Jahrestagung Interessengruppe Hörbuch

Ran an die Netflix-Nutzer!

3. Mai 2018
von Börsenblatt
Vorhandene Medienflatrates wie Netflix verstärken das Interesse an einer Hörbuchflatrate – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Hörbuchplattform BookBeat, die bei der Jahrestagung der IG Hörbuch in München vorgestellt wurde. Weitere Themen: unlizenzierter Audiocontent und das barrierefreie Hörbuch.

Anders als die Buchbranche scheint das Hörbuch vom Medienwandel zu profitieren: 16 Millionen Deutsche haben laut Audible Hörkompass 2017 Hörbücher gehört, 1,6 Millionen mehr als 2016. Im digitalen Hörbuchmarkt legt Deutschland jährlich um etwa 25 Prozent zu, in Schweden sind es sogar 50 Prozent. 

Warum das Beispiel Schweden? Weil BookBeat, die Hörbuchplattform der schwedischen Verlagsgruppe Bonnier, seit sieben Monaten auch in Deutschland am Start ist. Und weil Kathrin Rüstig, zuvor lange Jahre bei Audible in leitender Funktion tätig, dort die Position Director Publishing Relations eingenommen hat – und bei der Jahrestagung der Hörbuchverlage im Stemmerhof in München eine Studie präsentiert, die die Netflix-Nutzer als ideale Zielgruppe für Hörbuch-Streamingdienste ausgemacht hat. Zum Hintergrund: BookBeat, das ist eine Hörbuchplattform mit Flatrate zum Preis von 14,95 Euro; in Deutschland sind zur Zeit etwa 17.000 Titel verfügbar.

Offen für Medienflatrates

„It’s not about market share – it’s about mindshare“ hat Kathrin Rüstig ihren Vortrag übertitelt, im Publikum soll sich schließlich keiner sorgen, der Markt für das physische Hörbuch könnte kleiner werden. Außerdem dürfte das Lizenzbeteiligungsmodell von BookBeat den Hörbuchverlegern sympathisch sein: Jeder Hörvorgang wird getrackt und vergütet.

Noch einmal zurück nach Schweden: Dort entfallen 30 Prozent des Buchumsatzes auf das Hörbuch, in Deutschland sind es etwa fünf Prozent. Einen stetig wachsenden Anteil des Digitalgeschäfts mit Hörbüchern realisiert in Schweden mittlerweile die Bonnier-Plattform BookBeat, die dort vor zwei Jahren ihren Geschäftsbetrieb aufnahm. Die Kunden dort sind eher jung (überwiegend zwischen 30 und 45 Jahre alt), eher weiblich, Familien mit kleinen Kindern - und häufig an Abo-Modelle wie Netflix oder Spotify gewöhnt.  

Jetzt wollte BookBeat wissen, wie in Deutschland Netflix-User auf das Angebot ansprechen. Dafür wurden 1043 Leute befragt, darunter Hörbuchhörer, Nicht-Hörbuchhörer und Netflix-User. Kathrin Rüstig nimmt das Fazit der Studie vorweg: "Netflix-Nutzer scheinen eine gute Zielgruppe für eine Hörbuchflatrate zu sein".

Die Ergebnisse, leider ohne prozentuale Angaben:

  • Netflix-Nutzer lieben digitale Medien: Hörbuch-Hörer haben einen höheren Medienkonsum und nutzen digitale Medien stärker als Nicht-Hörbuchhörer. Noch ausgeprägter ist das Interesse an allen digitalen Medienformen bei den Netflix-Nutzern.
  • Hörbuchkonsum: Hörbuch-Hörer und Netflix-Nutzer nutzen Hörbucher zu Hause, nur ein geringer Prozentteil will mobil hören. 
  • Interesse an digitaler Hörbuch-Flatrate: Das Interesse der Netflix-Nutzer ist deutlich höher ausgeprägt.

Und wie hoch ist jetzt das Potenzial? Laut Kathrin Rüstig, die dem beauftragten Umfrageinstitut diese Frage gestellt hat, könnte man perspektivisch in den nächsten Jahren mit einem Potenzial von bis zu zwei Millionen Nutzern rechnen, für die eine digitale Hörbuch-Flatrate in Frage käme. "Wir haben uns die Frage gestellt, welche Zielgruppe wir zum Hörbuch konvertieren können", so Rüstig. Die Marketing-Pläne können jetzt geschrieben werden.

Weitere Themen: Unlizenzierter Content, barrierefreies Hörbuch

Noch besser könnte der Digitalumatz der Hörbuchverlage wahrscheinlich sein, wenn sie der Piraterei besser in den Griff bekommen würden. Zum Thema unlizenzierter Audiocontent auf YouTube referierte in München die Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht Kerstin Bäcker

Auf YouTube erfreuen sich Hörbücher wachsender Beliebtheit, bewies Bäcker mit ein paar Charts, die die Hörbücher der aktuellen Bestsellerliste mit Abrufzahlen in den 100.000ern zeigte, die Uploader versteckten sich hinter Namen wie "Asoziales Netzwerk – Sektion Oberbayern". Die Rechteinhaber können durchaus gegen die illegale Nutzung ihres Contents vorgehen, nur einfach ist das nicht. Die Gerichte würden YouTube als "mittelbar verantwortlich" betrachten, also nicht als "Täter", sondern als "Störer", erklärte Bäcker. Das eröffnet verschiedene Möglichkeiten, die aber nicht ohne Aufwand sind. Bäcker: "Ohne Druck bewegt YouTube sich keinen Millimeter." Die IG Hörbuch will die Spur nun aufnehmen, und ein gemeinsames Vorgehen organisieren.

Zum Thema Daisy / barrierefreies Hörbuch referierte Thomas Kahlisch, Direktor Deutsche Zentralbücherei für Blinde (DZB). Mehr zum Thema - und zum Engagement des Argon Verlags für Daisy -  lesen Sie hier.

Außerdem ging es - mal wieder - um die Finanzierung und Weiterentwicklung der beiden Hörbuchpreise BEO und Deutscher Hörbuchpreis. Noch wird konzipiert und verhandelt, Details werden zu einem späteren Zeitpunkt kommuniziert. Das gilt auch für den neuen Gemeinschaftsstand der Hörbuchverlage auf der Frankfurter Buchmesse.