Interview mit Christian Riethmüller zur Wittwer-Übernahme durch Thalia

"Ich freue mich auf den Wettbewerb"

11. Juli 2018
von Börsenblatt
Gestern kam die Meldung, dass Thalia die traditionsreiche Buchhandlung Wittwer mit Stammsitz in Stuttgart fortführt. Osiander-Geschäftsführer Christian Riethmüller erklärt, warum eine Übernahme für Osiander nicht in Frage gekommen wäre − und freut sich auf den Wettbwerb.

Im Übernahmewettkampf Osiander gegen Thalia hat Thalia einen großen Coup gelandet. Überrascht Sie die Übernahme von Wittwer durch die Hagener?
Nein, ich bin nicht überrascht – diese Entwicklung hat sich in den letzten beiden Jahren abgezeichnet. Wer genau hingeschaut hat, hat Anzeichen erkennen können wie die Schließung der beiden Wittwer-Universitätsbuchhandlungen und die Verkleinerungen der Fläche in den Breuningerland-Standorten Ludwigsburg und Sindelfingen.

Sie haben drei Filialen in Stuttgart, direkt am Marktplatz und in den Einkaufszentren Gerber und Milaneo: Wird es jetzt eng für Osiander?
Ganz nüchtern betrachtet, verändert sich wenig. Aus Sicht von Wittwer ohne Nachfolgeregelung ist der Verkauf eine logische Konsequenz. Nun werden aus einem traditionsreichen familiengeführten Unternehmen mit hervorragendem Ruf in Stuttgart drei Filialen einer deutschlandweit agierenden Buchkette ohne diese Tradition und ohne diesen Ruf und ohne diesen Bekanntheitsgrad in Stuttgart. Das birgt auch Chancen für uns. Eng wird es deshalb nicht, weil Thalia nicht zusätzlich kommt, sondern den Platzhirsch übernimmt. Ich gratuliere Thalia dazu und freue mich auf den Wettbewerb.

… und wird dieser Osiander das Leben in Stuttgart schwerer machen?
Abwarten. Wittwer ist für Stuttgart eine tolle Marke – Thalia nicht. Und Osiander ist in Stuttgart eine eingeführte Marke. Da muss man sehen, wer wie profitiert. Fußballerisch betrachtet, kommt jetzt Red Bull Leipzig nach Stuttgart, und wir sind der traditionsreiche Heimatverein VFB Stuttgart, der in der Stadt wesentlich beliebter ist….. Dadurch dass ein Mitbewerber fehlt, wächst  in der Branche die Konzentration, und damit in der Branche auch die Bedeutung von Osiander.

Hätten Sie Wittwer gern übernommen?
Diese Frage hat sich nicht gestellt, weil es diese Option nicht gab. Wir haben einen Zehnjahresvertrag für einen attraktiven Standort am Marktplatz rund 300 Meter entfernt von Wittwer, zwei Häuser in diesem Abstand hätten wenig Sinn gemacht. Wir hätten sicher in das verwinkelte Haus auf sieben Etagen in der Königstraße investieren müssen, insofern ist es gut, dass sich all diese Fragen für uns gar nicht gestellt haben.

Was bedeutet die Übernahme aus Ihrer Sicht für die Branche?
Erstens: Die Verlage müssen sehen, dass sie die Buchhandlungen jenseits Thalia, Hugendubel oder Amazon mit den gleichen Konditionen unterstützen, wie die Großen, sonst nimmt die Konzentration weiter zu. Zweitens: Das Beispiel zeigt, wie zahlkräftig und optimistisch die Großen sind. Sie übernehmen eigenständige Buchhandlungen, weil sie darin eine Zukunft sehen, und weil es der Branche wieder besser geht. Das ist von daher auch ein gutes, weil optimistisches Zeichen für die Branche.