Das "Doors"-Projekt von Droemer Knaur

"Geschichten, wie sie nur ein Buch erzählen kann"

31. Juli 2018
von Börsenblatt
Wie kann man Nicht-mehr- oder Wenig-Leser neu für das Buch begeistern? Zum Beispiel mit Projekten, die den Schwung des Digitalen nutzen, um das haptische Leseerlebnis wieder attraktiv zu machen. Droemer-Knaur-Verlegerin Doris Janhsen hat sich auf ein solches Experiment eingelassen.        

Was kann man als Publikumsverlag tun angesichts eines millionenfachen Käuferverlustes? Von 2012 bis 2017 sind dem deutschen Buchmarkt 7,3 Millionen Käufer abhanden gekommen. Nur noch 41 Prozent der deutschen Bevölkerung kaufen pro Jahr mindestens ein Buch.

Doris Janhsen, Verlegerin von Droemer Knaur, sieht diesen Befund der Börsenvereinsstudie "Quo vadis – Buchkäufer?" als Herausforderung: "Eine von vielen Antworten auf das, was wir gerade als Käufer- und Leserschwund erleben, liegt darin, Experimente zu wagen – nach dem Motto 'Trial and Error'. Und dies nicht verschämt, sondern mit der entsprechenden Sichtbarkeit." Die Überlegungen, ausgetretene Pfade zu verlassen, hatten bei Droemer Knaur aber schon vor Veröffentlichung der Studie, im Sommer 2017 eingesetzt, als sich in den Verlagen die Berichte über Absatzeinbrüche im Buchhandel häuften.

Markus Heitz, seit vielen Jahren erfolgreicher Fantasy- und Mystery-Autor bei Droemer Knaur, war nicht nur bereit, sich auf ein solches verlegerisches Experiment einzulassen – mit allem, was an Herausforderungen an einen Autor dazugehört: Er hatte sogar bereits in eine ähnliche Richtung vorgedacht. Gemeinsam entwickelte man das Konzept für eine Buch-Trilogie, das die mit dem Schauen von Serien verbundenen Mediengewohnheiten aktiv nutzen sollte, um Lust aufs Lesen zu erzeugen. Ein Konzept, "das die Ablenkungs-Verführungen des digitalen Raums, vor allem von Social Media, einsetzt, um das klassische haptische Leseerlebnis wieder attraktiv zu machen", so Janhsen.

Und all das nicht, wie so oft zuvor, mit einer Online-Kampagne, vor der der Buchhändler womöglich schulterzuckend steht, sondern mit einem Projekt, das den Buchhandel ganz bewusst mitnimmt. "Ohne Schulterschluss von Verlagen und Handel können wir den Herausforderungen des Marktes nicht begegnen", betont Janhsen.

Gratis-E-Book mit Cliffhanger

Was ist "Doors"? Ein Plot, der aus drei verschiedenen Perspektiven in drei Büchern erzählt wird. Mit Elementen, die man auch aus Mystery- und SF-Serien wie "Stranger Things" oder "Travelers" kennt, die aber hier in ein großes Multichannel-Konzept eingebunden sind. Ein 80-seitiges E-Book, das im Rahmen einer großangelegten Reichweitenkampagne auf einer Vielzahl von Kanälen ausgespielt wird, fungiert gleichsam als Serien-Pilotfolge, die die Ausgangshandlung beschreibt: Die Tochter eines Millionärs ist entschwunden; sie wird von einem Trupp von sechs Leuten in einem Höhlensystem gesucht, die plötzlich vor drei Türen stehen und sich entscheiden müssen, durch welche sie gehen, um die junge Frau zu finden.

"Der Pilot in Gestalt eines kostenlosen E-Books erfüllt zwei Funktionen", sagt Janhsen, "er teasert die drei 'Doors'-Romane an und wirkt zugleich als Cliffhanger". Der Leser, der wissen will, hinter welcher der drei Türen sich die Lösung befindet, hat nur eine Möglichkeit: Er muss  ein Buch kaufen – gedruckt oder elektronisch – , um weiterlesen zu können.

Das Pilot-E-Book wird flächendeckend im Netz verteilt, vor allem an Orten, die buchaffin sind. "Es ist eine schnell erzählte, hoch dramatische Geschichte, die auch weniger leseerfahrene Menschen anspricht. Mehr noch: Markus Heitz hat zusätzlich zur Pilotfolge fünf Kurzgeschichten geschrieben, um über die Texthappen an die Kurzlebigkeit des Internet gewöhnte Menschen wieder zum Lesen zu bringen. Insgesamt wollen wir mit unserer Reichweitenkampagne zwei Millionen Leser erreichen", so Janhsen. Es gehe darum, eine Touchpoint-Strecke zu bauen, die auch dahin reicht, wo sich "Nicht-mehr-Leser und Wenig-Leser aufhalten". Das ganze Projekt sei ein "Leuchtturm gegen die Lesemüdigkeit", so Janhsen.

Am 20. August startet Droemer Knaur die Kampagne: Buchhandlungen mit Online-Shop oder eigenem Facebook-Kanal sollen aktiv einbezogen werden. Eine Buchhandlung hat bereits eine eigene Facebook-Gruppe zu "Doors" gebildet, die das Projekt für die Buchhandlung weiterdenken möchte. Neben dem Gratis-E-Book  stellt der Verlag dem Buchhandel zahlreiche Materialien zur Verfügung – darunter eine Social-Media-Toolbox –, die die Kunden auf die "Doors"-Reihe aufmerksam machen und möglichst viele Verkäufe über den Webshop auslösen sollen. Dazu kommen klassische Point-of-Sale-Maßnahmen, die das, was online inszeniert wird, im Laden spiegeln. Eine wichtige Rolle fällt zudem den Auszubildenden in den Buchhandlungen zu, weil sie "die größte Affinität und Kompetenz mitbringen und sich am besten mit der Nahtstelle analog / digital auskennen", so die Verlegerin.

"Doors" ist nicht das einzige Projekt, mit dem Droemer Knaur dem Leserschwund begegnen will. Doris Janhsen hat zwei weitere "Leuchttürme" im Köcher, die in den kommenden Jahren ausgerollt werden. Zu groß soll die Dosis aber nicht sein, denn es gehe ja nicht darum, "den gesamten Markt in ein Experiment zu verwandeln". Wichtig sei ihr bei allem, dass die Attraktivität des Buchs nicht verraten wird: "Es geht um das Erzählen von Geschichten, wie sie nur ein Buch erzählen kann – nicht um das Imitieren von Serien. Wir wollen alle medialen Möglichkeiten nutzen, um das Kopfkino Buch wieder attraktiv und interessant zu machen. Könnte es eine schönere Aufgabe geben?!"