Patrick Hutsch zu falschen Vorstellungen über die Buchpreisbindung

Wir müssen aufklären!

5. Juni 2018
von Börsenblatt
Die Gutachter der Monopolkommission sollten ihre Hausaufgaben wirklich besser machen, findet Schöffling-Verlagsleiter Patrick Hutsch. Hier bietet er Nachhilfe in Sachen Buchpreisbindung an.

Das Deutsche kennt viele schöne Wörter. Als letzte Woche die Monopolkommission ihren Auftritt hatte und der Bundesregierung mitteilte, sie solle doch bitte die Buchpreisbindung abschaffen, war der richtige Moment für eines dieser schönen Wörter: Banausen!

Dieser neoliberale Traum auf 100 Seiten lässt einen fassungslos zurück. Doch vollends absurd wird es, wenn man dem Vorsitzenden der Kommission, Achim Wambach, am ­Wochenende im Radio zuhört. "Der Markt ist einem Strukturwandel unterworfen. Amazon wird immer stärker, die Buch­läden weniger, diese Buchpreisbindung verlangsamt diesen Prozess, aber er findet statt!" Weil es der Branche nicht gut geht – und die Gründe sind vielfältiger, als der Herr Professor es glauben mag –, wird empfohlen, dass man "diese Buchpreisbindung" abschafft. Aus kulturpolitischer und betriebswirtschaftlicher Sicht ist es unverantwortlich, ein Mittel abzuschaffen, das das Buchhandelssterben verlangsamt.

Wambach glaubt, dass die Buchpreisbindung "andere Möglichkeiten verhindert, also zum Beispiel Flatrate-Konditionen bei E-Books. […] Man könnte sich auch vorstellen, ich les’ die umsonst und es kommt Werbung." Herr Professor, wenn Ihnen die vielen wundervollen Buchhandlungen überall in Deutschland nicht reichen: Es gibt Bibliotheken. Das ist fast wie Buchhandlung mit Flatrate, nur krasser!

Das gelobte Land der Kommission ist England, denn dort "wird sehr viel in Supermärkten verkauft". Außerdem gingen junge Leser nicht in Buchläden, "meine Kinder lesen E-Books, die lesen keine Hardbooks mehr". England also, ausgerechnet, als feuchter E-Book-Traum. Supermärkte voller billiger Bestseller und endlich, endlich eine Rendite von zehn Prozent und mehr? Zwei Lektüreempfehlungen für die Kommission: ein Artikel im "The Bookseller", er heißt "What might get lost". Und Nielsen Book Research: 2016 sind die E-Book-Verkäufe in England deutlich gesunken – auch weil immer mehr Kinder und Jugendliche wieder "Hardbooks" lesen.

Unterstützung findet die Kommission im Wirtschaftsteil der Zeitungen – wo auch sonst. Für Deregulierung lässt sich prima kämpfen, solange der feste Ladenpreis für Zeitungen einem das Auskommen sichert. Klaus Wagenbach hat es im Nachwort zu André Schiffrins "Verlage ohne Verleger" auf den Punkt gebracht: "In den guten alten Zeiten nannte man so ­etwas gequirlte Scheiße."

Gegen diese gequirlte Scheiße müssen wir uns zur Wehr setzen, ehe es zu spät ist. Und bitte, ersparen wir uns das Gerede davon, die Buchpreisbindung fülle allein den Verlegern die Taschen, dass sich gute Bücher immer durchsetzen werden oder dass unsere Bücher zu teuer seien. Es geht um die Buchpreisbindung für günstige Nackenbeißer und bibliophile Lyrikbände, für Hardbooks und E-Books. Was verloren ginge, das würden alle verlieren: die vermeintlich Altmodischen, die das Papier lieben; die vermeintlich Innovativen, die allein das E-Book lieben; die Buchhändler, on- und offline; die Autoren, die ihre Bücher Verlagen anvertrauen; und die Selfpublisher, die einen eigenen Weg gehen.

Auch dank der Buchpreisbindung haben wir den vielfältigsten, wundervollsten Buchmarkt der Welt. Auch deshalb können wir immer wieder das Unerhörte und Neue verlegen und lesen. Wer das nicht weiß, den müssen wir aufklären! Wer das nicht glaubt, den müssen wir überzeugen! Und gegen die Träume der neoliberalen Marktfetischisten müssen wir uns empören!