Martina Bergmann über Heimat

Weite Herzen

28. Mai 2018
von Börsenblatt
Martina Bergmann hat in ihrem Regionalverlag viel mit Heimatforschern und Lokalpatrioten zu tun. Alles sehr nette Leute, wie sie findet, mit denen sie schöne Bücher veranstaltet. Über ein ungewöhnliches und gar nicht mal unpolitisches Geschäftsmodell.

Wir haben ein paar Jahre gemeint, wir müssten das kleine Borgholzhausen eines Tages verlassen. 8.000 Einwohner sind zu wenig, um von ihrem Buchkonsum allein zu leben. Wir dachten, nun gut. Wir warten mal ab, was in der Umgebung passiert, und in der Zwischenzeit verlegen wir Bücher. Ich habe immer gern geschrieben, aber ich war nie eitel genug, um zu meinen, die Welt wartet auf Literatur von mir. Gebrauchsartikel, die oft verlangten, hyperlokalen Titel, traute ich mir jedenfalls zu. Wir würden diese Bücher in kleiner Auflage drucken, hier in der Buchhandlung verkaufen, vielleicht an einige Kollegen ausliefern. Geplante Inhalte: Kochen, Wandern, Brauchtum. Außerdem ist Verlegerin ein nettes Etikett. Es gibt in Ostwestfalen eine ganze Menge Buchhändlerinnen, aber nicht so viele Verlegerinnen. Das spricht sich herum, und Kommunikation nutzt der Marke.

Es kamen aber nicht nur die, die ich eingeladen hatte, die Buchkäufer und Heimatforscher. Kaum war ich Regionalverlegerin, traf ich auch wieder all die anderen: Lyrisch Veranlagte, romantische Vielschreiber, selbsternannte Humoristen und natürlich die Bescheidwisser. Als ich zuletzt in einem Publikumsverlag unverlangt eingesandte Manuskripte lesen musste, gab es noch keine sozialen Netzwerke. Heute kann man die Textverfertigung in Dachgauben und Hobbykellern in Echtzeit begleiten; Amazon und andere machen das möglich. Ich habe zu diesen Werken wenig Meinung. Wenn sie wichtig sind, wird sie wohl einer kaufen.

"Menschen, die sich mit Heimat beschäftigen, haben mit der neuen Rechten nichts gemein"

Allerdings war ich als Unternehmerin nie unpolitisch. Vampirromane sind mir egal, aber rechter Hetze trete ich entgegen. Die AfD und ihre Anhänger haben sich ausgiebig über meinen Aushang nach der Bundestagswahl geärgert, es gab Anrufe, Briefe und sehr viel Schmutz. Ich merkte, ich habe Öffentlichkeit für meine Anliegen. Und ja, ein Anliegen ist es, möglichst viele Bücher zu verkaufen. Aber nicht an jeden, um jeden Preis. Wir mögen alle unsere Kunden, egal, ob sie es mit Highlandern, Einhörnern oder Rudolf Steiner halten. Wir tolerieren aber keine Personen, die mit Vorurteilen und primitivem Schablonendenken die schöne Vielfalt der Gesellschaft unterlaufen möchten. Besonders gefährlich finde ich, dass sie dabei so oft das Wort "Heimat" im Munde führen. Die neue Rechte reklamiert eine Idee für sich, die ihr nicht zusteht. Ich bin fast zehn Jahre wieder auf dem Land, und wenn ich eine Gewissheit gewonnen habe, dann diese: Menschen, die sich mit Heimat beschäftigen, haben mit der neuen Rechten nichts gemein. Null Überschneidung.

"Wir bleiben in Borgholzhausen"

Ich habe gerade als Auftragsarbeit ein Geschichtsbuch über meinen Landkreis verfasst; eine Heimatkunde. Für den Text habe ich mit vielen ländlichen Leuten gesprochen, mit Konservativen und Romantikern. Nicht einer führte hässliche Worte im Mund, keiner wollte Menschen ausgrenzen, weil sie anders aussehen, anders glauben oder anders lieben. Heimatfreunde haben weite Herzen. Anfang Juni erscheint nun "Vom Bauernhaus in die Moderne. Der Kreis Gütersloh in Geschichte und Gegenwart". Es ist ein farbiges, inhaltsreiches Buch über unsere Landschaft geworden.

Der Band soll Gegenbilder zu dem peinlich beschränkten Patriotismus der Facebook-Autoren und manch eines Landespolitikers schaffen. Und als Unternehmen bekennen wir uns räumlich. Wir bleiben in Borgholzhausen, weil ich inzwischen so viel schreiben muss, dass ein größerer Buchladen dabei stören würde.