AWS-Tagung 2018 in Bochum

Mut zum Fehlermachen

9. Mai 2018
von Börsenblatt
In Bochum tagen noch bis Mittwoch die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Sortiments- und Fachbuchhandlungen (AWS). Schwerpunktthemen am zweiten Tag waren digitales Schulbuch, E-Learning und Innovationsmanagement in Verlagen.

Branchenberater Ehrhardt F. Heinold stellte in seinem Vortrag ("Das digitale Schulbuch – Chimäre oder Chance") die Gretchenfrage, ob die flächendeckende Einführung des neuen Unterrichtsmediums überhaupt eine realistische Erwartung sei oder nicht vielmehr eine Illusion, die den entscheidenden Fragen aus dem Weg gehe. Denn nicht nur die Fragen der Gelderverteilung (die fünf Milliarden Euro von Ex-Bundesbildungsministerin Johanna Wanka) oder der digitalen Infrastruktur (Breitbandanschluss, Schulserver, Gerätemanagement) sind ungelöst – überhaupt kein ausgereiftes Konzept gibt es bisher für eine Didaktik, die elektronische Inhalte sinnvoll in den Unterricht einbindet.

Sind digitale Medien alternativlos?

Dabei stellt sich nicht nur die Frage nach dem Mehrwert digitaler Lernmedien, ihrem spezifischen pädagogischen Nutzen, sondern auch die weitere Frage, ob Unterricht mit „digitalen Medien“ alternativlos ist. Beobachtet man beispielsweise die Debatte, die die „FAZ“ zu diesem Thema führt, könnte man auch zu einer anderen Schlussfolgerung kommen: Abseits einer digitalen Agenda gibt es Argumente für einen analogen Unterricht, die in der Praxis etwa ein Wahlrecht von Schulen ermöglichen könnten: Schule A bietet klassisch-analogen Unterricht, Schule B einen Mix aus traditioneller und multimedialer Inhaltevermittlung.

Im abschließenden Podium zum E-Learning-Komplex nahmen außer Moderator Ehrhardt F. Heinold, dem Digitalexperten Steffen Meier (digital publishing report) und dem Berater Roland Karle auch Lehmanns-Geschäftsführer Detlef Büttner und Katharina Wagner, Book Strategy Analyst bei Springer Nature, teil. Heinold wollte von Büttner wissen, wo Schulbuch, Lehrbuch und E-Learning heute im Fachbuchhandel stehen. Büttner definierte die Aufgabe des Fachinformationsanbieters so: „Wir stellen unseren Kunden den Zugang zu katalogisierten Inhalten bereit, ganz gleich in welchem Format.“ Schwieriger sei es allerdings, E-Learning-Angebote zu integrieren, weil sie auf unterschiedlichen Plattformen angeboten werden. Der Kunde, ob im Unternehmen oder in der Schule, wolle nur mit einer Plattform arbeiten und deren Inhalte lizenzieren. Was das für den Fachhandel in der Fläche bedeute, fragte Heinold. Im B-to-B-Geschäft könnten nur große Anbieter mithalten, so Büttner. Aber der gesamte Fachbuchhandel müsse darüber nachdenken, wie er mit dem technischen Wandel umgehe. Die beschleunigte Produktion von Wissen bedeute noch nicht mehr Qualität und Geistesbildung.

An die Fachverlage adressierte Büttner die Forderung, bei ihrem Contentgeschäft mit großen Konsortien den Handel nicht kategorisch außen vor zu lassen. „Große Deals, etwa mit Bibliotheken, sind an sich kein Problem, aber wenn der Kunde es will, sollten die Verlage diese Deals auch für den Handel öffnen.“ Das gehöre für ihn zu den Mindestanforderungen, die man in der Branche verlangen könne, so Büttner.

Wie gelingt Innovation?

Ein zweiter Schwerpunkt des heutigen Tagungsprogramms war das Thema Innovation. Jörg Pieper (Gemeinsam klären Unternehmensberatung) moderierte eine Gesprächsrunde mit Juliane Wagner (Springer Gabler), Stefanie Quade (Design Agility), Franziska Schiebe (Verlagsgruppe Beltz / Kannwas.club) und Isabel Bales (Schweitzer Fachinformationen). Innovation finde im Interesse der Zielgruppen statt – doch „wie kommen wir wirklich an die Bedürfnisse des Kunden heran“, fragte Pieper seine Mitdiskutanten. Wie authentisch sei die „Persona“, der idealtypische Vertreter einer Zielgruppe, die man am Konferenztisch kreiere? „Natürlich muss man seine Annahmen durch Recherchen im Markt validieren“, meinte Quade. Oder die Methode verfeinern. Quade arbeitet mit einer Agentur zusammen, die bis zu sechs verschiedene „Personas“ entwickelt, für die sie jeweils einen eigenen Raum einrichtet, um sich so die Bedürfnisse plastischer vorstellen zu können.

Für das Gelingen eines Innovationsprozesses sind aber noch andere Kriterien wichtig:

  • Netzwerken – Juliane Wagner nannte als Beispiel die Teilnahme an einem Personaler-Barcamp;
  • Haltung – es sei nicht eine Frage der Größe eines Verlags, so Franziska Schiebe, sondern der Einstellung. Und es ginge nicht primär um die Entwicklung digitaler Großlösungen: Innovation spiele sich auch im Kleinen ab.
  • Freiraum – man müsse sich auch mal kreativ austoben können, so Pieper.
  • Fehlerkultur – „Mut zum Imperfekten“ nannte dies Stefanie Quade.
  • Führung – das meint vor allem Kommunikation mit den Mitarbeitern, auch mit denen, die sich mit Innovationsprozessen schwertun. Das ginge auch „nicht immer im Wohlfühl-Modus“, wie ZAP-Verleger Uwe Hagemann aus dem Kreis der Tagungsteilnehmer ergänzte.

Die AWS – Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Sortiments- und Fachbuchhandlungen ist die Interessenvertretung der Fachmedienhändler in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Vorstand des Vereins sind Bianca Kölbl (Buchhandlung Biazza) und Volker Stuhldreher (Buchhandlung Kamloth + Schweitzer oHG)