Hochschule entfernt Gomringer-Gedicht von Hausfassade

Haus für Poesie beendet Kooperation mit Alice Salomon Hochschule

25. Januar 2018
von Börsenblatt
Das Berliner Haus der Poesie tritt mit sofortiger Wirkung als Kooperationspartner des Alice Salomon Poetik Preises zurück. Der Grund: Der Akademische Senat der Alice Salomon Hochschule (ASH) in Berlin hat beschlossen, Eugen Gomringers Gedicht "avenidas" von seiner Hausfassade zu entfernen. Update: Kulturstaatsministerin Monika Grütters wertet dies in einem Statement als "einen erschreckenden Akt der Kulturbarbarei".

Das Gedicht  des Schweizer Lyrikers und Alice Salomon Poetik Preisträgers Eugen Gomringer ist seit 2011 auf Einladung der ASH auf deren Fassade zu lesen. Im Sommer 2017 hatten Angehörige der Hochschule, mit der Begründung, das Gedicht sei sexuell diskriminierend, zur Neugestaltung der Fassade aufgerufen. Die Hochschulleitung hat diesem Antrag zugestimmt, so das Haus der Poesie.

Thomas Wohlfahrt, Leiter des Hauses für Poesie, sei entsetzt darüber, "dass die Alice Salomon Hochschule diesen Beschluss umsetzt, ohne sich bei Eugen Gomringer zu entschuldigen und die aus der Luft gegriffenen Vorwürfe des Sexismus zu revidieren". Damit bleibe Eugen Gomringers Ruf beschädigt und der Preis sei diskreditiert. "Das Haus für Poesie wird nicht dazu beitragen, Künstlerinnen und Künstlern diesem misslichen Kapitel, für das die Hochschulleitung der ASH verantwortlich ist, auszusetzen", heißt es weiter.

Jury tritt zurück

Auch die Mitglieder der Preis-Jury, die nicht der Alice Salomon Hochschule angehören, erklären: "Wir bedauern den Beschluss der ASH außerordentlich, das Gedicht von Eugen Gomringer aus den bekannten Gründen zu entfernen. Wie im September 2017 in unserer Pressemitteilung angekündigt, werden wir für weitere Jurytätigkeiten nicht zur Verfügung stehen."

Das Haus für Poesie war seit 2006 dem Alice Salomon Poetik Preis als Kooperationspartner verbunden und in der Jury des Alice Salomon Poetik Preises vertreten.

Update: Die Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat sich in einem Statement wie folgt zur Entscheidung der ASH geäußert: "Die Entscheidung des Akademischen Senats der Alice Salomon Hochschule, das Gomringer-Gedicht zu übermalen, ist ein erschreckender Akt der Kulturbarbarei. Kunst und Kultur brauchen Freiheit, sie brauchen den Diskurs, das ist eine der wichtigsten Lehren aus der Geschichte. Wer dieses Grundrecht durch vermeintliche political correctness unterhöhlt, betreibt ein gefährliches Spiel."

Hintergrund

Der Akademische Senat (AS) der Alice Salomon Hochschule Berlin hat in seiner Sitzung am 23. Januar 2018 entschieden, Eugen Gomringers Gedicht "avenidas" bei der Neugestaltung der Südfassade zu entfernen. Gomringer sei über die Entscheidung telefonisch informiert worden. Stattdessen soll dort voraussichtlich im Herbst 2018 ein Gedicht der Lyrikerin Barbara Köhler angebracht werden, informiert die Hochschule in einer eigenen Presseinformation. Köhler, Alice Salomon Poetikpreisträgerin 2017, habe ihr Gedicht für maximal sieben Jahre zur Verfügung gestellt. Daher habe der AS beschlossen, die Fassade alle fünf Jahre neu mit einem Werk eines Alice Salomon Poetikpreisträgers zu gestalten.

Allerdings soll laut Mitteilung der ASH Eugen Gomringers Gedicht nicht ganz von der Fassade verschwinden: "avenidas" werde, so die Hochschule, "einem Wunsch des Künstlers entsprechend", "auf einer Tafel in Spanisch, Deutsch und Englisch unterhalb des Werkes von Barbara Köhler auf der Südfassade angebracht". Gomringer sei von der ASH Berlin eingeladen worden, die Tafel mitzugestalten.