Diskussion über Lesegewohnheiten mit Thomas Sarbacher

"Wenn ich in einer Geschichte drin bin, bin ich gerettet"

17. März 2018
von Börsenblatt
Eine vergnügliche halbe Stunde durften die Besucher der Leipziger Buchmesse im Rahmen der Reihe "Zum Lesen hat man immer Zeit"am arte-Stand erleben. Moderator Thomas Böhm sprach mit Schauspieler Thomas Sarbacher über Lesegewohnheiten. Seit drei Jahren findet die Gesprächsreihe in Zusammenarbeit mit dem Börsenverein auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig statt.

Moderator Thomas Böhm, seines Zeichens Kulturjournalist beim RBB, schaut die Vorfreude auf den Austausch förmlich aus dem Knopfloch, als er sich auf der Arte-Bühne niederlässt, und auch Thomas Sarbacher, bekannt durch die Rolle des Kriminalhauptkommissars Matthias Steiner in der Sat1-Fernsehserie "Der Elefant – Mord verjährt nie" und aus zahlreichen "Tatort"-Auftritten, ist bester Dinge. Der zweite geladene Gast fehlt entschuldigt: Marco Wanderwitz, CDU-Bundestagsabgeordneter und frisch ernannter parlamentarischer Staatssekretär, hat seinen zweiten Arbeitstag im Innenministerium. 

Sarbachers Lieblingsbuchhandlungen: Caligramme und sec52

Wie seine Leidenschaft für das Lesen begann, will Böhm von Sarbacher als Einstieg wissen. Mit Abenteuergeschichten, erwidert dieser, in denen die Hauptfigur immer Hunger hatte: "Das war mir sehr sympathisch." Das Publikum freut sich. Weiter geht es mit der Frage nach der Lieblingsbuchhandlung. Da gebe es zwei, schwärmt der in Zürich lebende Sarbacher: Zum einen das Caligramme in der Altstadt, in dem sommers wie winters die Tür offensteht - "weil Frau Lehmann, die den Laden mit Herzblut leitet, rund um die Uhr raucht. In dem Laden stapeln sich die Bücher bis unter die Decke, aber Frau Lehmann findet alles." Und dann sei da noch die Buchhandlung sec52, geleitet von Buchhändler und Verleger Ricco Bilger. Hier holt sich der Schauspieler Inspiration für seine Lesereisen. 

Geschichten zum Eintauchen

Wonach sucht er bei einem Buch? "Ich brauche Geschichten, in die ich eintauchen kann. Wenn ich in einer Geschichte drin bin, bin ich gerettet", sagt Sarbacher und schwärmt von der "Magie, wenn die anfängliche Fremdheit des Buches nachlässt und man nicht mehr aufhören kann zu lesen." Mit zunehmendem Alter wüsste er zudem schöne Formulierungen zu schätzen: "Man ist nicht mehr so gierig auf die Geschichte, nimmt sich mehr Zeit." Derzeit liest er den "Mann ohne Eigenschaften": "Ich freue mich jeden Morgen über einem Kaffee an Musils Fähigkeit, die Dinge auf den Punkt zu bringen".

Als Lesetipps hat der Schauspieler drei seiner Lieblingsbücher mitgebracht: Leo Tolstois "Anna Karenina" ("schlichtweg genial"), Alfred Döblins "Berge, Meere und Giganten" ("ein furioser Text, eine Naturgewalt") sowie William H. Gass‘ "Der Tunnel" ("Wer die anfängliche Durststrecke überwindet, wird mit einer großen Geschichte belohnt").


"Vorlesen ist die einfachste Art, Theater zu machen"

Warum er sich entschieden habe, neben seiner Schauspieltätigkeit Hörbücher für Blinde einzulesen, fragt Böhm. Vorlesen sei die einfachste Art, Theater zu machen, antwortet Sarbacher, und das stellt er abschließend unter Beweis: Mit einer eindrücklichen Passage aus Ulrich Alexander Boschwitzs Roman "Der Reisende" über die Flucht eines jüdischen Kaufmanns aus Hitlerdeutschland, wiederentdeckt von Peter Graf – ein Buch, das knapp 80 Jahre nach seiner englischen Erstveröffentlichung zum ersten Mal in der Sprache erschienen ist, in der es geschrieben wurde, und das angesichts aktueller Entwicklungen zur rechten Zeit zu kommen scheint.