Alexander Skipis über das Preisbindungsgutachten der Monopolkommission

"Wir brauchen die ganze Kraft der Branche"

6. Juni 2018
von Börsenblatt
Die Monopolkommission empfiehlt, die Buchpreisbindung in Deutschland abzuschaffen. Wie gehaltvoll sind die Argumente? Und was kann die Buchbranche jetzt tun? Antworten von Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins.

Kurz vor der Jahrtausendwende geriet die Preisbindung schon einmal unter Druck - durch deutsche und europäische Wettbewerbshüter. Hätten Sie gedacht, dass Sie diese Debatte knapp 20 Jahre später erneut führen müssen?

Ja, auf jeden Fall. Eine so essentielle Rahmenbedingung für unsere Branche wie die Preisbindung ist nichts, das man per se hat. Es wird immer daran Kritik geben und wir sind tagtäglich gefordert, für die Preisbindung einzutreten - aber auch, uns innerhalb der Branche vorbildlich danach zu verhalten.

Die kritische Haltung der Monopolkommission ist keine Überraschung. Enthält das Gutachten, das die fünf Kommissionsmitglieder in der vergangenen Woche vorgelegt haben (mehr dazu hier) trotzdem Aspekte, die Sie so nicht erwartet haben?

Nach dem Verlauf der Anhörung bei der Monopolkommission, an der der Börsenverein ja teilgenommen hat, und nach den Veröffentlichungen, die es schon im Vorfeld aus der Kommission gab, bringt das Sondergutachten sicherlich keine wesentlichen neuen Aspekte. Die Argumentationshaltung der Monopolkommission scheint im Verlauf des Verfahrens eher abwägender geworden zu sein. An vielen Stellen wird jetzt immerhin in Betracht gezogen, dass für die Buchpreisbindung doch die stärkeren Argumente streiten könnten.

Unklar und ambivalent – so beschreibt die Monopolkommission die Wirkung der Preisbindung. Auf welcher Basis kommt die Kommission überhaupt zu ihrem Urteil?

Das ist in zweierlei Hinsicht genau das Problem. Erstens sagt die Kommission im Grunde genommen, sie wisse nicht so genau, ob und welche Kausalitäten zwischen der Preisbindung und dem Schutz des Kulturgutes bestehen. Dann aber die Abschaffung zu fordern, ist bei Unwissen bemerkenswert, denn man riskiert damit, das Kulturgut Buch, das einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen einer freien, demokratischen Gesellschaft leistet, irreversibel zu schädigen. Und zweitens hat die Kommission letztlich nichts anderes getan, als vorhandene – und in vielen Fällen sogar lange vorhandene – Daten im Lichte der eigenen Wertungen zu interpretieren.

Teilweise liest sich das Ergebnis wie ein Remake des Sondergutachtens der Monopolkommission aus dem Jahr 2000, in dem ja auch schon die Abschaffung der Buchpreisbindung empfohlen wurde. Dass das so ist, scheint mir einen ganz zentralen Schwachpunkt der Veröffentlichung auszumachen. Denn eigene Forschungsdaten, anhand derer die Beurteilungen glaubhaft gemacht werden, hat die Kommission im Buchmarkt nicht erhoben.

Dass Bücher ein schützenswertes Kulturgut sind, stellt das Gutachten nicht in Frage – nur, dass die Preisbindung ein adäquates Mittel dafür ist. Beschäftigt sich der Börsenverein mit möglichen Alternativen? Oder gibt es aus Ihrer Sicht keine?

Der Buchmarkt in Deutschland ist ja nicht der einzige auf der Welt, und natürlich befindet sich der Börsenverein in ständigem Erfahrungsaustausch mit Kollegenverbänden auch in Ländern ohne Buchpreisbindung, wie etwa in der Schweiz oder in Großbritannien. Wir sind aber auch mit anderen Medienbranchen eng vernetzt und schauen uns deshalb an, wie sich die Märkte für Tonträger oder Filme entwickeln.

Es ist deshalb gewiss nicht mangelndes Interesse an alternativen Marktmechanismen, das uns der Politik raten lässt, unbedingt an der Buchpreisbindung festzuhalten. Vielmehr sind wir der Überzeugung, dass sich ein für den Konsumenten und damit für die Gesellschaft attraktiver, qualitätsvoller und vielfältiger Markt mit fairen Bedingungen beim Kulturgut Buch am besten mithilfe der Buchpreisbindung schaffen und aufrechterhalten lässt. So haben wir es bisher auch erreicht, als zweitgrößter Buchmarkt der Welt ein Vorbild für Qualität und Vielfalt zu sein.

Das "Kulturgut Buch" zu schützen, sei ein zu allgemein formuliertes Ziel der Preisbindung – und werde im Gesetz zudem auch noch mit der Funktion der einzelnen Marktakteure vermischt, moniert die Kommission. Teilen Sie vielleicht sogar die Einschätzung, dass der Gesetzgeber das Schutzziel der Preisbindung noch klarer definieren könnte – und auch die damit verbundenen Pflichten der Marktteilnehmer?

Mit der Frage, was der Gesetzgeber gegebenenfalls besser machen und auf welche Weise er die Buchpreisbindung aufrechterhalten sollte, hat sich die Monopolkommission ja leider gar nicht beschäftigt. Insofern enthält das Gutachten dazu auch keine Vorschläge, mit denen man sich konstruktiv auseinandersetzen könnte. Aus unserer Sicht sind die dem Buchpreisbindungsgesetz programmatisch unterlegten Schutzziele aktueller denn je, auch wenn sie natürlich in sich verändernden Märkten immer wieder, sei es durch Auslegung oder Änderungen des Gesetzestextes, angepasst werden müssen.

Die Kommission argumentiert, dass die Preisbindung den Strukturwandel nicht aufhält, sondern nur verlangsamt. Und große Anbieter, die kostengünstig arbeiten können, durch hohe Margen begünstigt. Ist das so ganz von der Hand zu weisen?

Aus meiner Sicht besteht der Sinn der Buchpreisbindung nicht darin, den Wandel von Strukturen zu vereiteln. Natürlich wirken sich auch auf den Buchmarkt Entwicklungen wie die Digitalisierung, die Veränderungen der Innenstädte oder der Arbeits- und Freizeitwelt aus - und führen zu einem teilweise massiven Wandel, der jeden von uns betrifft. Solange die Preisbindung aber den bestmöglichen Rahmen bietet, in dem sich das Buch als Wirtschafts- wie als Kulturgut entwickeln kann, solange sollten wir auch an ihr festhalten.

Anlass für das Gutachten ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, in der die Unvereinbarkeit der deutschen Arzneimittelpreisbindung mit der europäischen Warenverkehrsfreiheit festgestellt wird. Droht beim EuGH auch ein Verfahren zur Buchpreisbindung?

Konkrete Anhaltspunkte, dass es in absehbarer Zeit ein solches Verfahren geben könnte, sind uns nicht bekannt. Aber natürlich ist das europäische Recht darauf angelegt, dass ein solcher Gerichtsprozess jederzeit eine Möglichkeit ist, scheint sie auch momentan eher fernliegend zu sein.

Das war der wesentliche Grund dafür, dass der Vorstand des Börsenvereins entschieden hat, zwei grundlegende wissenschaftliche Studien in Auftrag zu geben, mit denen die Auswirkungen der Buchpreisbindung auf der Basis aktuellster Marktdaten untersucht werden. Wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten auch den EuGH interessieren würden, falls es tatsächlich eines Tages zu einem Verfahren um die Buchpreisbindung kommen sollte.

Die Studien zur Preisbindung, die der Börsenverein beauftragt hat, sollen 2019 vorliegen. Ist das nicht zu spät, um auf das Gutachten zu antworten?

Wenn es nur darum ginge, vorhandene Daten zu interpretieren, wie es die Monopolkommission jetzt getan hat, dann hätten wir die Ergebnisse vermutlich längst. Die Wissenschaftler in Gießen und Osnabrück wollen und sollen aber gewissermaßen Grundlagenforschung leisten, indem sie anhand von aktuellen Daten auch aus vielen ausländischen Buchmärkten analysieren, wie sich die Buchpreisbindung bzw. das Fehlen einer solchen in den momentanen Marktstrukturen auswirkt.

Das bedingt, dass zunächst Millionen von Daten aus allen möglichen Ländern und Bereichen beschafft und ausgewertet werden müssen, bevor Ergebnisse feststehen. Deswegen gilt die alte Wahrheit "Gut Ding will Weile haben" auch hier. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass die Ergebnisse keinesfalls zu spät kommen werden und ihre Substanz die Wartezeit wettmacht.

Wie geht es jetzt weiter mit dem Gutachten der Monopolkommission? Wird es Thema parlamentarischer Beratungen sein – oder als Empfehlung einfach zur Kenntnis genommen?

Wir müssen schon davon ausgehen, dass über dieses Gutachten in Berlin gesprochen wird, sei es in den verantwortlichen Ministerien, unter Kultur- oder Wirtschaftspolitikern oder sogar am Kabinettstisch.

Haben Sie schon Gespräche in Berlin geführt? Wie fest steht die Regierungskoalition hinter der Preisbindung – abgesehen von der Kulturstaatsministerin, die sich ja schon klar positioniert hat (mehr dazu hier)…

Selbstverständlich führen wir zu der Thematik in Berlin viele Gespräche, zum Beispiel gerade erst Anfang der Woche mit einem Spitzenpolitiker, denn für uns geht es ja hierbei an die Substanz. Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, die wir unmittelbar nach Veröffentlichung des Gutachtens der Monopolkommission durch die Äußerungen von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, aber auch der Kultur- und Wirtschaftspolitiker von SPD und CDU/CSU erfahren haben.

Trotz dieser positiven Signale weise ich nochmals darauf hin, dass man gerade Rahmenbedingungen nicht per se hat, sondern sie eine nachvollziehbare Funktion zum Erreichen eines politisch gewünschten Zieles haben müssen. Deshalb sind wir kontinuierlich für die für unsere Branche so wichtigen Rahmenbedingungen im Gespräch mit der Politik.

Was können Verleger und Buchhändler tun, um den Börsenverein bei seiner politischen Überzeugungsarbeit zu unterstützen?

Wir brauchen die ganze Kraft der Branche, um bei der Politik und in der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, welchen wertvollen Beitrag wir mit dem Kulturgut Buch für die Gesellschaft leisten. Gleichzeitig müssen wir auch zeigen, welche Rahmenbedingungen wir dafür brauchen. Insofern ist jeder Marktteilnehmer gefordert, gerade in der jetzigen Zeit. Das heißt auch: Wir brauchen einen starken Verband, der wirkungsvoll für die gesamte Branche eintritt und auch die finanziellen Mittel dazu hat, etwa um teure Gutachten in Auftrag zu geben oder Musterprozesse mitzufinanzieren, um nur einige Beispiele zu nennen.

Das Gutachten der Monopolkommission ist hier als PDF abrufbar.