Umfrage zum Jahreswechsel (7): Karin Schmidt-Friderichs

"Die Buchbranche ist ruppiger geworden"

22. Dezember 2017
von Börsenblatt
2018 steht vor der Tür. Bis Silvester fragt boersenblatt.net Branchenpersönlichkeiten, was sie planen und wo sie die Pain Points fürs kommende Jahr vermuten. Heute: Karin Schmidt-Friderichs, Geschäftsführerin des Verlags Hermann Schmidt in Mainz.

Welche ungewöhnlichen Projekte wird Ihr Verlag 2018 angehen?
Ein Titel, auf den ich mich ganz besonders freue wird im Mai anlässlich des siebzigsten Geburtstages des Staates Israel erscheinen. Sara Neumann und Henrietta Singer haben 70 Plakate aus den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens in Israel zusammengetragen und kundig kommentiert. Weil der Alltag – in unserm Fall die visuelle Kommunikation in Plakatform – immer auch Gesellschaft und Politik spiegelt und weil es in Zeiten einer neuen Rechten extrem wichtig ist, sich mit der Gründung und  Geschichte von Israel zu befassen, liegt mir dieses Buch besonders am Herzen. Vielleicht wird es herstellerisch gar nicht so ungewöhnlich, aber Kreative gestalten eben nicht nur Plakate, Bücher, Webseiten & Co., sondern letztlich die Gesellschaft, in der wir leben. Das in Buchform zu bringen, wird 2018 ff. eine unserer Aufgaben.

Gibt es Herausforderungen, die zu lösen sind? Was sind Ihre "Pain points"?
Ich beginne mit dem Pain Point: die Buchbranche ist meines Erachtens in den letzten Jahren – und ganz speziell in diesem Jahr – ruppiger geworden. Als ich vor 25 Jahren die Architektur verließ und mich dem Buch zuwandte, hat mich das Miteinander der Branche überrascht und fasziniert. Errungenschaften wie die Preisbindung und die Verkehrsordnung haben mich beeindruckt. Kollegiales Miteinander schienen diese Branche zu etwas ganz besonderem zu machen. In diesem Jahr kamen einseitige und tough fordernde Briefe von großen, marktbeherrschenden Verlagen und Buchhandelsketten an die jeweilig wirtschaftlich unterlegenen 'Gegenspieler' mit Forderungen anstelle von Gesprächen. Sie kamen nach 'Einkaufstouren', die strukturelle Vielfalt reduziert haben. Und damit anscheinend auf beiden Seiten in unterschiedlichen Ausprägungen die Nerven blank liegen lassen.

Was wünschen Sie sich für die Buchbranche in 2018?
Ich wünsche mir deshalb für 2018 die Rückkehr zu einem anständigen Umgang miteinander – und das schließt den 'Dritten im Bunde' – die Barsortimente – mit ein. Wer sich über Jahre als 'Anwalt des Handels' und 'Dienstleister für Verlage' positioniert, sollte etwas weiter denken, wenn er dem Versandhändler die Hand reicht, der den stationären Handel bedroht, selbst stationäre Präsenz anstrebt und alles daran setzt, ein 'big Player' unter den Verlagen zu werden. Ich wünsche mir einen neuen Kodex des Miteinanders in der Branche, Nachdenken über das Heute hinaus und Gespräche anstelle von einseitigem Diktat.

Worauf freuen Sie sich?
Ich liebe Äpfel – ganz besonders die alten Sorten. Bei einem Frühstück unter blühenden Obstbäumen haben wir vor zweieinhalb Jahren gewettet, wie viele alte Apfelsorten es wohl gäbe. Daraus wurde der Apfelkalender 'An Apple a Day 2017' mit 365 alten Apfelsorten. Er war schneller vergriffen als wir gucken konnten, und wir stürzten uns für 2018 wieder in die Archive. Auch dieses Jahr mussten wir bereits kurz nach der Buchmesse 'vergriffen' melden. Seit ein paar Wochen recherchieren wir wie wild und – unglaublich, aber wahr – wird es im September 2018 noch einmal 365 neue alte Apfelsorten für 2019 geben. Dieses hartnäckige Dranbleiben und Nicht-Aufgeben-Können ist Wesenszug von Schmidt und Schmidt-Friderichs ;-)