Kommentar zum Crowdfunding

Beziehungspflege statt Werbegeschwurbel

6. Juli 2017
von Börsenblatt
Worauf lassen Sie sich lieber ein: eine glatt gebügelte Werbebotschaft oder einen sympathischen Menschen, der Sie um eine Gefallen bittet, von dem Sie selbst auch etwas haben? Vermutlich haben Sie sich für Antwort 2 entschieden. Crowdfunding-Projekte von Verlagen mehren sich. Zu recht, findet Börsenblatt-Redakteur Kai Mühleck.

Dass das VG-Wort-Urteil gerade die kleinen Verlage besonders empfindlich treffen könnte, wird lange befürchtet. Dem Volksmund nach kommt eine Krise ja selten allein – im Fall Dörlemann kamen die Schwäche des Schweizer Franken und der kostspielige Buchversand für Verlage aus dem Nicht-EU-Land über die Grenze hinzu; gerade meldet die Edition Rugerup den überraschenden Rückzug eines Autors vom Buchvertrag, wodurch wichtige Fördergelder fehlen. Auch der kleine, genossenschaftlich geführte Ventil Verlag aus Mainz muss bei sich selbst den Rotstift ansetzen und bangt bei aller Wendigkeit um sein Herbstprogramm. Was haben zumindest zwei dieser drei Beispiele gemeinsam? Die Verlage versuchen, über eine Crowdfunding-Kampagne das hässliche Loch im ­Säckel zu stopfen. Im Fall Dörlemann lief das so erfolgreich, das nicht nur das Herbstprogamm in trockenen Tüchern ist, sondern auch noch eine Verlagssoftware angeschafft und ein Volontär angestellt werden kann.

Bücher, Kampagnen, Plattformen

Bereits in der Vergangenheit haben Verlagsprojekte auf Startnext, Wemakeit und Co. nicht nur zum Erfolg geführt, sondern sich auch als Marketingcoup erwiesen – man erinnere sich an den „Wanderhurenstreit“ 2014, als Voland & Quist einen schließlich erfolgreichen Rechtsstreit und die Neuauflage eines Titels des Slammers und Sängers Julius Fischer per Crowdfunding finanzierte. Diverse Buchprojekte wie Torsten Woywods „Around the world in 100 bookshops“ wurden überhaupt erst durch die Schwarmfinanzierung denkbar, auch Tilmann Rammstedt sammelte zahlreiche Fans für "Morgen mehr" erst durch die Kommunikation mit den Subskribenten ein, der Kladdebuchverlag hat das Crowdfunding sogar zum zentralen Prinzip erhoben. In der Filmbranche sind Crowdfundings auch keine Seltenheit, ein interessantes Projekt hat der junge Filmproduzent Ibrahim Abla gerade laufen – er möchte die faszinierende Geschichte der Buchhandlung Lehnert & Landrock festhalten - nach 100 Jahren erfolgreicher Unternehmensgeschichte in Kairo droht dem  einzigartigen und nach wie vor familiengeführten  Schweizer Fachgeschäft für Bücher und Fotogeschäft das Aus.

Moderne Form der Subskription

Crowdfunding ist die zeitgemäße Form der Subskription, Werbung inklusive. Was macht eine erfolgreiche Kampagne aus? Neben starken Videobotschaften und klarem Ziel sind es schlaue Prämien: Nicht Buchpakete, sondern Nähe in Form von Verlagsabenden und Wohnzimmerlesungen sind die Währung der Wahl. Es hilft, wenn prominente Illustratoren die Aktion unterstützen. Eine überraschende Erkenntnis zum Schluss: Vor allem Stoffbeutel laufen bei den Fans wie geschnitten Brot ... 

Immer noch lesenswert: Steffens Meier Artikel auf bookbytes über Crowdfunding aus dem Jahr 2016.