Urheberrechtsstreit um E-Books von Mann und Döblin

gutenberg.org sperrt deutsche Nutzer

5. März 2018
von Börsenblatt
Die Project Gutenberg Literary Archive Foundation, die das US-E-Book-Portal gutenberg.org betreibt, hat alle User mit einer deutschen IPv4-Adresse bis auf weiteres blockiert. Hintergrund ist eine Entscheidung des Frankfurter Landgerichts, nach dem der Foundation ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro angedroht wird, wenn es weiter kostenlos Werke von Thomas und Heinrich Mann sowie Alfred Döblin zum Download stellen würde.

Grund für den Streit wegen www.gutenberg.org  – nicht zu verwechseln mit der bei Spiegel online gehosteten www.gutenberg.de-Seite – sind die Unterschiede zwischen dem US-Urheberrecht und dem bundesdeutschen Urheberrecht: Sämtliche vor 1923 veröffentlichten Texte gelten in den USA als gemeinfrei, während in Deutschland erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers der Schutz des geistigen Eigentums endet. Die Werke von Heinrich Mann (gestorben 1950), Thomas Mann (gestorben 1955) und Alfred Döblin (gestorben 1957) sind nach deutschem Urheberrecht also noch geschützt, weswegen der S. Fischer Verlag als Inhaber territorial unbeschränkter Nutzungsrechte jener Autoren auf Unterlassung kostenloser Downloadmöglichkeiten geklagt hatte.

Als Konsequenz aus dem Urteil des Landgerichts vom 9. Februar 2018 hat die Project Gutenberg Literary Archive Foundation am 28. Februar nicht die 18 von Fischer beanstandeten Werke offline gestellt, sondern bis auf weiteres sämtliche Seiten und Unterseiten für Nutzer mit einer deutschen IPv4-Adresse mittels Geoblocking gesperrt. Mit einer IPv6-Adresse ist die Seite allerdings weiterhin erreichbar.

S. Fischer wendet sich gegen die Maßnahme von gutenberg.org, allen Nutzern mit deutschen IP-Adressen den Zugang zum ​gesamten ​Angebot des Portals zu sperren. "Auch wenn dies vom Portal als eine Art Vorsichtsmaßnahme begründet wird, legt diese Aktion aus Sicht des Verlags doch den Schluss nahe, dass man die Nutzer instrumentalisieren und zu Protesten gegen den Verlag veranlassen will, weil man das Urteil eines Gerichts nicht akzeptieren möchte", meint Sprecher Martin Spieles. S. Fischer sei nicht gegen das legale Angebot von Gutenberg.org hinsichtlich unzähliger heute gemeinfreier Texte der Weltliteratur. Aber alle Versuche des S. Fischer Verlags, seit 2013 gutenberg.org ohne Befassung eines Gerichts dazu zu bewegen, diese Texte aus dem Angebot zu nehmen, seien gescheitert.

Foundation prüft die Anfechtung des Urteils

Die Foundation, die nach US-Recht eine Not-for-profit-Corporation ist, also keine kommerziellen Zwecke verfolgt und als Public-Charity-Organisation anerkannt ist, hat die Server bei der University of North Carolina at Chapel Hill angemietet. Nach ihrer Auffassung ist das deutsche Gericht nicht zuständig, da zum einen die www.gutenberg.org-Seite in den USA gehostet werde und damit dem US-Recht unterliege und zum anderen die Personen verantwortlich seien, die die Werke von Döblin und den Manns dort hochgeladen hätten. Dieser Auffassung hat sich das Frankfurter Landgericht nicht angeschlossen, da die geschützten Werke unstreitig auch in Deutschland abrufbar seien. Die Foundation prüft nun, ob sie das Urteil anfechtet.