Die Sonntagsfrage

"Spielen Pseudoverlage in Zeiten von Selfpublishing noch eine Rolle, Herr Kiwitt?"

13. April 2018
von Börsenblatt
Den Wunsch nach dem eigenen Buch kann sich heute jeder Autor mit ein paar Klicks erfüllen. Die Gefahr an einen unseriös arbeitenden Verlag zu geraten sollte also gebannt sein, oder? Warum der Kampf gegen schwarze Schafe längst nicht beendet ist, erklärt Tobias Kiwitt, Justiziar des Bundesverbands junger Autoren und Autorinnen und Gründer von Fairlag.

Erst unlängst, auf der Leipziger Buchmesse, sprach mich wieder eine Autorin hat, die knapp 20.000 Euro für ihr eigenes Buch an einen Pseudoverlag gezahlt hatte und sich über die schlechte Arbeit des Pseudoverlags beschwert hatte. Ihr war klar geworden, dass sie sehr viel Geld "in den Sand gesetzt" hatte.

Ständig wenden sich Autoren an uns, die Verträge bei solchen schwarzen Schafen der Branche unterzeichnet haben und verzweifelt sind, wie sie aus diesen Verträgen wieder herauskommen.


Irreführung mit bewusst wohlklingenden Namen

Das liegt zum einen daran, dass diese Unternehmen häufig mit bewusst wohlklingende Namen und Bezeichnungen von ähnlich renommierten Verlagen und Vereinigungen arbeiten, "um so potentielle Autoren zu täuschen" (vgl. OLG Köln, 16.12.2008, Az. 15 U 116/08 zur täuschenden Namenswahl von Druckkostenzuschuss- und Pseudoverlagen). Sie benennen sich etwa nach Goethe oder geben sich eine Eule ins Logo (ähnlich der Ullstein-Eule) und verleihen sich damit den Eindruck der Seriosität. Unerfahrene Autoren, die den sehnlichen Wunsch nach einem traditionellen Verlag haben, erkennen diese Irreführung oft nicht. Es ist ähnlich wie bei dem Geschäft mit Schrottimmobilien: Der Häuslekäufer erkennt nicht, was er da erwirbt und reibt sich später verwundert die Augen, wie blind er gewesen ist.

Doch Pseudoverlage schmücken sich nicht nur häufig mit schönen Namen. Sie bezeichnen sich obendrein sogar auch noch dreist als "Verlag", obwohl sie überhaupt keine Verlage sind. Denn der Begriff „Verlag“ kommt von Vorlegen: Der Verlag legt Geld für einen Autor vor. Der Verlag trägt das unternehmerische Risiko. Doch genau dies tun Pseudoverlage nicht, sondern sie kehren das Verlagsprinzip um. Sie verhalten sich damit unlauter. Man darf sich nicht als Arzt bezeichnen, wenn man keiner ist. Und so sollte es auch verfolgt werden, dass man sich nicht als Verlag oder Verleger bezeichnen darf, wenn man überhaupt kein Verlag oder Verleger ist. Pseudoverlage sind nichts anderes als eine Druckerei, aber kein Verlag.

Der Bundesgerichtshof (BGH, NJW 2002, 1192) hat schon vor über einem Jahrzehnt festgestellt, dass "sich solche Unternehmen gegenüber den publizierenden Autoren wie ein Lebensmittelhändler verhalten, bei dem man ein Pfund Käse verlangt, es bezahlt, dann aber zu Hause feststellt, dass man nur 100 Gramm bekommen hat." Dies ist jedoch "Betrug".

 

Wirr zusammengewürfeltes Wortgemisch-Manuskript eingeschickt

Dass es Pseudoverlagen nicht auf literarischen Gehalt ankommt, ist wiederholt nachgewiesen worden. Das Verbrauchermagazin ZDF-WISO hat einst einen durch einen Online-Gedichte-Generator wirr zusammengewürfeltes Wortgemisch-Manuskript an einen Pseudoverlag eingeschickt und erhielt sofort einen "Verlagsvertrag". Natürlich sollten mehrere Tausend Euro gezahlt werden. Hinweisen möchte ich an dieser Stelle auch vor allem auf die Aktion Rico Beutlich.


Pseudoverlage nutzen die Unwissenheit von Autoren aus

Zum anderen gibt es einen zweiten wichtigen Faktor, den Pseudoverlage für sich ausnutzen: Die Unwissenheit und Naivität von Autorenanfängern. Manche Autoren – gerade Debütautoren – wissen nicht, dass Verlagsleistungen für den Autor nie etwas kosten dürfen. Sie nehmen es als gegeben hin, für eine Verlagsleistung etwas bezahlen zu müssen.

Sie kennen dies zudem auch vom Selfpublishing, dass sie für Leistungen zahlen müssen. Das Aufkommen des Selfpublishing hat also in gewisser Weise auch diesen Trugschluss bei manchen Autoren verstärkt: Es sei normal, Geld für eine Veröffentlichung zu zahlen.

Dabei übersehen sie jedoch den wesentlichen Unterschied zum Selfpublishing: Selfpublisher werden als Selbstverleger tätig. Selbstverleger gab es schon immer, die heutigen Möglichkeiten erleichtern ihnen nur die Arbeit und damit sind sie stark angewachsen. Selfpublishing-Autoren kaufen Leistungen dazu. Da sie de facto selbst Verleger sind, ist das nicht verwunderlich. Dafür aber erhalten sie später auch den fast vollständigen Verkaufserlös und sie behalten ihre Rechte.

Dies ist beim Verlagsautoren anders. Manche Autoren erkennen nicht, dass ihre Leistung als Verlagsautor bereits mit dem Schreiben des Werkes erfüllt ist. Ein Schauspieler geht ja auch nicht zum Regisseur oder zur Filmgesellschaft und gibt dafür Geld, dass er auf der Bühne oder im Film mitspielen darf. Sondern der Schauspieler bekommt dafür Geld, dass er seine künstlerische Tätigkeit vor dem Publikum ausübt.

Neben den ganz schwarzen Schafen der Branche, den Pseudoverlagen, gibt es weiterhin in der Branche mehrere Dutzend Unternehmen, die "Druckkostenzuschüsse" verlangen. Dabei sind einige Unternehmen sehr erfinderisch und wollen mit Autoren z.B. verdeckte Druckkostenzuschüsse, etwa durch Mindestabnahmemengen von Büchern oder zusätzlicher Buchungspflicht von kostenpflichtigen Angeboten (z.B. Pflicht zu Erstellung einer Autorenwebsite, Pflicht zur kostenpflichtigen Bestellung von Flyern usw.) vereinbaren. Davor warnen wir ausdrücklich und klären Autoren auf.


Ausstieg mit Hindernissen

Autoren haben es sehr schwer, aus einem bestehenden Verlagsvertrag herauszukommen, auch dann, wenn der Verlag nichts oder kaum mehr etwas für den Autor tut. Dies gilt umso mehr für Verträge mit Pseudoverlagen, vor denen eindringlich zu warnen ist. Es ist nicht nur das viele Geld, sondern die Veröffentlichung in einem solchen Unternehmen kommt nicht selten einem literarischen Selbstmord gleich.

Gerichte tun sich leider noch immer schwer damit, Verträge von Pseudoverlagen als "sittenwidrig" für nichtig zu erklären. Sie argumentieren mit der freien Marktwirtschaft und dass es jedem frei steht, für eine Leistung, die ihr Geld nicht wert ist, viel Geld zu investieren.

Nur in Ausnahmefällen gelingt es, Verträgen mit Pseudoverlagen rückgängig zu machen. Es bedarf einer konkreten anwaltlichen Prüfung im Einzelfall. In einigen Fällen ist es mir anwaltlich für Autoren gelungen, Autoren aus solchen Verträgen wieder herauszubekommen. Doch dies ist leider nicht der Regelfall. Die Verträge von Pseudoverlagen sind meist derart klauselhaft formuliert, dass sie letztlich nicht anfechtbar sind. Oder bildlich gesprochen: Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, ist es verdammt schwierig und meist unmöglich, das Kind wieder herauszuholen.


Pseudoverlage in der Insolvenz

Es gibt im deutschsprachigen Raum etwa zwei Dutzend Pseudoverlage. Ein paar von ihnen sind in den letzten Jahren insolvent geworden, wie der sog. Wagner „Verlag“ aus Gelnhausen oder eine vermeintliche Literaturgesellschaft aus Berlin, die jedoch in neuer Gesellschaftsform weitermacht.

Das mag sicherlich auch mit dem Aufkommen des Selfpublishing und einer breiter informierten Öffentlichkeit der letzten Jahre zu tun haben. Doch noch immer werden Autoren Opfer der Bauernfängerei. Und für jeden einzelnen Autor, den man vor solchen "Gelddruckmaschinen auf den Rücken der Autoren" (wie es einst so zutreffend der Schriftsteller Fred Breinersdorfer genannt hat) schützen kann, lohnt sich der Einsatz und die weitere breite Aufklärung.

Letztlich wird man am Wirksamsten Autoren erst dann, wenn die Wettbewerbsbehörden den Pseudoverlagen endlich untersagen, den Begriff "Verlag" zu führen, langfristig vor der Abzocke schützen können. Hier sind u.a. der Gesetzgeber und die Gesellschaft gegen den unlauteren Wettbewerb aufgerufen. Solange kann man es nur immer wieder aufs Neue in die Öffentlichkeit posaunen: Seid gewarnt vor Pseudoverlagen!