Hölderlinpreis 2017 an Eva Menasse

"Unverwechselbare Prosa"

25. April 2017
von Börsenblatt
Die Schriftstellerin Eva Menasse erhält den mit 20.000 Euro dotierten Friedrich-Hölderlin-Preis 2017 der Stadt Bad Homburg. Der Förderpreis (7.500 Euro) geht an Nele Pollatschek. Die Preisverleihung findet am 11. Juni statt.

Das teilte die Stadt Bad Homburg mit. In der Jurybegründung heißt es: "Eva Menasses literarisches Œuvre umfasst ganz unterschiedliche erzählerische Formen. Mit jedem Werk setzt sie neu an. Dem hinreißenden Debüt, einem Roman über eine jüdische Familie im Wien des letzten Jahrhunderts, lapidar mit 'Vienna' überschrieben, folgen streng komponierte Erzählbände und ein Roman, der unter dem Titel 'Quasikristalle' chemische Strukturen in multiperspektivisches Erzählen übersetzt. Eva Menasse schreibt eine unverwechselbare Prosa, die wortgewaltige und zarte Töne, Komisches und Melancholisches, einen forschenden Blick und Empathie mit ihren Figuren verbindet. Ihre Themen von der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts bis in die aktuelle Gegenwart mit den Patchworkfamilien, der Reproduktionsmedizin oder der Digitalisierung führt sie unaufdringlich zu den Fragen, was wir sind und was wir wirklich über uns wissen."

Eva Menasse stammt aus Wien, wo sie Germanistik und Geschichte studierte. Sie arbeitete zunächst als Journalistin für die österreichische Zeitung "Profil" und später für die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Für diese begleitete sie den Prozess um David Irving, den sie in ihrem Buch "Der Holocaust vor Gericht. Der Prozess um David Irving" aufarbeitete. Mit "Vienna" erschien 2005 Menasses erster Roman − ein Erinnerungsbuch um eine Wiener Familie mit jüdischen Wurzeln. Es folgten der Roman "Lässliche Todsünden" (2009) und "Wien. Küss die Hand, Moderne" (2011), mit dem sie Eigenheiten der Sprache ihrer Geburtsstadt aufgriff. Viel Lob bei der Kritik erhielt ihr 2013 erschienenes Buch "Quasikristalle". Das jüngste Werk ist das 2017 erschienene "Tiere für Fortgeschrittene". Eva Menasse lebt als freie Schriftstellerin in Berlin.

Förderpreis an Nele Pollatschek

"Mit ihrem Debüt 'Das Unglück anderer Leute' hat Nele Pollatschek einen Anti-Familienroman verfasst, der das Verhältnis von unentrinnbaren Verwandtschaftsbeziehungen und individuellem Schicksal ebenso unterhaltsam wie intellektuell reizvoll auslotet", schreibt die Jury. Mit frechem Witz, erfrischender Unbefangenheit und rasanten Dialogen sei ihr eine ausgesprochen originelle erzählerische Antwort auf die altehrwürdige philosophische Frage nach der Möglichkeit von Freiheit in einer vielfach vorherbestimmten Welt gelungen. Pollatschek habe "einen Roman geschrieben, der mindestens so viel Spaß macht, wie er zu denken gibt", so die Jury. Das Buch ist bei Galiani erschienen.

Der Jury gehören an: die Vorsitzende Sandra Kegel (F.A.Z.), Oberbürgermeister Alexander Hetjes (Stadt Bad Homburg), Prof. Dr. Gerhard Kurz (Freies Deutsches Hochstift), Prof. Dr. Sabine Doering (Hölderlin-Gesellschaft), Prof. Dr. Heinz Drügh (Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, Neuere Deutsche Literatur), Alf Mentzer (Hessischer Rundfunk) und Christoph Peters als Vorjahrespreisträger.

Die Preisverleihung findet am 11. Juni, um 11:00 Uhr in der Schlosskirche in Bad Homurg v.d. Höhe statt. Die Laudatio auf Eva Menasse hält die Jury-Vorsitzende Sandra Kegel (F.A.Z.). Benno Führmann liest einen Text der Preisträgerin. Zur Förderpreisträgerin spricht Alf Mentzer (Hessischer Rundfunk).