Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz: Erste Lesung im Bundestag

Abgeordnete streiten über Regierungsentwurf

19. Mai 2017
von Börsenblatt
Der Bundestag hat gestern Abend in erster Lesung den Entwurf des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes beraten. Die Bundesregierung war zuvor den Änderungswünschen des Bundesrats, der eine abermalige Ausweitung der bereits geplanten Urheberrechtsausnahmen empfohlen hatte, weitgehend nicht gefolgt.

Der Bundesrat hatte unter anderem gefordert, die freie Nutzung von Werken zu Lehr- und Lernzwecken auf 25 Prozent eines Werks auszudehnen. Diesen Wunsch lehnte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vom 17. Mai mit der Begründung ab, der "Gesetzentwurf der Bundesregierung verfolgt das Ziel, Nutzungserlaubnisse im Interesse von Bildung und Wissenschaft neu zu ordnen und teilweise zu erweitern, zugleich aber damit einhergehende Eingriffe in das Urheberrecht mit angemessener Vergütung zu kompensieren, um so einen angemessenen Interessenausgleich zu kompensieren." Die im Regierungsentwurf enthaltene Regelung zieht eine Grenze bei 15 Prozent eines Werks.

Stefan Heck, Berichterstatter der Unionsfraktion im Bundestag für das Urheberrecht, kritisierte das Gesetzesvorhaben in seiner zu Protokoll gegebenen Rede scharf: Man habe es mit einem Gesetzentwurf zu tun, "der alles Vorherige und alle politischen Zusagen an die Verlage als Farce erscheinen lässt". Der Gesetzentwurf von Bundesminister Maas sei weit von einem Interessenausgleich entfernt, wie er im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei. "Vielmehr sieht er einen Eigentumseingriff vor, der Wissenschafts- und Presseverlagen sowie Autoren die Grundlage ihres wirtschaftlichen Daseins und ihrer Existenz nehmen wird", so Heck. Hier könne auch das Interesse der Allgemeinheit kein ausreichend schweres Gewicht in der Waagschale bilden.

Den von Verlagen gewünschten Vorrang von Lizenzangeboten vor der gesetzlichen Schranke lehnte der Abgeordnete Christian Flisek (SPD) mit dem Argument ab, dies führe zu Rechtsunsicherheit und Überlastung der Bibliothekare. Ziel des Gesetzentwurfs sei es aber, die Ausnahmeregelungen zu vereinheitlichen und für "klare Verhältnisse" zu sorgen.

Justizminister Heiko Maas (SPD) hob in seiner Rede den Aspekt der angemessenen Vergütung hervor – auch mit Hinweis auf das neue Verwertungsgesellschafts-Gesetz (VGG), das Verlegern wieder eine Ausschüttungsbeteiligung einräume – , verwarf aber den Gedanken einer werk- und nutzungsbezogenen Abrechnung: "Es kann nicht sein, dass die Erfassung und Abrechnung auf Nutzerseite mehr kostet, als Autoren und Verlage am Ende des Tages als Vergütung erhalten."

Der jetzt im Bundestag beratene Regierungsentwurf bleibt aus Sicht der Verlage unverändert problematisch: Weder erkennt er bei der Bereitstellung von Inhalten durch Bibliotheken einen Lizenzvorrang des Verlags an, noch sieht er – wie beim Schulbuch – eine Lehrbuchausnahme von den Schrankenregelungen vor, um den Primärmarkt zu schützen. Eine unmittelbar werk- und nutzungsbezogene Abrechnung von Nutzungen lehnt der Entwurf ebenso ab und hält eine "pauschale Vergütung oder eine repräsentative Stichprobe der Nutzung für die nutzungsabhängige Berechnung" für ausreichend.

Der Börsenverein betrachtet den Gesetzentwurf als große Gefahr für Bildung und Wissenschaft in Deutschland. Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Verbands, warnt: "Die geplanten Regelungen sind kurzsichtig und bieten keine nachhaltigen Lösungen für ein modernes, zukunftsfähiges Urheberrecht. Sie gefährden die Qualität von Bildung und damit die Basis unserer Wissensgesellschaft, weil die Tiefe des Eingriffs in das Urheberrecht ausschließlich zu Lasten von Autoren und Verlagen einer Enteignung gleichkommt. Qualitativ hochwertige und vielfältige Schul- und Lehrbücher sowie wissenschaftliche Publikationen kann es nur geben, wenn Autoren und Verlage angemessen für ihre Leistung entlohnt werden."

In den kommenden Wochen finden Anhörungen vor den Bundestagsausschüssen (unter anderen Recht, Wirtschaft und Kultur) statt, bevor der Bundestag am 29. Juni das Gesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet.

roe