Interview mit "Oxen"-Autor Jens Henrik Jensen

"Das Blutrünstige überlasse ich den Kollegen"

15. September 2017
von Börsenblatt
Der dänische Thriller-Autor Jens Henrik Jensen eroberte mit seiner "Oxen"-Trilogie Platz 1 der heimischen Bestsellerlisten. Nun hofft dtv darauf, in Deutschland an den Erfolg anzuknüpfen, und lud Jensen eigens zu einer Vertretertagung in München ein. Boersenblatt.net hatte als erstes deutsches Medium die Gelegenheit, mit dem Autor zu sprechen.

Auf der Vertretertagung in München stellte sich der charismatische frühere Nachrichtenredakteur im überfüllten Konferenzraum vor, berichtete von seiner aktuellen Arbeit an einem vierten "Oxen"-Band und erntete viel Applaus. Im Oktober nimmt er erstmals an der Frankfurter Buchmesse teil. Protagonist der Oxen-Saga ist ein traumatisierter und eigenwilliger Ex-Elitesoldat. Gemeinsam mit einer Mitarbeiterin des Geheimdienstes kämpft er gegen kriminelle Politiker und einen skrupellosen Geheimbund.

Wie kamen Sie auf den Namen Oxen?
Oxen ist ein alter dänischer Familienname. Es gab im Mittelalter Kriegsherren, die so hießen. Mir gefiel auch, dass ein Strategiespiel auf Dänisch "Kreis und Kreuz" heißt. In Deutschland kennt man es als "Tic-Tac-Toe" oder "Dodelschach". Es gilt, ein "O" oder ein "X" zum rechten Zeitpunkt in das richtige freie Feld zu setzen. Zudem heißen "Ochsen" im Englischen Oxen. Der Name ist international und prägt sich rasch ein, was in meiner Story eine Rolle spielt.

Sie verbinden mehrere Genres: Es dominiert der Thriller, aber Sie nutzen auch Elemente aus Agenten- oder Abenteuerromanen.
Vergessen Sie nicht den historischen und den klassischen Kriminalroman, also die investigative Arbeit, die von Oxen geleistet wird. Es freut mich, dass dieser Genre-Mix gut ankommt. Ich habe mich aber nicht hingesetzt und überlegt, wie ich auf eine bestimmte Art schreiben könnte.

Skandinavischen Thrillern eilt der Ruf voraus, besonders brutal zu sein. Ihre Erzählweise ist zurückhaltend.
Ja, das liegt daran, dass ich Gewalt nicht mag. Ganz ohne geht es aber nicht. Der Schauspieler, der für das dänische Hörbuch die Oxen-Bücher las, hatte zu Beginn größte Probleme mit der Tötung der Hunde. Mir war klar, dass das niemand mögen würde. Aber es war eine Notwendigkeit, um die Geschichte voranzubringen.

Stattdessen setzen sie auf Intrigen und einen ausgefeilten Plot.
Es ist eine Herausforderung, bei einem Umfang von 1.500 Seiten dafür zu sorgen, dass alles plausibel bleibt. Es gibt viele unvorhersehbare Wendungen: Doppelbödiges, Ränkespiele und Verschwörungen müssen glaubwürdig, menschlich motiviert und bis in die Details nachvollziehbar sein. Das fasziniert mich. Es geschehen Morde, aber blutrünstiges Abschlachten überlasse ich den Kollegen.

Sie arbeiteten über ein Vierteljahrhundert als Nachrichtenjournalist. Hat das Ihren Stil beeinflusst?
Ich benutze eine klare und eher einfache Sprache. Es gibt manchmal lange Sätze. Sie dienen den Atmosphären- und Rhythmuswechseln. Sprache soll kein Hindernis zwischen meinen Büchern und den Lesern sein. Wenn jemand innehält und denkt, was das für ein treffender Ausdruck oder gelungener Satz war, dann freut es mich.

"Was in den letzten Minuten, bevor das Wahllokal geschlossen wird, noch zählt, gilt, sobald das Kreuz gemacht und die Regierung vor ihre Wähler getreten ist, schon längst nicht mehr“, heißt es in Oxen.
Als Journalist musste ich immer objektiv und neutral sein. Als Autor können Sie Missstände aufzeigen und kommentieren. Aber es muss zur Geschichte passen. Ich glaube, meine Darstellung des Missbrauchs von Macht entspricht der Wirklichkeit in Dänemark.

Warum wählten Sie als Protagonisten einen traumatisierten Kriegsveteranen?
Die dänischen Soldaten, die in den Balkankrieg zogen, waren auf ihre Aufgaben nicht vorbereitet. Jetzt haben sie von allen heimgekehrten dänischen Soldaten die höchste Selbstmordrate. Experten erklären das damit, dass sie nichts gegen das Grauen unternehmen konnten.

Dänemark landet bei Studien zu den glücklichsten Völkern ganz vorne. Wie passt das zu den düsteren Thriller-Bestsellern aus Dänemark? Hängt das vielleicht mit der dänischen Glücksphilosophie "Hygge" zusammen?
Die hat mit den langen Wintern zu tun. Von November bis April ist es dunkel, es schneit und regnet und wir müssen näher aneinanderrücken. Wir treffen uns in den warmen Häusern, genießen das Familienleben. Offenbar schließen sich das Verfassen von Thrillern und "Hygge" nicht gegenseitig aus. Auch das Lesen von Kriminalromanen auf der Ofenbank kann "Hygge" sein. Ich wünsche den Lesern in Deutschland viele "Hygge"-Momente mit Oxen und kann versprechen, dass er sich in eine andere Richtung bewegt als all die anderen Thriller-Helden.