Lieblingsbuchhandlung: Jackie Thomae über Hundt Hammer Stein in Berlin

Hammer!

4. Januar 2018
von Börsenblatt
Autorin Jackie Thomae singt ein Loblied auf ihre Lieblingsbuchhandlung, die Buchhandlung Hundt Hammer Stein in Berlin.

"Support your local book dealer" steht an meinem Lieblingsbuchladen. Sehr gern, lieber Kurt, denke ich jedes Mal, wenn ich die Stufen hinunter ins Souterrain nehme. Denn im Dauerkampf um das Richtige und Gute gehört der Gang zu meinem Buchhändler zu den machbarsten und komfortabelsten aller Dinge. Leicht fällt mir auch die Treue, denn ich wohne zwar wirklich nah, doch ansonsten bin ich in puncto Läden eher das, was man in der Politik einen Wechselwähler nennt.

Derart begeistert von mir selbst kaufe ich also meine Bücher. Der Laden ist in etwa so groß wie eine vormals kleine, jetzt mittelgroße Altbauwohnung hier in der Gegend – ein Traum für eine Einzelperson, ein Wunder für einen Buchladen. Die Kunst liegt in der Auswahl, und ich, als jemand, der gern viel Raum und Zeug hat, frage mich immer wieder, wie es dennoch möglich ist, dass es in diesem Laden trotzdem alles geben kann, was ich will. Bin ich der Prototyp des Hundt-Hammer-Stein-Kunden oder hat sich nach gut zehn Jahren mein Geschmack dem Programm des Ladens angepasst? Nein, oder? Das kann nicht sein. Denn ich kaufe hier nicht nur für mich, ich kaufe hier auch Geschenke für jeden Anlass. Das heißt, dass ich in diversen Abteilungen unterwegs bin: Belletristik, Lyrik, Sachbuch, Kochbuch, Berlinbuch, Krimi, Kinder- und Jugendbuch, englischsprachige Bücher. Das alles ist möglich und da. Irgendwie, wundersamer- und glück­licherweise.

Der Laden ist ein Zwergstaat mit zehn Klimazonen. Seine Regierung ist integer und unbestechlich. Die aktuellen Lieblings­bücher der Buchhändler Kurt, Urte und Malena stehen auf Aufstellern, außerdem gibt es die aussagekräftigen Kategorien "Sensationell", "Geht immer" und "Wiederentdeckt". Für Eilige und Schüchterne ist das ein hervorragender Leitfaden, alle anderen haben die Chance auf Interna. Ja, auch hier im Wunderland gibt es Bücher, die ins Repertoire gehören, aber überschätzt sind, oder von denen, aus welchem Grund auch immer, dringend abgeraten werden muss. Empfehlungen, die unbezahlbar sind und das Gegenteil von Beurteilungen wie: "Schade ums Geld" oder "Die Ware kam pünktlich und unbeschädigt bei mir an, deshalb fünf Sterne".

Auch ohne Autor und Titel, inmitten einer Kurzamnesie, in der ich nicht einmal googlefähig gewesen wäre, bekam ich hier mein Buch: deutsche Autorin, gut aussehende Frau, in ihren Siebzigern, Titel besteht aus zwei Wörtern, wo ich den Artikel gelesen habe, habe ich auch vergessen, vielleicht in der "Zeit", vielleicht auch nicht. Brigitte Kronauer, sagte Kurt von Hammerstein, "Gewäsch und Gewimmel". Ja, hier wird auch Gewäsch verstanden. Und man ist sich nah. Deshalb hört man auch, wenn andere Kunden ähnlich nebulös nach Büchern suchen, das Feuilleton auswendig gelernt haben oder einfach nur nett und gezielt nach einem bestimmten Titel fragen. Manchmal ist auch ein ca. Neunjähriger da, der herumsitzt und liest. Kein Gewäsch, kein Gewimmel hält ihn davon ab. Womöglich ist er eine Romanfigur. Mit Sicherheit ist er der einzige kleine Junge von ganz Berlin-Mitte, der seine Nachmittage ohne seine Eltern oder die Eltern seiner Freunde verbringen darf. Das Kind hat einen exzellenten Geschmack.

Jackie Thomae wurde 1972 in Halle an der Saale geboren und lebt in Berlin. Zusammen mit Heike Blümner hat sie Sachbücher geschrieben, zum Beispiel: "Man muss die Falten feiern, wie sie fallen". Ihr Debütroman "Momente der Klarheit" (Hanser Berlin) erschien 2015. 2017 nahm sie am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb teil.