DEAL-Verhandlungen mit Elsevier

Konfrontation statt Kompromiss

19. Juli 2018
von Börsenblatt
Auch die jüngste Gesprächsrunde zwischen Elsevier und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Sachen "DEAL" (Nationallizenz für E-Journals) ist geplatzt. Bereits der Versuch, eine gemeinsame Verhandlungslinie zu finden, scheiterte. Nun ist der Fortgang der Gespräche offen. Bibliotheken, die ihre Elsevier-Abos in Erwartung des DEALs gekündigt hatten, können diese demnächst nicht mehr nutzen.      

Seit nunmehr zwei Jahren verhandelt die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) mit dem Wissenschaftsverlag Elsevier sowie den Verlagen Springer Nature und Wiley über das sogenannte DEAL-Projekt – eine nationale Lizenz für elektronische Wissenschaftsjournale. Erklärtes Ziel der HRK und der durch sie vertretenen Wissenschaftsbibliotheken ist es, einen Zugang zu lizenzieren, der in Summe günstiger ist als alle bisherigen Einzelvereinbarungen, und der zudem einen umfassenden Zugang zu Gold Open-Access-Publikationen der Verlage weltweit garantiert.

Nachdem die letzte Gesprächsrunde zwischen Elsevier und der HRK am 3. Juli geplatzt ist, bleibt offen, ob und in welchem Zeitraum beide Seiten noch eine Übereinkunft erzielen wollen. Beim jüngsten Treffen gab es zwar eine Annäherung zwischen den Parteien, was den Übergang zum sogenannten „Publish-and-Read“-Modell (der ja dem Gedanken des Gold Open Access zugrundeliegt) angeht, aber über das Prozedere, wie man dorthin gelangen möchte, wurde keine Einigung erzielt.

Die Verhandlungsstrategien und –kulturen beider Seiten scheinen einen Kompromiss zu verhindern. HRK-Präsident Horst Hippler, Verhandlungsführer und Sprecher des DEAL-Lenkungsausschusses, und sein Team setzen die Brechstange an und wollen offenbar eine Alles-oder-Nichts-Lösung.

Jetzt wäre ein Schlichter gefragt

Der Alles-oder-Nichts-Lösung der HRK setzt Elsevier auf der anderen Seite eine abgestufte Strategie entgegen, in der Teilschritte abgearbeitet und Rahmenbedingungen abgesteckt werden. Darauf wiederum will das DEAL-Team nicht eingehen und verlangt die Nennung einer exakten Summe für das gesamte Lizenzpaket inklusive Gold Open-Access-Zugang. Damit war das Platzen des jüngsten Gesprächs vorprogrammiert: Elsevier wollte sich nicht vor Klärung der Konditionen auf eine Summe festlegen, die HRK schien nicht bereit zu sein, die Katze im Sack zu kaufen. Der ergebnislose Ausgang des Gesprächs offenbart, dass es beiden Seiten grundlegend an Vertrauen fehlt. Es ist ein Punkt erreicht, an dem man in anderen Konflikten einen Schlichter einsetzen würde.

Horst Hippler erklärte im Anschluss an die ergebnislosen Verhandlungen: "Die überhöhten Forderungen des Verlags Elsevier haben uns gezwungen, die Verhandlungen des Projekts DEAL der Allianz der Wissenschaftsorganisationen mit dem Verlag zu unterbrechen." Laut Elsevier ein bedauernswerter Schritt mit einer Begründung, die nicht den Fakten entspreche, da man keine Forderungen gestellt habe. Hippler hatte Elsevier vorgeworfen, in bezug auf einen deutschlandweiten Vertrag nach dem "Publish-and-Read"-Modell weiterhin nicht dazu bereit zu sein, "einen wissenschaftsadäquaten Leistungsumfang unter den Grundsätzen des Open Access anzubieten, der nachhaltig finanzierbar ist".

Nach Meinung von Elsevier hingegen war man der Gegenseite bereits weit entgegengekommen: Man hatte festgehalten, dass das Publish-and-Read-Modell ein Modell auf dem Weg zu einem Open-Access-Ökosystem sein könnte. Auch darüber, dass die Förderung des Übergangs zu diesem Modell in Deutschland die Grundlage für die nationalen Verhandlungen zwischen DEAL und Elsevier bilden würden, war man sich einig. Schließlich, so der Einigungsvorschlag, verpflichteten sich der Verlag und DEAL dazu, den Übergang zu Open Access deutlich zu beschleunigen. Eine Einigung, auch auf einen Zwischenschritt, war dennoch nicht zu erzielen. Wann ein weiterer Anlauf unternommen werden soll, ist derzeit noch völlig offen.

Gekündigte Abos werden nicht weiter verlängert

Elsevier hat nun entschieden, den übergangsweise verlängerten Zeitschriftenzugang der Institutionen, „die ihre bestehenden Verträge mit Elsevier in Erwartung einer bevorstehenden Nationallizenz“ nicht verlängert haben, nicht länger zu gewähren. Dies geht aus einer Pressemitteilung hervor, die der Erklärung der HRK auf dem Fuße folgte. Stattdessen solle nun mit diesen mehr als 200 Institutionen besprochen werden, „welche Angebote sie von Elsevier in Zukunft beziehen wollen“.

Mit einem „DEAL“ zwischen Elsevier und der HRK will die Wissenschaftsallianz eine Blaupause für eine Nationallizenz und den Übergang in ein Gold Open-Access-Ökosystem liefern. Doch offenbar hat man im Lenkungsausschuss unterschätzt, dass ein solcher Prozess länger dauert als nur einige Monate. Das DEAL-Verhandlungsteam mit Hippler an der Spitze hat den Zeitdruck allerdings selbst erzeugt: durch die frühe Veröffentlichung eines Zeitplans, demzufolge bereits alle Verträge unter Dach und Fach sein sollten. Doch auch mit Springer Nature und Wiley gibt es derzeit nur Übergangslösungen, die einen wirklichen Verhandlungsabschluss nicht präjudizieren. Nun läuft Horst Hippler und der HRK die Zeit davon, zumal Hipplers Amtszeit als HRK-Präsident am 31. Juli dieses Jahres ausläuft.

Auch Springer Nature und Wiley werden nicht leichtfertig einen Vertrag unterschreiben, bevor alle Konditionen und Auswirkungen des „Deals“ geklärt sind. Auf die Frage, ob er optimistisch sei, in absehbarer Zeit eine Einigung mit der HRK zu erzielen, erklärte Springer-Nature-CEO Daniel Ropers im Interview mit dem Börsenblatt: „Ein deutscher Alleingang, der nicht auch die Komplexität des wissenschaftlichen Verlegens weltweit in den Blick nimmt, ist schwer vorstellbar.“ Es handele sich um einen "Pionier-Deal, bei dem der Anspruch der Deutschen ist, eine Blaupause für die Welt zu schaffen. Wir müssen ihn so abschließen, dass er für alle, die Scientific Community, Forschungsförderer, Institutionen und auch für uns zukunftsfest ist, und man in zwei, drei Jahren nicht eine große Enttäuschung erlebt“.

Eine Unterbrechung der Verhandlungen mit Elsevier bedeutet nicht das Aus. Es werden weitere Anläufe folgen, bis eine für beide Seiten eine befriedigende, nachhaltige Lösung gefunden ist. Dafür braucht man – siehe Ropers – Geduld.