Reaktionen auf den Käuferschwund

Agieren statt Abwarten (1)

4. Juni 2018
von Börsenblatt
Dass Käuferzahlen und Kundenfrequenz sinken, lässt sich wieder ändern, denken Unternehmen aus der Branche – hier begründen sie ihren Optimismus, berichten von Erfahrungen und verraten, was sie strategisch vorhaben. Teil 1: Beispiele aus dem Buchhandel. 
Moderne Buchhandlung, crossmedialer Service: Heymanns in Hamburg

"Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen" – der Satz könne allen nutzen, finden Heike Heymann-Rienau und Christian Heymann (Foto), Inhaber des Hamburger Regionalfilialisten Heymann. Für sie selbst sei er in den vergangenen Jahren zu einer Art Wegzeichen geworden.

Ihre 14 Läden betrachten die beiden Buchhändler als Treffpunkte, als Orte für Entdeckungen – hier wollen sie ihren Kunden ein zweites Zuhause bieten. Und investieren. Beispiele: 

  • Ladendesign: Um die Aufenthaltsqualität hoch zu halten, modernisiert Heymann seine Buchhandlungen, zuletzt das Stammhaus in Eppendorf. Damit die Läden als besondere Erlebnisorte angenommen werden, organisiert der Regionalfilialist übers Jahr zahlreiche Veranstaltungen. 
  • Beratung: Es entstehen neue, crossmediale Services, etwa der »Buchfinder«. Kunden, die es nicht in die Buchhandlung schaffen, beantworten online ein paar Fragen und erhalten von den Heymanns dann unverbindlich und kostenlos Lesevorschläge.
  • Lieferung: Heymann liefert bundesweit nicht nur portofrei, sondern auch innerhalb von 24 Stunden – in Kooperation mit DHL.

Appell in Richtung (Branchen-)Politik: Buchhandlung Gollenstein in Blieskastel

Kurgäste, Touristen, eine barocke Altstadt: Blieskastel, wo Brigitte Gode zusammen mit ihrer Tochter Annabelle eine 70 Quadratmeter große Buchhandlung betreibt, ist ein ruhiges, intaktes Städtchen. Einen generellen Frequenzrückgang jedenfalls spüren die zwei Buchhändlerinnen derzeit nicht – nur ihre Jugendbuchabteilung entwickle sich zunehmend zum Sorgenkind, sagt Brigitte Gode. "Als Ursache vermute ich, dass es bei der Generation Smartphone zum Automatismus geworden ist, online zu bestellen – und zwar nicht bei der Buchhandlung vor Ort, sondern bei Amazon." Sie sehe da insbesondere die Branchenpolitik in der Pflicht ("es ist nicht damit getan, das Buch mit netten Sprüchen anzupreisen"), aber auch Lehrer: "Mir kommt die Auswahl an Schullektüren oftmals vor wie ein Leseverhinderungs-Unterricht."

Kundenbindung auf allen Kanälen, Kritik an der Wirtschaftspolitik: Mayersche Buchhandlung

Der Frequenzrückgang ist für die Mayersche ein zentrales Thema – allerdings nicht überall. Hartmut Falter zufolge, geschäftsführender Gesellschafter der Buchhandelskette, ist die Frage des Käuferrückgangs immer vom Standort abhängig: "Wir verzeichnen Abnahmen, aber auch Zunahmen", erklärt er. Dabei sind es nicht unbedingt die großen Läden, die glänzen: "Besonders unsere kleineren Standorte, die Stadtteilbuchhandlungen, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit."

Falter hat aus all dem längst seine Konsequenzen gezogen, sowohl die Expansionsstrategie also auch die Ladengrößen der Entwicklung angepasst. Wichtig sei ihm dabei, betont er: "Wir betrachten uns als lernendes und damit auch flexibles System und blicken positiv in die Zukunft." Mit welchen Maßnahmen es das Unternehmen schaffen will, sich am Markt weiter durchzukämpfen, zum Beispiel: 

  • Das Kundenkartensystem, die Mayersche KultKarte, wird ausgebaut. 

  • Außerdem investiert die Mayersche ins Empfehlungsmarketing und hat vor, einzelne Zielgruppen genauer zu fokussieren. "Auch unsere beliebte Online-Community ‚Was liest Du?‘ soll größer und facettenreicher werden", so Falter – u.a. durch Offline-Veranstaltungen. 

Von Vorteil findet der Chef der Mayerschen, dass sich Konsumklima und Konjunktur im grünen Bereich bewegen. "Hinzu kommt, dass wir nach wie vor eine positive Branchenaufmerksamkeit erleben und durch gute Titel und Kompetenz in der Beratung überzeugen können", sagt er. "Der Kunde kommt zu uns, weil er sich bei uns wohlfühlt und Aufenthaltsqualität erfährt."  

Damit so bleibt, müsse künftig auch die Politik mithelfen und für Fairness sorgen, findet Falter – die Stärkung des stationären Handels sei von besonderer Bedeutung. Eine Maßnahme, die ihm dazu sofort einfällt: das Privileg des Onlinehandels, auch Wochenende liefern zu können, abzuschaffen oder wenigstens zu relativieren. "Die Steuern im Ausland zu entrichten und die Infrastruktur auf Kosten der Lebensqualität der Menschen in den Städten zu belasten, darf nicht länger toleriert werden."

Freundliches Team, Literaturmagnet: Peterknecht in Erfurt 

Dass weniger Kunden den Weg zu ihnen finden, war für das Team der Buchhandlung Peterknecht in Erfurt (750 Quadratmeter) vor sechs Jahren ein Problem – als die Fußgängerzone grundsaniert wurde. Doch das ist ausgestanden. "Heute kommen wieder genauso viele zu uns wie vorher", sagt Inhaber Peter Peterknecht, würde dennoch jedem widersprechen, der behauptet, alles sei wie früher. "Die Zahl der Menschen, die noch in der Innenstadt einkaufen, wird kleiner", betont er, und dass er sich darauf eingestellt habe: "Wir warten nicht auf Frequenz, wir entwickeln sie." 

Peterknecht gelingt das, indem er morgens eine Stunde vor allen anderen öffnet (9 Uhr), indem er seine Mitarbeiter regelmäßig mit Verkaufstrainings unterstützt und, das vor allem, Veranstaltungen organisiert. Veranstaltungen, findet der Buchhändler, müssen etwas Besonderes sein – so attraktiv, "dass die Erfurter einfach kommen müssen". 

Insgesamt stehen jedes Jahr etwa 70 Termine auf seinem Programm, darunter auch Kinderbuchtage, ein Krimifestival und vieles, für das er sich Partner in der Stadt gesucht hat. Mit Kindern ist Peterknecht schon mal bei der Polizei, für Erwachsene bringt er zusammen mit dem Kinoklub am Hirschlachufer an jedem ersten Sonntag im Monat Literaturverfilmungen auf die Leinwand. "Die Strategie, selbst für Frequenz zu sorgen, passt zu uns und ist definitiv für uns ein Gewinn. Daran halten wir fest." Der Claim, den sich die Buchhandlung zugelegt hat, passt da gut ins Bild: "Peterknecht ist Erfurt".