Jahreshauptversammlung des LV SaSaThü

Einer für alle

30. Mai 2018
von Nils Kahlefendt
In Zeiten der Unsicherheit kann ein starker Branchenverband Fels in der Brandung sein. Die diesjährige Hauptversammlung des Landesverbands Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zeigte aber auch: Ohne eigenes Engagement läuft nix. 

"Die Lage in der Buchbranche ist ernst, aber nicht hoffnungslos", sagte Helmut Stadeler, Vorsitzender des Landesverbands Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, zur Begrüßung der 28. Hauptversammlung im Leipziger Haus des Buches. Und: "Wir müssen etwas dafür tun, dass auch die Welt von Morgen eine der Bücher ist." Die Beschreibung einer nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtigen Situation und die Formulierung von Lösungsansätzen – das waren in etwa auch die Pole, zwischen denen sich die Jahresversammlung der mitteldeutschen Buchhändler und Verleger entfaltete.

Schwierige Suche nach Nachfolgern

In der gemeinsamen Fachgruppenversammlung am Vormittag berichteten zunächst Susann Krahl (Buchhandlung Molsberger, Halle/Saale) und Mark Lehmstedt (Lehmstedt Verlag, Leipzig) über die Lage in herstellendem und verbreitendem Buchhandel. Die Zahlen, mit denen Krahl aufwartete, sind besorgniserregend: Von den 325 Mitglieds-Buchhandlungen (darunter 123 assoziierte Mitglieder) rangieren fast 70 Prozent in den niedrigen Beitragsgruppen 1 bis 5, im Schnitt verliert der Verband pro Jahr rund 13 Mitglieder. Oftmals fehlt es an Nachfolgern – was beileibe kein exklusiv ostdeutsches Phänomen ist. Die fünf Neugründungen und zwei Übernahmen des Jahres 2017 machen Hoffnung, doch in der Breite fehlt der Nachwuchs. Einst gab es an der Leipziger Buchhändler-Lehranstalt drei Buchhandels-Klassen. Derzeit ist es eine; im ersten Lehrjahr gibt es gerade mal acht (!) Azubis. "In unseren drei Ländern fehlen Ausbildungsbetriebe", konstatierte Stadeler. "Bilden Sie aus!", appellierte Krahl ans Auditorium.

Vernetzen - gerade angesichts der vielen Aufgaben

Wenn die Bahn nach drei Schneeflocken im März den Leipziger Hauptbahnhof komplett stilllegt, die Buch-Aficionados dennoch sonder Zahl aufs Messegelände stürmen, dann, so Mark Lehmstedt, gelte ganz offensichtlich: "Das Buch lebt." Dennoch gerieten auch Verlage zunehmend in schwieriges Fahrwasser: "Die Grundlagen unseres Geschäfts brechen weg." Lehmstedt nannte das VG Wort-Urteil, das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG) und, ebenso verheerend, die eben in Kraft getretene europäische Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO), angesichts derer der Präsident der IHK Leipzig jüngst per Zeitungsinterview riet, man solle seinen Online-Shop doch lieber vom Netz nehmen, wenn der nicht DSGVO-wasserdicht sei. Nur wären das wieder ein paar Prozentpunkte mehr für Amazon & Co. "Wir stehen vor einer Zeit allergrößter Unsicherheit", so Lehmstedt. "Und wir sind gut beraten, wenn wir uns vernetzen."

Eine Steilvorlage für Petra Fust, Susanne Krittian-Danzer und Helen Emig vom Bundesverband aus der Frankfurter Braubachstraße, die über die Leistungen des Börsenvereins für seine Mitglieder und das Vorteilsprogramm Seitenreich informierten, dazu auch die Möglichkeiten vorstellten, sich in den IG’s auf Bundesebene zu engagieren. Es ist ein Verband für alle. Aber: "Der Börsenverein kann nur arbeiten, wenn sich seine Mitglieder einbringen", so Petra Fust, Leiterin des Ressorts Verlage in der Geschäftsstelle der Fachausschüsse. "Es ist unser Verband – nutzen wir ihn!"

 Ein entschiedenes "Weitermachen!"

Auf zwei wichtige Themen machte Mark Lehmstedt in der nachmittäglichen Hauptversammlungs-Diskussion aufmerksam: Angesichts der Steilvorlage der Politik sollten auch die Kollegen im Buchhandel "aktiver" mit dem neu geschaffenen Sächsischen Verlagspreis umgehen – sei es mit Büchertischen, Präsentationen oder anderen Veranstaltungsformaten. Und angesichts des Verlusts der langjährigen SaSaThü-Geschäftsführerin Regine Lemke, die immer auch das "Gedächtnis" des Verbands war, appellierte der Verleger, der auch in der Historischen Kommission des Börsenvereins mitarbeitet, an das Geschichts-Bewusstsein der Branche im Kleinen, Alltäglichen. "In den vergangenen fast 30 Jahren hat es große Hoffnungen, schlimmes Scheitern und dennoch immer wieder ein 'Weitermachen!' gegeben. Sorgen Sie dafür, dass Ihr eigenes 'Gedächtnis' erhalten bleibt. Heben Sie wichtige Unterlagen auf, schreiben Sie ihre Erinnerungen nieder. Behalten Sie das als Daueraufgabe im Hinterkopf.“

Angesichts der multiperspektiv beschriebenen Lage – wir erinnern uns: ernst aber nicht hoffnungslos! – ist eine Frau wie die Autorin und Journalistin Nina George derzeit vermutlich hoffnungslos überbucht: Heute eine authentische Durchhalte-Rede in Wilsdruff, morgen ein Power-Seminar in Görlitz. Oder doch noch das Motivations-Coaching in Erfurt? "Mal eben die Welt retten. Von der Notwendigkeit mutiger Autorinnen, Verlage und Buchhändlerinnen" war ihre Keynote überschrieben, die George den SaSaThü-Branchen-Kämpfern mitgebracht hatte. Da man die Welt allerdings nicht mit leerem Magen retten kann, gab es nach der Lesung aus Georges aktuellem Buch "Die Schönheit der Nacht" Gegrilltes und coole Drinks im Literaturhausgarten. Einer für alle – alle für einen.