Rainer Moritz auf der Leipziger Buchmesse

Magenta & Efeu

22. März 2018
von Börsenblatt
Rainer Moritz hat erneut die Leipziger Buchmesse besucht. Er ist sogar wieder weggekommen, obwohl die Bahn mit dem Schnee überfordert war: diesen und elf andere Punkte hier frisch aus dem Erlebnistagebuch.

Ehrlich gesagt, fahre ich vor allem zur Leipziger Buchmesse, um hinterher von der Leipziger Buchmesse erzählen zu können. Selbstverständlich notiere ich wie jedes Jahr brav, was sich die Verlage für den kommenden Herbst ausgedacht haben und wie sie hoffen, das Weihnachtsgeld ihrer Mitarbeiter mit neuen Büchern von Dörte Hansen oder Juli Zeh sichern zu können. Viel schöner freilich lässt sich von jenen kleinen Leipziger Erlebnissen am Rande berichten, die das wahre Salz in der Buchmessensuppe sind.

"Auszüge aus meinem Leipziger Erlebnistagebuch"

So widerfuhr mir schon auf der ersten Taxifahrt, dass 1. der Fahrer mich nach den komischen Magenta-Gestalten fragte, die die Glashalle bevölkern würden, dass 2. die in einem Leipziger Restaurant für Vegetarier angebotenen Roggenfrikadellen keinerlei Zuspruch erfuhren, wohl weil das Wort "Roggenfrikadellen" ja irgendwie nicht appetitanregend klingt, dass 3. der Insel Verlag neue Wege beschreitet und den Sportarzt Müller-Wohlfahrt in "Mit den Händen sehen" auf sein Wirken zurückblicken lässt, was sich mit Buchtiteln wie "Mit den Füßen riechen" oder "Mit den Augen hören" mühelos zu einer Reihe erweitern ließe, dass 4. Christian Anders ("Es fährt ein Zug nach nirgendwo") und seine Verlegerin Elke Straube Gott sei Dank diesmal wieder auf der Messe vertreten waren, und ich deshalb Anders’ neuestes Werk "Seelenatem-Meditation. Der Weg zur wahren Unsterblichkeit" rezipieren durfte, dass 5. der Deutsche Taschenbuch Verlag dem Naturtrend der Branche erneut folgte und seinen Stand mit Kunstefeu garnierte, sodass in Frankfurt vermutlich die ersten Verlage Bienen und Schmetterlinge flattern lassen und ihre Stände im Forsthaus-­Falkenau-Stil präsentieren werden, dass 6. der Piper Verlag das vermutlich mit Pferdedung und Haferflocken kontern wird, wenn es gilt, Isabell Werths philosophisch anregend be­titeltes Werk "Vier Beine tragen meine Seele" vorzustellen, dass 7. sich erstmals unterm Messeglasdach reichlich Kondenswasser bildete und Autoren so nicht nur metaphorisch im Regen stehen ge­lassen wurden, dass ich 8. an einem Berliner Verlagsstand ­einladend mit den Worten "Oh, Gott, wir sind ja verabredet!" begrüßt wurde, während ich 9. an einem Kölner Verlagsstand, als ich um prickelndes Mineralwasser bat, mit den Worten "Wir sind ein Mädchenverlag, wir haben nur stilles" abschlägig beschieden wurde, dass ich mir 10. fest vorgenommen habe, Uwe Tellkamp mit seinem neuen Roman ins Hamburger Literaturhaus einzuladen, dass 11. mein Lieblingsbuch diesmal aus dem Bassermann Verlag kommt, "Meine bes­ten Rezepte für Slow Cooker und Schongarer" heißt und hoffentlich dazu beiträgt, dass das Wort "Schongarer" an die Stelle von "Warm­duscher" und "Vorwärtseinparker" treten wird, und dass ich 12. die von einem bereits Tage zuvor angekündigten Wintereinbruch mal wieder völlig überraschte Deutsche Bahn zu verabscheuen beginne, ich aber wegen der ausfallenden ICE-Fahrten in den Genuss kam, im Auto eines sehr hilfsbereiten Kieler Bekannten zurückfahren zu dürfen, und es sich dabei – wie aufregend – um einen echten Diesel handelte.

Das alles sind nur wenige Auszüge aus meinem Leipziger Erlebnistagebuch. Gern hätte ich noch von Denis Scheck erzählt, der sein Handy in einem Berliner Hotel liegen ließ. Oder von der Lebensgefährtin eines österreichischen Literaturhaus­leiters, die nächtens im Hotel beim Biss in einen überalterten Keks einen Zahn verlor ...

Leider durfte dieser Text jedoch nicht länger werden. Ich freue mich schon auf Leipzig 2019.