Das Münchner Lesecafé Lost Weekend

Café Latte mit Hanfmilch

20. April 2017
von Andreas Trojan
Buchhandlung, veganer Coffeeshop, Coworking-Space, Kulturbühne: Das Münchner Lesecafé Lost Weekend ist jung, hip, vielseitig. Dahinter steckt ein buntes Trio mit politischem Selbstverständnis.

"Die Uni-Buchhandlung Frank ist Geschichte", titelte im November 2012 der "Münchner Merkur". Die Traditionsbuchhandlung im Universitätsviertel Schellingstraße schloss damals endgültig ihre Türen – was Studenten wie Dozenten gleichermaßen frustrierte. Der Vermieter, die Universität, wollte zwar unbedingt einen Nach­folger mit Buchhandelskonzept, doch der konnte nicht gefunden werden.

Fast zwei Jahre stand das Objekt in Bestlage leer, bis ein Dreiergespann mit einem interessanten Mix antrat: Lost Weekend kombiniert Buchhandel mit Cafébetrieb und Veranstaltungsbühne. "Unser Konzept sorgt für Publikumsverkehr und Öffentlichkeit. Das hat die Universität letztlich überzeugt", so Elisabeth Kieser vom Inhaber-Trio. Im ­Oktober 2014 wurde eröffnet, seitdem hat sich Lost Weekend einen festen Platz im Münchner Stadtleben erobert.

Die drei Inhaber sind keine Unbekannten in der Szene: Michi Kern hat in den 90er Jahren die ersten Technoclubs der Stadt aufgemacht und gehört zum Freundeskreis von Rainald Goetz. Seine Passion sind Bücher und die vegane Küche. Er verantwortet das Buchangebot im Lost Weekend, das mit rund 3.000 Büchern auf 100 Quadratmetern Mut zur Auswahl zeigt – und sich auf Politik, Geschichte, Reportagen und zeitgenössische Literatur konzentriert. Außerdem gibt es einen viel genutzten Bestellservice und einen Onlineshop.

Zweiter im Lost-Weekend-Bunde ist Gregor Wöltje, der 1992 die legendäre Werbeagentur start gründete und heute als Unternehmensberater tätig ist (Schwerpunkt: Nachhaltigkeit). Um das operative Geschäft wie Personal und Gastronomie kümmert sich Elisabeth Kieser, studierte Kunsthistorikerin. "Den Sprung in die Gastronomie finde ich gar nicht so weit", meint sie selbst: "Nach so einem Studium hat man eine recht umfassende Grundlage für Sprache, kulturelle Phänomene, Literatur und Kunst. Und ich habe immer schon viele Gastrosachen gemacht."

Der Name "Lost Weekend" spielt auf den Trinker-Roman von Charles R. Jackson und Billy Wilders Verfilmung an. Gewünschte Assoziation: ein verregnetes Wochenende, an dem man gemütlich im Bett liegt und liest. Das Buchgeschäft ist für Lost Weekend alles andere als ein Nebenschauplatz. Das Trio sieht darin vielmehr einen kulturpolitischen Auftrag: "Ich glaube, dass Leute, die viel lesen, auch eher bereit sind, sich gesellschaftlich zu engagieren", meint Elisabeth Kieser.

Die politische Botschaft macht vor der Theke nicht halt: Es gibt Fair-Trade-Kaffee mit Hanfmilch, vegane Croissants, Kuchen, Sandwiches – und für den ganz großen Studentenhunger die vegane Lunchbox. "Wir wünschen uns, dass die vegane Idee zur Selbstverständlichkeit wird", sagt Kieser: "Die Kunden sollen unsere Produkte aber nicht nur kaufen, weil sie vegan sind, sondern auch, weil sie lecker schmecken und wir den besten Kaffee weit und breit haben."

Weiterer Lockstoff: Die rund 20 Veranstaltungen im Monat, darunter Lesungen, Livemusik, Ausstellungen und Abende mit offener Bühne. Das Konzept geht auf, aber eines ist Elisabeth Kieser klar: "Lost Weekend wäre als ­reine Buchhandlung nicht überlebensfähig."

Lost Weekend

Adresse: Schellingstraße 3, 80799 München, lostweekend.de
Buchsortiment: 3.000 Bücher auf 100 Quadratmetern
Schwerpunkt: Politik, Geschichte, Reportagen, junge Literatur
Gastronomie: vegane Snacks, Miso-Suppe, Bowls, Craft Beer
Veranstaltungen: 20 pro Monat
Inhaber: Elisabeth Kieser, Michi Kern, Gregor Wöltje