Neue Pläne für die Friedenauer Presse

Verlag mit offenen Türen

3. Mai 2017
von Holger Heimann
Die schlechte Nachricht kam im Januar: Katharina Wagenbach-Wolff kündigte an, ihren Berliner Verlag, die Friedenauer Presse, aus Altersgrüßen zu schließen. Ein Nachfolger hatte sich nicht gefunden. Zwei Monate später waren die Perspektiven plötzlich ganz andere. Friederike Jacob wird den kleinen, namhaften Verlag fortführen.

Als Katharina Wagenbach-Wolff 1983 die von ihrem Vater etablierte Friedenauer Presse übernahm, um sie in den Jahren danach behutsam zu erweitern und fortzuführen, wurde Friederike Jacob in Freiburg geboren. Jetzt folgt die 33jährige Slawistin der 87jährigen Wagenbach-Wolff, die aus einer russischen Buchhändlerfamilie stammt, als Verlegerin nach. Der Plan dazu entstand in einem Gespräch mit dem Matthes und Seitz-Verleger Andreas Rötzer. Die beiden, die sich aus der gemeinsamen Zeit bei Matthes und Seitz Berlin kennen, kamen überein, die Friedenauer Presse vor dem Aus zu retten. „Es war ein Angebot in letzter Minute“, sagt Friederike Jacob. „Die Familie war schon dabei, praktische Schritte zur Auflösung zu vollziehen. Wir haben uns selbst und die Familie überrascht mit dem Angebot. Aber nachdem die Überraschung verflogen war, haben sich alle gefreut. Niemand wollte schließlich, dass der Verlag schließt.“

Große Aufgabe für die neue Verlegerin

Friederike Jacob, die zuletzt als Pressesprecherin bei Kein & Aber in Zürich gearbeitet hat, weiß, dass eine große Aufgabe auf sie wartet. Katharina Wagenbach-Wolff hat den Verlag über mehr als drei Jahrzehnte lang geprägt und zu einem leuchtenden Kleinod auf dem deutschen Buchmarkt gemacht. Die Leser haben ihr die schönsten Entdeckungen vor allem russischer Literatur zu verdanken. Berühmte Schriftsteller wie Puschkin, Lermontov, Babel, Turgenev, Čechov, Charms, Gogol hat sie in deutscher Übersetzung herausgebracht, allesamt in ausgefallen schön gestalteten Reihen – den schmalen Presse-Drucken, den dickeren Winterbüchern und Wolffs-Broschuren. Die neue Verlegerin sagt, vieles solle so bleiben wie bisher, anderes werde sich verändern. „Es ist weiterhin ein Ein-Frauen-Verlag. Ich habe die letzten Wochen damit verbracht, das Archiv anzuschauen und jeder Fetzen in dem Verlag atmet natürlich die Persönlichkeit von Katharina Wagenbach-Wolff. Das zu kopieren wäre falsch, weil es artifiziell wäre. Insofern werde ich den Verlag so machen, wie er meiner Person entspricht“, sagt sie selbstbewusst. Andererseits: „Die Idee, Ausgrabungen zu machen, die russische Literatur weiter zu erschließen, die bleibt bestehen. Der russischen Literatur würde ich gern die osteuropäischen Literaturen insgesamt hinzufügen.“

Mehr Internetpräsenz
Ab Juni sollen bislang erschiene Bücher wieder lieferbar sein. Erfolgreiche Titel, von denen es einige gab, will die neue Verlegerin nachdrucken. Der Matthes und Seitz Verlag übernimmt den Vertrieb und kümmert sich um das Back-Office. Für das Frühjahr ist das erste Programm angekündigt, über die einzelnen Titel will Friederike Jacob noch nichts verraten. Es soll ein kleines, überschaubares Programm bleiben, nicht mehr als fünf bis sechs Bücher pro Jahr. Für die besondere, individuelle Umschlaggestaltung der fadengehefteten Titel wird weiterhin der Künstler Horst Hussel zuständig sein. Grundlegend verändern soll sich hingegen die Präsenz im Internet. „Das ist auf jeden Fall etwas, wo ich mehr Energie hineinstecken werde. Das ist die Herausforderung, sich zu überlegen, wie man einen Verlag, der in seiner ganzen Anmutung und Programmauswahl traditionell ist, digital präsentiert.“ Die Newcomerin spricht daher gerade mit Entwicklern und Graphikern. Die Homepage soll attraktiver werden, außerdem will Friederike Jacob Facebook und Twitter nutzen, um Werbung für die Bücher zu machen.


Begegnungsraum gesucht

Katharina Wagenbach-Wolff hat den Verlag von ihrer großen schönen Altbauwohnung am Savignyplatz aus betrieben. Ihre Nachfolgerin war zuletzt häufiger zu Besuch in Charlottenburg. Sie hat mit Katharina Wagenbach-Wolff Tee getrunken und sie hat der von so vielen bewunderten Frau mit den schlohweißen gewellten Haaren zugehört. Für den Verlag sucht Friederike Jacob derzeit nach einem neuen, passenden Platz in Berlin. Sie will einen Verlag mit offenen Türen. "Idealerweise soll es ein Ort sein, der im besten Sinne ein literarischer Ort ist“, sagt sie. „Ich sehe einen schönen Begegnungsraum vor mir, wo die Bücher sichtbar sind, der einfach einladend wirkt: Schau dir an, wie es bei uns aussieht!“ Es ist eine Wunschvorstellung. Aber vielleicht sind es gerade solche besonderen Ideen, die das Gelingen wahrscheinlicher werden lassen.

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