandschaft von regierungsnahen Medien kontrolliert. Und auch im Buchmesse-Schwerpunktland Litauen ist die Grenze zwischen freier Meinung und Propaganda schmal, wie die Geschäftsführerin des litauischen Verlegerverbands Aida Dobkevičiutė berichtet: "Der große Bär schläft gefährlich nahe", meint Dobkevičiutė vielsagend. Die Balten-Republik sieht sich etwa mit massenhaften Exporten kostenloser Kinderbücher aus Russland konfrontiert; in den Sozialen Medien hat Sowjet-Nostalgie Hochkonjunktur – die sozial Abgehängten sind besonders leicht zu manipulieren. Wie Verlegerinnen und Verleger aus Mittel- und Osteuropa auf derlei Entwicklungen reagieren – und was ihre Kollegen im Westen von ihren Erfahrungen lernen können – war Gegenstand eines vom Börsenverein organisierten Panels auf der Leipziger Buchmesse. 

Die Meinungsfreiheit einzuschränken, um sie zu schützen, darin war man sich auf dem Podium einig, kann kein Weg sein. "Wir haben für die Meinungsfreiheit gekämpft", so die Litauerin Dobkevičiutė beschwörend, "sie ist der Schlüssel für alles". Hilfreicher sei es schon, der zunehmenden Medien-Konzentration entgegenzuarbeiten, ist der Ungar Csordás überzeugt – wenn die Medienmacht in wenigen Händen liege, sei der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Werden Fakten notorisch geleugnet, bewegt man sich irgendwann nur noch im Nebel "gefühlter Wahrheiten". In dieser Situation gehe es darum, Fakten zu setzen und Transparenz zu schaffen.

"Eigentlich", so Börsenvereins-Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis, "schlägt genau jetzt die Stunde der Verleger. Wenn sich Menschen etwa in der überparteilichen Bürgerinitiative Pulse of Europe (http://pulseofeurope.eu) mobilisieren, weil sie die demokratischen Fundamente Europas gefährdet sehen, müssen wir für unsere Werte aufstehen." Meinungsfreiheit, so Skipis, gebe es nicht per se: "Wir müssen sie auch nutzen." Eine Forderung, die, wohlgemerkt, nicht nur gilt, wenn irgendwo in fernen Ländern Intellektuelle eingesperrt und mundtot gemacht werden. Sondern auch, wenn vor der eigenen Haustür auf subtilere Art an demokratischen Grundrechten gesägt wird. "Wir haben die Verpflichtung, den Mund aufzumachen."