Antiquaria-Preis an Karin und Bertram Schmidt-Friderichs

"Mit Hermann-Schmidt-Büchern geht man eine Beziehung ein"

26. Januar 2018
von Börsenblatt
In der Musikhalle Ludwigsburg wurden gestern zum Auftakt der Antiquaria Ludwigsburg (25.−27. Januar) Karin und Bertram Schmidt-Friderichs und ihr Verlag Hermann Schmidt mit dem Antiquaria-Preis für Buchkultur 2018 ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Katharina Hesse, Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst.

In ihrer Laudatio zog Katharina Hesse immer wieder einen Vergleich zwischen dem dänischen Koch Rene Redzepi und dessen Restaurant Noma in Kopenhagen:

"So viele Parallelen, im Grunde jede Szene ein Pendant zur Arbeit des Verlegerehepaars Karin und Bertram Schmidt-Friderichs, ihrem Selbstverständnis, ihrer Klasse. Das Noma wurde vier Mal zum besten Restaurant der Welt gewählt. Drei Mal direkt hintereinander. Der Hermann Schmidt Verlag gewinnt im Schnitt mit jedem 14. verlegten Buch bei der Stiftung Buchkunst, die zahlreichen Ehrungen anderer Wettbewerbe nicht mitgezählt.

Aber warum? Es gibt viele gute Köche. Es gibt auch – glücklicherweise – viele Gestalter, Hersteller und Verlage, die schöne und schönste Bücher verlegen. Warum sind dann manche einfach besser? Warum erhalten Karin und Bertram Schmidt-Friderichs heute mit voller Berechtigung diesen Preis? Was ist das Geheimnis des Erfolges? Das Streben nach Perfektion?

Perfekt ist doch nicht möglich. Das weiß Rene Redzepi und das wissen sicherlich auch Karin und Bertram Schmidt-Friderichs. Perfektion entsteht nicht aus Wissen, Perfektion ist eine Lebenseinstellung. Rene Redzepi hat gelernt ein Foie Gras zuzubereiten, hat bei großen Köchen gearbeitet, das Handwerk gelernt, geübt, sicher Fehler gemacht, war fleißig und zielstrebig und wurde zum Chefkoch.

Und die Schmidt-Friderichs? Die Kenntnisse übers Büchermachen sind durch Ausbildung, Lernen in der Fremde, eine eigene Druckerei und Erfahrung natürlich vorhanden. Karin Schmidt-Friderichs sagt über ihren Mann: 'Bertram kann aus allem ein schönes Buch machen. Und macht es auch.' Ich sage über Karin Schmidt-Friderichs: Sie kann unfassbar überzeugend sein. Nicht nur, aber auch in ihrer Verlagsverantwortung, um die Bücher aus dem Lager zu bekommen. Sie verstehen, was ich meine.

Und die Beiden geizen nicht mit ihrer Expertise, sie teilen sie. In Seminaren und Vorträgen, auf Konferenzen. Durch ihre ehrenamtlichen Funktionen.

Wenn ich also alles beachte, was die Beiden mir erzählen, kann ich genauso erfolgreich sein? Die meisten Menschen wahrscheinlich nicht. Was meiner Ansicht nach nämlich das Bessere aus dem Guten macht, ist etwas, was man nicht lernen kann.  Und ich spreche nicht von Talent, was sicher auch sehr hilfreich ist. Ich spreche von Mut, Leidenschaft,  Bedingungslosigkeit, Unbequemlichkeit und Enthusiasmus. Ein Wort, das in fast jeder Beschreibung der Beiden zu finden ist.

Ich habe Ihnen noch gar nicht erzählt, was das Besondere am Noma in Kopenhagen ist. Sie bekommen dort nur Gerichte aus einheimischen Zutaten. Ein ziemlich eigenartiges Unterfangen, fanden zumindest 99 Prozent aller Kollegen von Redzepi, zumindest, wenn das Ziel sein sollte, irgendwann mal einen Michelin-Stern zu ergattern. Da sollte man doch eher Hummer oder Kaviar servieren und nicht ein Mousse mit Waldameisen. Ja, Sie haben richtig gehört. Das ist verdammt mutig: Ameisen!

Genauso mutig ist es, einen Stoff um ein Buch zu binden, der dafür nicht gemacht wurde. Oder auf einem Bauernhof Löcher in Bücher zu fräsen. Oder Bücher zu verlegen, die die Welt nicht braucht: Das ist liebevoll gemeint, liebe Schmidt-Friderichs. Denn die Welt benötigt die 'DNA der Stadt' oder 'Was vom Leser übrig blieb' nur solange nicht, solange sie nicht Zeit damit verbracht haben, um sich in die Bücher hineinzulieben.

Und da haben wir den entscheidenden Unterschied: Es gibt Tausende Bücher, die die Welt nicht braucht. Coffee-Table-Bücher über Hotels, Badezimmer, Badewannen, Kaffee, Baristas. Tausend One-Night-Stand-Bücher. Mit Hermann-Schmidt-Büchern geht man eine Beziehung ein, auch wenn die Genese dazu genauso funktioniert wie bei den One-Night-Stands: ein Entdecken, ein Flirt, ein gemeinsamer Abend, das erste Genießen, vielleicht noch ein gemeinsames Frühstück. Und dann liegt das eine Buch in der Ecke: 'Kenn ich schon!' Oder aber – man will mehr. Und bei jedem weiteren Kontakt entdeckt man mehr und aus Anziehung wird Verliebtheit und schließlich Liebe."

Im Laufe ihrer Laudatio ging Hesse auch auf das Experimentieren und ein: "Jeden Samstag nach Schließung trifft sich die Belegschaft des Noma und es wird experimentiert. Es darf gekocht werden, was einem in den Sinn kommt. Bei Schmidt-Friderichs heißen solche Abende 'Spinnerabende'. Die Mitarbeiter bringen Saucen mit, es werden Töpfe voller Pasta auf den Herd gestellt und Ideen sollen sprudeln. Einzige Regel: Einwände und Bedenken müssen draußen bleiben. Unternehmerisch oder kulinarisch analysiert wird später." Bei Hermann Schmidt Mainz komme die Hartnäckigkeit und der Qualitätsanspruch dazu, die das Ergebnis nicht nur besser und ihre Bücher schöner machten, sondern auch ihre Mitstreiter erfolgreicher.

"Und: Karin und Bertram Schmidt-Friderichs leben all das, für was wir stehen", so die Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst. "Sie zeigen Jahr für Jahr Hochleistung. Sie werden dafür prämiert. Aber darum geht es nicht in der Hauptsache. Sie tragen die Relevanz guter Typografie, guter Buchgestaltung, herausragender Herstellung in die Welt hinaus. Werden nicht müde, schönste Bücher zu machen und schönste Bücher zu verkaufen. Sie begeistern damit Buchhändler und Leser, Branche und Öffentlichkeit. Sie zeigen mit jedem Buch, das gestalterische Qualität den Inhalt bereichert und jeder Inhalt, jedes Wort, jeder Satz, jeder Autor diese Fürsorge verdient und sie helfen anderen, dieses auch zu tun."

Zum Antiquaria-Preis

Die Auszeichnung, die von Buchkultur, dem Verein der Freunde antiquarischer Bücher, der Stadt Ludwigsburg und der Wiedeking Stiftung Stuttgart verliehen wird, ist mit 10.000 Euro dotiert.

In der Jurybegründung für den Mainzer Verlag Hermann Schmidt heißt es:

"Das Verleger-Ehepaar Karin und Bertram Schmidt-Friderichs hat den Mainzer Verlag Hermann Schmidt in den letzten 25 Jahren mit Enthusiasmus und sicherem Gespür zu dem strahlenden Leuchtturm in den Bereichen Visuelle Kommunikation und Kreativität gemacht. Die großen und kleinen, aber immer feinen Werke zeigen, dass auch in der digitalen Welt Gestaltung, Typografie und Illustration auf höchstem Niveau tradiert und weiterentwickelt werden können.

Neben den individuell gestalteten und hochwertig wie nachhaltig produzierten Büchern entstehen regelmäßig Gesamtverzeichnisse, die in der Tradition der fast vergessenen Verlagsalmanache der unverwechselbare Fingerabdruck des Verlags sind. Sie sind neben den unverzichtbar gewordenen Standardwerken inzwischen zu eigenen Sammelobjekten geworden."