Interview mit Elisabeth Blakert und Katja Oechel, Dudenverlag

"Warum sollen wir uns nicht was trauen?"

15. August 2018
von Börsenblatt
Im Dudenverlag erscheinen jetzt auch Bücher zu gesellschaftspolitischen Themen. Ein Gespräch mit Elisabeth Blakert, Gesamtprogrammleitung, und Katja Oechel, Marketing-Managerin über den "Duden" als Messlatte und die Ausweitung des Programms.    

Sie bringen mit dem Duden den Sachbuch-Longseller schlechthin heraus. Wozu brauchen Sie noch ein Sachbuchprogramm?
Blakert: Wir haben schon seit Jahren mehr im Programm als nur den Duden. Auf dieser Grundlage haben wir uns viele Gedanken über die Marke gemacht und gesehen, da geht noch mehr. Die nächste Überlegung war: Wie können wir unser Programm ausweiten, was glaubt man uns? Wir wissen und merken mit jeder aktuellen Ausgabe des Duden, dass Sprache eine starke gesellschaftliche Dimension hat. Und natürlich wird uns diesbezüglich eine hohe Kompetenz zugetraut. Wir wollen mithin Sachbücher zu gesellschaftspolitischen Themen machen. Unser Plan ist es aber auch, für Überraschungen gut sein, mit Büchern wie "Brehms Tierleben" mit einem Vorwort von Karsten Brensing im ersten Programm.

Auf gesellschaftspolitische Themen setzen auch andere Verlage. Wie unterscheiden Sie sich?
Blakert: Wir gehen vom Thema Sprache und Bildung aus. Mit dem Titel "Volkes Stimme?" wollen wir beispielsweise das Kommunikationsverhalten rechtspopulistischer Parteien durchleuchten. Eine Frage, die viele Eltern umtreibt, ist: "Muss mein Kind aufs Gymnasium"? So heißt ein weiterer Titel aus dem Herbstprogramm. Das sind Themen, die wir vielleicht anders anfassen, wo wir andere Schwerpunkte setzen. Mit der Marke Duden ist ganz stark Orientierung verbunden.

Warum jetzt?
Blakert: Das Bibliographische Institut hatte in Mannheim mehrere hundert Mitarbeiter. Jetzt sind wir ca. 30. Das war ein herber Einschnitt. Nachdem wir vor einigen Jahren von Mannheim nach Berlin umgezogen sind, haben wir uns intensiv Gedanken gemacht, wie es mit dem Verlag weitergehen soll. Zugleich ist gerade zuletzt deutlich geworden, dass Sprache und die Art, wie Sprache verwendet wird, ein sehr virulentes Thema ist. Das ist für uns natürlich auch eine Ermutigung. Wir können unsere Expertise in Bücher umsetzen.
Oechel: Wir haben im vergangenen Sommer die 27. Ausgabe des Dudens herausgebracht und auch in diesem Zusammenhang überlegt, wie wir uns organisch weiterentwickeln können. Mit unseren beiden neuen Titeln "Eine Frage der Moral. Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen" und dem Debattenbuch "Warum es nicht egal ist, wie wir schreiben" wollten wir im Frühjahr testen, wie solche Bücher ankommen – ein erster Aufschlag gewissermaßen, und die Resonanz war sehr ermutigend. Aber man muss auch sagen: Das sind unsere Urthemen.

Trotzdem müssen Sie den Buchhändlern und Lesern wahrscheinlich erstmal vermitteln, dass da jetzt auch noch andere Bücher aus dem Hause Duden kommen.
Oechel: Das ist eine unserer Kernaufgaben. Wenn die Leute Duden hören, denken sie an die deutsche Rechtschreibung, das Wörterbuch. Dass wir nun darüber hinausgehen, müssen wir vermitteln, da haben wir die Aufgabe, Pionierarbeit zu leisten. Aber mit den bisherigen Reaktionen sind wir sehr zufrieden. Die Leute gehen mit.

Welche Auflagenziele verbinden Sie mit dem neuen Programm?
Blakert: Wir möchten natürlich in die Bestsellerlisten. Das ist wichtig, um wahrgenommen zu werden. Aber jetzt fangen wir erstmal an.

Die Zahl der Buchleser schrumpft. Haben Sie angesichts der entsprechenden Meldungen nochmal überlegt, ob das jetzt wirklich ein guter Zeitpunkt für ein neues Sachbuchprogramm ist?
Blakert: Das ist natürlich eine wichtige Frage:  Wie reagiert man auf den Leserschwund. Wir haben uns eher für dünnere, kürzere Titel entschieden, weil wir glauben, dass Sachbücher über 200 Seiten schwerer zu vermitteln sind. Unser Ziel ist es, auf kürzerem Raum sehr pointiert Menschen über aktuelle Themen zu informieren. Und wir wollen mit einem überschaubaren Programm beginnen, geplant sind drei bis vier Titel pro Saison.

Zugleich starten Sie mit einem Geschenkbuchprogramm. Mit welchen Ideen und Ambitionen?
Blakert: Geschenke haben immer etwas mit einer Botschaft zu tun. Wir können da Sprache wunderbar zum Einsatz bringen. Wir haben Wörterbücher des Glücks und der Freundschaft im Programm. Es gibt einen Trend zu Einschreibbüchern. Schreiben ist ein Ur-Duden-Thema.
Oechel: Wir haben gerade auf dem Feld unserer Social-Media-Aktivitäten bemerkt, dass ein lockerer, luftiger Umgang mit Sprache, eine Aufbereitung, die manchmal augenzwinkernd ist, ganz wunderbar ankommt. Für mich ist das die natürliche Weiterentwicklung unseres Wörterbuchs für eine neue Zeit.

Der Duden hat gewissermaßen die Aura eines Gesetzbuches. Haben Sie Sorge, dass Sie demgegenüber mit Ihren neuen Produkten zu seicht werden?
Oechel: Das ist eine wunderbare Frage, mit der wir uns tagtäglich auseinandersetzen. Wir dachten anfänglich auch: Ist das unser Level? Eine gewisse Messlatte dürfen wir nicht unterschreiten, das ist klar. Es gibt immer Leute, die sagen: Ihr seid die Sprachbewahrer, das passt nicht zu euch. Aber wir leben in einer modernen Welt. Warum sollen wir uns nicht was trauen?

Wer kümmert sich um die neuen Bücher?
Blakert: Wir haben unser Sachbuchlektorat erweitert. Mit Ludger Ikas, der von Hanser Berlin kommt, haben wir einen absoluten Fachmann gewonnen. Das war uns auch wichtig. Er verantwortet das Sachbuchprogramm. Um das Geschenkprogram kümmert sich Juliane von Laffert. Sie ist seit zwei Jahren mit dabei.