Bücher im Kleinformat

Zwerge mit Format

11. Mai 2017
von Börsenblatt
Kleine Bücher in liebevoller Ausstattung sind beliebte Geschenke – und werden oft reihenweise gesammelt. Erfahrungswerte.              

Kleine Bücher sind nur auf der Zentimeterskala klein – denn zwischen ihren Buchdeckeln findet man häufig große Literatur. Die handlichen Titel sind beliebt bei Sammlern, bei Pendlern, die Bibliophiles schätzen, und bei allen, die "leichte" Gutenachtlektüre wünschen. Es sind Bücher, die gut in Handtasche oder Rucksack passen, und die sich wegen der genannten Vorzüge auch als Geschenk eignen. So sehen es jedenfalls viele Verlage, die solche Reihen führen – Diogenes deluxe, Fischer TaschenBibliothek, Suhrkamp Pocket, Little Books (Goldmann), Reclams Universalbibliothek, die Mini­bibliothek aus dem BuchVerlag für die Frau oder die inzwischen legendäre Manesse Bibliothek der Weltliteratur.

Die Konzepte der einzelnen Reihen sind unterschiedlich: entweder handelt es sich ausschließlich um Originalausgaben und Neuübersetzungen oder um eine reine Zweitverwertung unter Gestaltungs- und Marketing-Gesichtspunkten.

Eine optische Revolution kündigt der Manesse Verlag für sein Herzstück, die Manesse Bibliothek an: Mit der gerade verschickten Herbstvorschau nimmt der Verlag Abschied vom klassischen Erscheinungsbild der Reihe, wie sie Leser über Generationen hinweg kannten. Das Konzept kreierte Walther Meier vor 73 Jahren in Zürich. Ganz neu war die Idee fürs ­Miniformat auch damals nicht: Das bis heute gültige Maß von 9 x 15 Zentimetern habe Meier von der 1901 gegründeten britischen Reihe Oxford World's Classics übernommen, berichtet Horst Lauinger, Programmleiter von Manesse.

Das Konzept der Manesse Bibliothek hat jahrzehntelang funktioniert – doch spätes­tens seit der Jahrtausendwende haben sich die Dinge grundlegend verändert. "Die Bildungsbürger und Büchersammler, die wir mit unserer Bibliothek angesprochen haben, gibt es als geschlossene Zielgruppe nicht mehr", sagt Lauinger. Früher gehörten die Bände zur Ausstattung von Privatbibliotheken; sie wurden reihenweise bestellt und ins Regal einsortiert. Heute spiegeln die Absatzzahlen das Schwinden des schöngeistigen Reservats. Von manchen Bänden werden jährlich nur noch geringe Stückzahlen verkauft, viele Titel sind wegen sinkender Nachfrage ganz aus der Backlist verschwunden.

Dem Konzept, Erst- und Neu­übersetzungen von Klassikern anzubieten, will Manesse treu bleiben – doch an die Stelle der Reihenoptik tritt nun eine individuellere Inszenierung, die für die Präsentation im Buchhandel besser geeignet sei und für mehr Sichtbarkeit sorge, so Lauinger. "Mit dem Neuauftritt wollen wir die Attraktivität steigern und ein neues Publikum gewinnen."

Die herstellerischen Merkmale der neuen Titel (nach wie vor im klassischen Manesse-Bibliotheksformat) sollen weiterhin hohe Wertigkeit signalisieren, sagt Lauinger. Holzfreies und alterungsbeständiges Papier, farbige Fadenheftung, Umschläge aus besonderen Papieren und eine lesefreundliche Typografie zeichnen die neuen Bände aus. Die traditionelle Grundschrift, die Bembo, wird übernommen, bei Kapitelüberschriften und Cover-Beschriftung hingegen hat man eine serifenlose Schrift gewählt, die für Modernität steht. Um die Bücher größer als bisher erscheinen zu lassen, wählte der Verlag einen optischen Trick: Die Cover zeigen immer nur den An- oder Ausschnitt eines Motivs oder einer Motivgruppe – etwa der Zebras auf ockerfarbenem Grund, die den Umschlag von Tania Blixens "Jenseits von Afrika" schmücken.

Preislich bewegen sich die jetzt angekündigten neu gestalteten Titel zwischen 22 und 28 Euro. Nach wie vor ist der unabhängige Buchhandel ein fester Abnehmer, die Filialisten präsentieren das Manesse-Programm ebenfalls in ausgewählten Läden.

Sowohl broschiert als auch als Hardcover: So vertreibt Reclam in seiner Universalbibliothek (RUB) kleine, handliche Bücher – literarische und philosophische "Taschenrutscher", die sich auch gut für unterwegs eignen. Das Format wird immer wieder variiert, etwa in der rund 50 Titel umfassenden Reihe Was bedeutet das alles? mit "kleinen Büchern zu den großen Fragen", die im Design der Reclam Bibliothek verpackt sind. Auch die Jubiläumsedition zum 150. Geburtstag der RUB – ausgewählte Bände mit kartonierten Umschlagdeckeln – geht in diese Richtung. Schließlich gibt es weihnachtliche Anthologien im Hardcover, die etwa die Abmessungen der Manesse-Bände haben (zum Beispiel die Anthologie "Wintergedichte", die für Ende September angekündigt ist).

Besonders beliebte Titel aus dem Programm führt Diogenes als eigenes Label: Diogenes deluxe im Format 9 x 14,8 Zentimeter und mit wertiger, schöner Ausstattung. Darunter finden sich Dauerseller wie Ingrid Nolls "Die Apothekerin", George Orwells "Farm der Tiere" oder Paulo Coelhos "Der Alchimist". Die meis­ten Titel werden nach Verlagsangaben über den unabhängigen Buchhandel verkauft. Das kleine Segment mit derzeit 33 Titeln habe 2016 immerhin einen einstelligen Anteil zum Gesamt­umsatz beigetragen, so Diogenes.

"Große Bestseller im kleinen Geschenkbuch­format" – so der Claim – verkauft auch der Suhrkamp Verlag in seiner Reihe Suhrkamp Pocket, die dem Suhrkamp Taschenbuch zugeordnet ist. Rund 20 Titel in gebundenen Ausgaben zu Preisen zwischen zehn und 14 Euro liegen zurzeit vor, darunter der im April herausgekommene Band "Kürzere Tage" von Anna Katharina Hahn, 2009 erstmals im Hardcover bei Suhrkamp erschienen. Neben zahlreichen weiteren Romanen (etwa Marcel Prousts "Eine Liebe Swanns") beherbergt die Reihe auch einige philosophische Longseller wie Alice Millers "Das Drama des begabten Kindes". Schon nicht mehr kleinformatig, weil mit 12 x 18,5 Zentimetern taschenbuchgroß, aber nichtsdestoweniger erwähnenswert ist außerdem die vor 105 Jahren begründete Insel-Bücherei, die heute rund 320 lieferbare Titel umfasst und immer noch gern gesammelt wird.

Die Drittverwertung im Geschenkbuchformat (nach Hardcover und Taschenbuch) stand zunächst auch für die Fischer TaschenBibliothek im Vordergrund, wie Steffen Gommel, Taschenbuchleiter der S. Fischer Verlage, sagt. Die 9,3 x 14,5 Zentimeter großen Hard­cover-Bände mit den nach Moleskine-Vorbild abgerundeten Ecken bieten in handlicher Form Klassiker, Bestseller, Prosa-Anthologien, Gedichtsammlungen und vieles mehr. Seit einiger Zeit entwickle man aber auch eigene Programmideen – immer unter der Prämisse "Geschenkbuch", so Gommel. Etwa ein Drittel der mehr als 300 Titel umfassenden Reihe besteht inzwischen aus Original- oder Erstausgaben. Dazu gehört der für September angekündigte Titel "Ich will ... Das kleine Buch über die Liebe" des argentinischen Psychoanalytikers Jorge Bucay. Viele Buchhändler führen die Reihe als geschlossenes Segment und präsentieren die Bücher auf Drehsäulen, die der Verlag zur Verfügung stellt. Die regulären Taschenbuchausgaben würden durch die TaschenBibliothek nicht kannibalisiert, meint Gommel. Der Anteil der in der TaschenBibliothek parallel verkauften ­Titel bewege sich im Schnitt bei einem Drittel.

Als "kleines, nettes Programm-Flügelchen" bezeichnet Goldmann-Verlagsleiterin Monika König die "Little Books", die dem Programm Goldmann Modernes Leben zugeordnet sind. Meist handele es sich um Zweitverwertungen, in Ausnahme­fällen auch um Originalausgaben. Die Bücher sind als kleine Aufmerksamkeit gedacht, "für jeden Menschen und jeden Anlass soll etwas dabei sein", so König.

Eine feste Größe auf dem deutschen Buchmarkt mit inzwischen fast 320 Bänden ist die 1985 begründete Minibibliothek des BuchVerlags für die Frau in Leipzig. "Mit über vier Millionen verkauften Exemplaren ist die Buchreihe bei unseren Buchhandelskunden überaus beliebt und ein wichtiger Teil des Verlagsprogramms", sagt Vertriebsleiterin Ulrike Winkelmann. Die aufwendig ausgestatteten und liebevoll gefertigten Titel zum günstigen Preis von fünf Euro böten unter anderem kompetente Inhalte zu Themen wie Kulinarik, Natur, Gesundheit und Geschichte, hinzu kommen Biografien und Zitatesammlungen. Die Bände haben einen festen Abnehmerkreis von Sammlern, Buchhändlern, Museumsshops und anderen Wiederverkäufern, die die Reihe regelrecht "abonniert" hätten, so Winkelmann. Die ­Minibibliothek werde aber auch gern verschenkt, oft in Kombination mit anderen Präsenten, wie Marketing­leiterin Susanne Jaensch ergänzt. Vor allem die Ratgeber, beispielsweise zu Ernährungsthemen, seien beliebt.

Miniformate im Vergleich (Auswahl)

6,2 x 9,5 cm       Minibibliothek (BuchVerlag für die Frau)
9,0 x 14,8 cm      Diogenes deluxe
9,0 x 15,0 cm      Manesse Bibliothek
9,3 x 14,5 cm      Fischer TaschenBibliothek
9,5 x 14,4 cm      Suhrkamp Pocket
9,6 x 14,8 cm      Reclam Jubiläumsedition
11,5 x 15,5 cm    Goldmann Little Books