Bilanz zum Buchverkauf in Leipzig

Die Kasse stimmt

28. März 2017
von Börsenblatt
Mehr Besucher, mehr Stimmung, mehr Umsatz? Für Leipzig scheint die Formel aufzugehen. Was der Verkauf via Messebuchhandlung Verlagen einbringt und wie zufrieden sie diesmal mit dem Handling waren: boersenblatt.net hat nachgefragt.

1_Der Buchverkauf ist ein Nischenthema

"Wir fahren zur Buchmesse nach Leipzig, weil sie die wichtigste Bühne für Autoren im Frühjahr ist", sagt Anika Germann, Vertriebsleiterin bei der Frankfurter Verlagsanstalt (FVA). Und das ist der Tenor bei allen. Ob klein, mittel oder groß: Keiner der zehn Verlage, mit dem boersenblatt.net über den Buchverkauf auf der Messe gesprochen hat, denkt unmittelbar an Einnahmen, wenn es um Leipzig geht – der Buchverkauf spielt in Leipzig nach wie vor eine Nebenrolle.

2_Die Kasse stimmt trotzdem 

Konkrete Zahlen sind von Verlagen nicht zu bekommen - die meisten zeigten sich mit ihrem monetären Messeerfolg jedoch zufrieden bis sehr zufrieden –, bewegen sich im Vergleich zum Vorjahr im Plus. (Die Endbilanz der von LSL betriebenen Messebuchhandlung, die den Verkauf sowohl in den drei Buchhandlungen als auch auf der Fläche organisiert, steht noch aus; mehr dazu lesen Sie in der aktuellen Printausgabe 13 / 2017 des Börsenblatts).  

3_Ein Blick auf die Nachfrage: Bestseller sind nicht alles    

Buchhändler kennen das: Die Nachfrage lässt sich zwar steuern, im Detail aber schlecht voraussagen. Verlagen ging es in Leipzig ähnlich. Zumindest zwei der vielen Preisträger-Bücher, die Romane "Sie kam aus Mariupol" von Natascha Wodin (Rowohlt) und "Kompass" von Mathias Énard (Hanser), waren innerhalb kurzer Zeit ausverkauft.

Ausverkauft – das kam aber auch bei Nicht-Preisträgern vor. Thilo Schmid etwa, er leitet den Gesamtvertrieb und das Marketing bei Oetinger, ist mit dem Messeumsatz in diesem Jahr zwar zufrieden, glaubt aber, dass hier und da noch mehr möglich gewesen wäre, wenn LSL nicht so sparsam eingekauft hätte. "Bedauerlicherweise wurden von unseren Spitzentiteln nur 100 Exemplare pro Tag angeboten und wir waren damit in der Buchhandlung regelmäßig ausverkauft."

Die längsten Warteschlangen zeigten sich bei Sebastian Fitzek, der mit seinem Thriller "AchtNacht" vor Ort war. "So etwas habe ich bei Signierstunden noch nicht erlebt, dabei arbeite ich jetzt seit fast 20 Jahren in der Branche“, berichtet Antje Buhl, seit März neue Vertriebsleiterin bei Fitzeks Hausverlag DroemerKnaur. Bis zu zwei Stunden hätten manche klaglos ausgeharrt, so Buhl – "zwischendurch haben wir die Leute mit Wasser und Keksen versorgt".  Auch sonst sei aber am Stand viel los gewesen, auch ganz unabhängig von Veranstaltungen. "Die Besucher haben gern gestöbert, wir waren ständig damit beschäftigt, die Regale wieder aufzufüllen."  

Die Nachfrage konzentrierte sich auf Belletristik, ging aber natürlich weit darüber hinaus: Dass ihre Programme Aufmerksamkeit fanden, berichten auch Kinderbuch-, Fach- und Ratgeberverlage: BLV hatte am Stand nach eigener Aussage alle Hände voll zu tun – hier ging es in erster Linie um Impulskäufe. Laut Geschäftsführerin Antje Wolf seien die Messebesucher angesichts der Titelfülle verblüfft gewesen – "schade, dass es das in unserer Buchhandlung nicht gibt", hätten ihre gegenüber viele betont.

Aufbau wiederum punktete u.a mit seinen Sachbüchern, wie Annika Joscht, Koordinatorin im Marketing, erklärt. Ihre Bilanz: "Der Messeverkauf lief sehr gut für uns, wir haben von Eröffnung der Messe an kontinuierlich gut verkauft." Sie sei mit hohen Erwartungen nach Leipzig gefahren, und die hätten sich auch "auf jeden Fall erfüllt, vor allem beim Verkauf unserer Titel mit Leipzig-Schwerpunkt, wie der Autobiographie ‚Sie werden lachen’ von Katrin Weber". Außerdem im Fokus der Besucher, laut Joscht: junge Autoren und Themen wie Friedemann Karigs Polyamorie-Sachbuch "Wie wir lieben" und Olga Grjasnowas neuer Roman "Gott ist nicht schüchtern".

4_Grüne Helfer, mobile Kassen

LSL richtete in diesem Jahr, wie berichtet, drei Flächen ein (bislang: zwei) und hatte zudem wieder mobile Kassen im Einsatz (insgesamt rund 350 Mitarbeiter). Unterm Strich, so das Gros der Verlage, sei die Vorbereitung zwar sehr aufwändig, im Service sei es diesmal aber deutlich reibungsloser gelaufen als im Vorjahr – auch die Messehelfer mit den auffälligen, grünen Westen und ihren mobilen Kassen (bar, EC) seien schnell vor Ort gewesen.

Verbesserungen wünschen sich Verlage dennoch, zum Beispiel Oetinger. Thilo Schmid: "Wir würden es begrüßen, wenn wir neben den selbstverständlich im Fokus stehenden Novitäten zusätzlich ausgewählte Titel aus der Backlist in der Messebuchhandlung anbieten könnten – etwa die unserer großen Autoren wie Paul Maar, dessen 80. Geburtstag im Herbst ansteht."

5_Messebuchhandlung vs. Direktverkauf

Mindestens ein Thema gärt rund um die Messebuchhandlung in geringem Umfang jedoch weiter, das Thema: Direktverkauf am Stand. Antje Wolf (BLV) zum Beispiel empfindet den geforderten Rabatt (38 Prozent) als viel zu hoch, würde das gesamte Verfahren deshalb gern sogar noch einmal neu aufsetzen – rät zum Systemwechsel. Der Direktverkauf, sagt sie, sei die Ideallösung.

Die Mehrheit sieht das anders – unter anderen der Psychatrie Verlag, der zwar bessere Konditionen wünscht, sonst aber gern alles so weiterlaufen würde. "Die Beratung der Kunden wird ausschließlich von uns Verlagen übernommen, wir stellen das Sortiment zusammen, lassen die Bücher anliefern und organisieren den Abtransport", argumentiert Sandra Kieser. Erst ganz am Ende des Verkaufsprozesses kämen die Mitarbeiter mit den mobilen Servicekassen ins Spiel. "Insofern wären etwas weniger hohe Rabatte - etwa 30 Prozent - tatsächlich angebracht." Fakt bleibe allerdings, so oder so: "Die Leipziger Regelung des Direktverkaufs über die Messebuchhandlung ist ein flexibles, wichtiges und gutes politisches Zeichen der Zusammengehörigkeit von Buchhandel und Verlag und sollte nicht in Frage gestellt werden, wenn man langfristig und nachhaltig denkt."

Größere Häuser wie Aufbau, DroemerKnaur oder Oetinger fahren diesen Kurs mit: Sie wollen die Messebuchhandlung, und das ohne Wenn, Aber und Rabattabsenkung. Der Direktverkauf, betont Thilo Schmid, "ist für uns nicht die Lösung, Oetinger steht für den Mittelstand und die Unterstützung des Buchhandels". Ähnlich positioniert sich Annika Joscht von Aufbau ("Es ist auch eine politische Entscheidung den Buchhandel einzubeziehen, anstatt direkt zu verkaufen) und Antje Buhl von Droemer Knaur: Der Weg über die Messebuchhandlung sei der richtige, meint sie, der Rabatt aus ihrer Sicht gerechtfertigt. "Die Messe sollte auf jeden Fall damit weitermachen."