Jahresbericht des Börsenvereins: Alexander Skipis über zentrale Verbandsthemen

"Der Koalitionsvertrag ist für die Branche einer der besten"

13. Juni 2018
von Börsenblatt
Vom Urheberrecht bis zur Messedebatte über Meinungsfreiheit: Viele Themen haben den Börsenverein in den vergangenen Monaten beschäftigt. Im schriftlichen Jahresbericht des Verbands zieht Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis in Interviewform Bilanz – Auszüge daraus lesen Sie hier.

Am 1. März ist das Urheberrechts-Wissensgesellschaftsgesetz in Kraft getreten. Der Verband hatte bis zuletzt dagegen gekämpft. Ein Verlust auf ganzer Linie?

Die Verabschiedung des Gesetzes war für uns alle eine große Enttäuschung und ist ein weiterer massiver Einschnitt in das Urheberrecht zu Ungunsten von Verlegern und wissenschaft­lichen Autoren. Hinzu kommt, dass es für die – völlig unzureichende – vorgesehene pauschale Entschädigung über die VG Wort derzeit gar keine Rechtsgrundlage gibt. Verlage erhalten also für diesen Eingriff in ihr Eigentum gar nichts.

Zum Glück wurde vom Bundestag in letzter Minute unser Vorschlag aufgegriffen, eine Evaluation und einen Stakeholder-Dialog zum Aufbau einer übergreifenden Lizenzierungsplattform vorzusehen. Wir haben dafür gerade ein Lehrbuch-Monitoring gestartet, um die Entwicklung der Verkaufszahlen und mögliche Rückgänge belegen zu können. Und natürlich werden wir die Bundesregierung in die Pflicht nehmen und den versprochenen Dialog zur Schaffung einer Lizenzierungsplattform einfordern.

Gab es auch Erfolge?

Nach dem verheerenden VG-Wort-Urteil des Bundesgerichtshofs haben wir sehr schnell sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene einen Konsens erreicht, dass die Verlegerbeteiligung an Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften wieder hergestellt werden soll – leider haben wir sie noch nicht, weil dafür zunächst auf europäischer Ebene eine Regelung erforderlich ist und die ­politischen Prozesse hier sehr schleppend sind.

Zudem konnten wir auf europäischer Ebene erreichen, dass E-Books für die kommenden zwei Jahre von der neuen Regelung für den grenzüberschreitenden Vertrieb digitaler Medien ausgenommen sind – Stichwort Geo­blocking. Nun soll es eine Folgenabschätzung geben, in die auch der Buchhandel seine Anforderungen einbringen kann.

Es hat etwas gedauert, bis der neue Koalitionsvertrag stand. Was ­bedeutet er für die Branche?

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU /CSU und SPD ist mit Sicherheit für unsere Branche einer der besten. Bei unseren Kernthemen Buchpreisbindung und Mehrwertsteuer erfahren wir uneingeschränkt politische Unterstützung – etwa bei der geplanten Anpassung des Buchpreisbindungsgesetzes im Hinblick auf internetgestützte Vertriebsarten wie Affiliate-Programme.

Natürlich ist immer auch interessant, was nicht in einem Koalitionsvertrag steht. Anders als zu befürchten war, wurde das Thema E-Lending beispielsweise nicht explizit aufgenommen. Stattdessen findet sich die Vorgabe, dass Bibliotheken auch im Zeitalter der Digitalisierung ihre Aufgaben erfüllen können müssen.

Auch im vergangenen Jahr hat sich der Börsenverein auf vielen Ebenen für Meinungsfreiheit eingesetzt. Was hat Sie dabei persönlich bewegt?

Extrem bewegt hat mich, dass die türkische Autorin und Journalistin Aslı Erdoğan zur Verleihung des Erich-­Maria-Remarque-Friedenspreises im September 2017 unerwartet aus der Türkei ausreisen konnte. Bei der Preisverleihung in Osnabrück durfte ich die Laudatio auf diese bemerkenswerte Frau halten. Ich habe gesehen, was in einem Menschen vorgeht, der überlegt, seine Heimat zu verlassen und sich für eine ungewisse Zukunft in einem fremden Land entscheidet.

Ich freue mich, dass Aslı Erdoğan in Frankfurt einen Ort gefunden hat, an dem sie vorerst arbeiten kann und keiner unmittelbaren Bedrohung mehr ausgesetzt ist. Sehr gefreut hat mich auch, dass der Journalist Deniz Yücel freigelassen wurde. Gleichzeitig entsetzt hat mich aber, dass am Tag seiner Entlassung sechs Verleger und Autoren in der Türkei zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden sind. Despoten fürchten nichts mehr als die Meinungsfreiheit.

Die Position des Börsenvereins, rechte Verlage auf der Frankfurter Buch­messe zuzulassen, hat im vergangenen Jahr viele Diskussionen ausgelöst. Wie bewerten Sie die Situation gut ein halbes Jahr später?

Mit unserer Entscheidung, diese Verlage zuzulassen, auch gegen den Druck von Medien und Politik, sind wir den richtigen Weg gegangen. Denn solange ein Verlag mit seinen Publikationen nicht gegen ein Gesetz verstößt, hat er seinen Platz auf der Buchmesse. Das gilt für Meinungen aus jedem Spektrum. Alles andere wäre mit der Meinungs- und Publikationsfreiheit unvereinbar. Durch die Situation auf der Frankfurter Buchmesse selbst haben wir viel gelernt. Es ist sehr deutlich geworden, dass wir viel stärker für freie und demokratische Werte eintreten und werben müssen.

Ist die Meinungsfreiheit bei uns in Gefahr?

Im Gegenteil. Das hat auch der Diskurs um die vergangene Buchmesse in Frankfurt gezeigt. Es war sehr positiv, dass die Diskussionen, die wir mit unserem Vorgehen angestoßen haben, medial aufgegriffen wurden – wenngleich zunächst sehr stark erörtert wurde, wer wann etwas falsch gemacht hat, und sich nur wenige mit dem Kern der Debatte beschäftigt haben. Einen lebendigen Meinungsbildungsprozess, der auch Kontroversen und Reibungen beinhaltet, das ist genau die Form der Debattenkultur, die wir jetzt brauchen.

Ein kleiner Ausblick: Wie geht es mit der Verbandsarbeit weiter?

Von der Diskussion ums Urheberrecht bis zum Frequenzrückgang in den ­Innenstädten: Überall müssen wir uns als Verband die Frage stellen, ob wir eigentlich noch auf der Höhe der Zeit sind. Erzählen wir noch die richtigen Geschichten, setzen wir auf die richtigen Mittel und Maßnahmen, haben wir das richtige Auftreten?

Die Veränderung der Gesellschaft, die Veränderung der Menschen mit ihren gestiegenen Wünschen an Transparenz und Partizipation durch die Digitalisierung führen zwangsläufig dazu, dass sich auch der Verband verändern muss. Unter dem Stichwort "Börsenverein 2025" haben wir intern damit begonnen, diesen Fragen nachzu­gehen. Das Projekt soll entscheidende Weichen für eine erfolgreiche Zukunft unserer Arbeit stellen.

Was macht der Börsenverein eigentlich alles?

Antworten liefert der schriftliche Jahresbericht für das Verbandsjahr 2017 / 2018 (online hier abrufbar). Neben einem ausführlichen Rück- und Ausblick von Alexander Skipis enthält er:

  • die wichtigsten Projekte,
  • alle Interessengruppen im Überblick,
  • Auszüge aus dem Finanzbericht,
  • die Ansprechpartner in der Geschäftsstelle