Influencer-Marketing in der Buchbranche

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17. Juli 2018
von Isabella Caldart
Influencer-Marketing ist in der Buchbranche angekommen, als Königsklasse gilt YouTube. Doch wer mit Bloggern & Co. zusammenarbeiten will, braucht Fingerspitzengefühl.

Eigentlich, scherzt Roland Große Holtforth, war Sokrates der erste Influencer: "So gesehen betrieb er Networking auf dem Marktplatz!" Das immerhin ist eins der Hauptmerkmale eines Influencers: Sie treten als Person, nicht als Institution auf. Große Holtforth erkannte die Zeichen der Zeit früh und gründete gemeinsam mit Mathias Voigt bereits im Jahr 2000 seine auf Buchmarketing spezialisierte PR-Agentur Literaturtest.

Die Mainzer Agentur HitchOn für YouTube- und Influencer-Marketing arbeitet ebenfalls eng mit Verlagen zusammen. Vor allem im Jugendbuch ist diese Form des Marketings bereits seit Jahren etabliert. "Alle Kampagnen, die wir gemacht haben, waren in diesem Genre", verrät Geschäftsführerin Sarah Kübler.

Sachbuchthemen hat ihre Agentur hingegen noch nie bespielt. Dabei sieht Kübler genau hier große Chancen: "Es gibt sehr spezielle, spezialisierte Kanäle, etwa zur Astrophysik. Über solche Micro-Influencer kann man konkrete Zielgruppen ohne Streuverlust ansprechen." Gerade die Micro-Influencer sind für Verlage also spannend. "Über sie kann man schon mit niedrigem Budget viel erreichen", sagt beispielsweise auch Gabriele Schmidle von Literaturtest.

Für Influencer wie auch für ihre Follower ist wichtig, dass sie (auch bei Bezahlung) ihre Glaubwürdigkeit behalten. "Für die Zielgruppe ist oft nicht so relevant, ob es sich um Werbung handelt oder nicht", sagt Schmidle. "Influencer machen das zumeist nur dann, wenn ihnen ein Produkt auch gefällt, um authentisch zu bleiben." Man dürfe nur nicht den Fehler begehen, ihnen vorzuschreiben, wie der bezahlte Beitrag auszusehen habe. "Man bucht die Menschen in dem Sinne ja nicht, es gleicht eher einer Kooperation", so die Marketingexpertin. "Das geht zwar mit Kontrollverlust einher, aber dafür wissen die Influencer viel besser, wie sie ihr Ziel­publikum erreichen." Wichtig sei vor allem eine respektvolle Kommunikation auf Augenhöhe.

Inwiefern sich Influencer-Marketing lohnt, ist im digitalen Marketing dank der sogenannten Conversion, also dem Interesse, das ein Beitrag generiert, leichter nachzuvollziehen als in der klassischen Pressearbeit. "Wir platzieren unter den Videos beispielsweise Amazon-Links", so Sarah Kübler von HitchOn, "und können dadurch genau feststellen, wie oft der Link geklickt und das Buch im Endeffekt wirklich gekauft wird."

Das mag in der Branche nicht jedem gefallen, interessant sind die Erkenntnisse trotzdem: Denn Bücher finden viele Spontankäufer, wie Kübler feststellt. "20, 25 Euro investiert man auch mal nebenbei. Bei einem Neuwagen sähe das natürlich anders aus!"

Im In­fluencer-Marketing hat sich bis dato YouTube als Königsklasse herausgestellt. Relevant ist hier weniger, wie viele Abonnenten ein Kanal hat. "Die Abos sind nicht wichtig", befindet Große Holtforth von Literaturtest. Auch wenn Bots und gekaufte Likes bei Booktubern und Literaturblogs nicht weit verbreitet sind, zählen am Ende dennoch nur User, die aktiv Beiträge lesen oder Videos anschauen.

Hoch fallen die Kosten auch bei viel geklickten Videos – zumindest in der Buchbranche – nicht aus. "Wir messen nach TKP, Tausender-Kontakt-Preis", sagt Kübler, was bedeutet: Wie viele Klicks haben Videos? Pro TKP sollte mit einem Betrag von 40 bis 80 Euro, im Höchstfall 120 Euro gerechnet werden.

Unterschieden werden muss dabei zwischen Product Placement beziehungsweise Werbevideos, bei denen ein Buch in einem Video mit ganz vielen anderen Themen gezeigt wird, und einem Video, in dem es einzig und allein um das Buch geht. "Wenn die fünf wichtigsten Assets für den Sommer gezeigt werden und darunter ein Roman ist, wird das zwar unglaublich oft geklickt", so Sarah Kübler. "Die Conversion ist aber überschaubar, da das Buch zwischen den anderen Produkten teilweise untergeht."

Im Buchhandel ist Influencer-Marketing bisher noch nicht so weit verbreitet wie bei Verlagen. Sarah Kübler glaubt, dass sich das bald ändern wird. "Das kommt gerade, schließlich sind Buchhandlungen ein Point of Sale. Hier kann man Blogger einladen, um Events zu veranstalten." Große Häuser und Ketten launchen zudem immer mehr eigene Kanäle, in denen Influencer als Testimo­nials Bücher vorstellen.

Übrigens: Sowohl Literaturtest als auch HitchOn kritisieren die neue Rechtslage, nach der auf Instagram jetzt alle Fotos, die Verlinkungen oder konkrete Hashtags enthalten, als Werbung gekennzeichnet werden müssen – selbst wenn das empfohlene Produkt selbst gekauft wurde. Dadurch werde es schwieriger, tatsächlich bezahlte Beiträge von persönlichen Tipps zu unterscheiden, meinen beide Experten – also mehr statt weniger Intransparenz. "Einfach absurd", sagt Sarah Kübler – und Große Holtforth ist sich sicher: "Das ist ein temporäres Phänomen, das wird wieder geändert."

Influencer-Marketing: Hard Facts
  • Influencer-Marketing ist empfehlungsbasiert – auch wenn Blogger, YouTuber und Instagrammer für ihre Beiträge ein Honorar oder andere Zuwendungen erhalten, wollen sie sich ihre Glaubwürdigkeit bewahren, schließlich müssen die Follower ihnen vertrauen.
  • Der Vorteil von Influencern: Sie erreichen das Zielpublikum direkt und ohne große Streuverluste, selbst wenn sie nicht allzu viele Abonnenten haben. Das macht es für Verlage und Buchhandel leicht, auch mit geringem Budget einen großen Effekt zu erzielen. Allerdings erschließen sich dadurch selten ganz neue Leserschaften.