Streit um Gelsenkirchener Markt

Keine Sicht auf die Buchhandlung

8. August 2017
von Börsenblatt
In Gelsenkirchen schwelt der Konflikt um die Marktstände in der Nienhofstraße bereits seit Jahren: Hinter den Ständen von Textilverkäufern wird die Buchhandlung Kottmann beinahe unsichtbar, klagt Inhaber Dirk Niewöhner. Die Lösung des Streits gestaltet sich zäh.

Bis zu 9.000 Menschen besuchen an starken Samstagen den Markt in Gelsenkirchen. Um deren Kaufkraft in die Innenstadt zu lenken, hat die Stadt auch die angrenzende Nienhofstraße vor vielen Jahren als Wochenmarktfläche festgesetzt. Des einen Freud, des ander’n Leid, denn seitdem gibt es ein Tauziehen zwischen der Buchhandlung Kottmann, der Stadt und den Marktbeschickern um die Nutzung der Fläche. Der Streit füllt inzwischen etliche Seiten in Form von Zeitungsberichten − u.a. schrieb gerade die "WAZ" über den Knatsch.

Kein Postkartenverkauf, keine Sichbarkeit

"Ich habe ein starkes Postkartengeschäft, aber an drei Tagen die Woche verkaufe ich fast nichts", berichtet Buchhändler Dirk Niewöhner, Chef der Buchhandlung Kottmann. "Bis zu drei Zelte mit Billigklamotten stehen vor meiner Buchhandlung und versperren komplett die Sicht. Oft ist so wenig Platz, dass die Kunden erst einmal um alle Stände herumlaufen müssen", ärgert sich Niewöhner über den Schaden.

Schon mehrfach hat sich der Buchhändler darum bei der Stadt beschwert. Auch mit einem Hinweis auf die nötige Feuerwehrzufahrt hat er versucht, dem Treiben vor seiner Buchhandlung Einhalt zu gebieten. Ohne Erfolg: Die Feuerwehr war sogar der Ansicht, dass ein Abstand von nur anderthalb Metern zwischen Ständen und Buchhandlung als Fluchtgasse genügen würden. Aus Kulanz haben die Marktbeschicker ihre Zelte derzeit etwa im Abstand von vier Metern aufgeschlagen. Mal rücken sie näher, mal weiter weg, berichten alle Streitenden unisono.

Für Niewöhner ist der Abstand immer noch zu gering, zumal er sich darüber aufregt, an drei Tagen die Woche keine Postkartenständer auf die Straße stellen zu dürfen. "Mir wird die Chance auf Laufkunden genommen. Ich ärgere mich schwarz", meint der Buchhändler mit Blick auf die verfahrene Situation. Auf der einen Seite verlange man von ihm als Buchhändler die Präsenz mit Abendveranstaltungen und Aktionen, die das Kulturleben bereichern, "auf der anderen Seite baut man mich zu." Einmal hat die Buchhandlung am Markttag selbst ein Zelt vor ihrer Buchhandlung angemietet, um sichtbar zu sein. Das könne aber keine Dauerlösung sein, findet Niewöhner. "Schließlich zahle ich keine geringe Miete, soll ich jetzt auch noch Blick auf meine Schaufenster dazukaufen?"

Marktfläche ist Marktfläche 

Für den Konflikt eine rasche Lösung zu finden, scheint wenig realistisch. Allein aus Rechtsgründen, erläutert Marktmeister Siegbert Panteleit. Zu seinen Aufgaben gehört es auch, in Streitfällen zu schlichten und Marktbeschickern ihre Plätze zuzuweisen. "Den Konflikt zwischen Schaufenstern und Marktständen gibt es überall, wo es Märkte gibt", meint Panteleit. Gerne würde er die Sicht auf die Buchhandlung freiräumen, aber die Fläche sei aktuell nun einmal als Marktfläche ausgeschrieben. "Die einfachste Lösung wäre eine Komprimierung des Marktes, das bedeutet, dass ich viele andere Stände mit woanders hinstellen muss", sagt Panteleit. Dieser Umzug müsse aber von jedem Teilnehmer freiwillig erfolgen – eine Garantie für den guten Willen gäbe es nicht. Marktbeschicker pochen bekanntlich auf ihre angestammten Plätze und beklagen sich im Falle von Änderungen, "eine Verlagerung bedeutet für sie häufig ebenfalls Umsatzeinbußen", erklärt Panteleit. Käme ein Kompromiss zustande, würden im besten Fall trotzdem mehrere Wochen ins Land streichen.

Scheitert die Lösung am grünen Tisch, müsse die Kommune gemeinsam mit den Gewerbetreibenden entscheiden, ob sie den Markt "abbinden" wolle – also die Nienhofstraße künftig komplett von Buden freihalte. "Eine formale Änderung der Festsetzungsverfügung können wir erst ab dem nächsten Jahr ins Auge fassen", präzisiert Panteleit. Doch gegen diese Entscheidung könnten aber die anderen Gewerbetreibenden der Stadt etwas haben, falls bei ihnen das Argument der gestiegenen Passantenfrequenz zieht. Denn die anderen Eizelhändler sind von den Buden nicht betroffen, die nur in einem Teil der Verbindungsstraße stehen, vor der Buchhandlung Kottmann und einer Sparkassen-Filiale.