Novitäten zum Bauhaus-Jahr 2019

Das Bauhaus lebt

13. September 2018
von Börsenblatt
100 Jahre – und immer noch stilprägend: Die Verlage feiern das Bauhaus und seinen Pioniergeist mit Biografien, Bildbänden, Katalogen. Ein kleiner Ausschnitt aus dem Festprogramm für 2019.

Kompakter Jubiläumseinstieg
"Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik und Malerei", hieß es im Bauhaus-Manifest von 1919. Was den Bauhaus-Stil ausmacht und welche Künstler ihn geprägt haben, zeigt diese Einführung über alle Gattungen hinweg sehr anschaulich. Pluspunkt: Neben den Abbildungen erklären schematische Skizzen unter der Überschrift "Wie erkenne ich ..." die Struktur der Werke. Düchtings Buch ist eine Neuauflage von 2006 – kurz, knackig, nützlich.

Hajo Düchting: "Wie erkenne ich? Bauhaus", Belser, 128 S., 10 €

Künstler, Werke, Schauplätze
Das Bauhaus existierte nur 14 Jahre lang, von 1919 bis 1933 – und wurde doch zur einfluss­reichsten Schule für Kunst, Design und Architektur im  20. Jahrhundert. Einen Überblick über das "Gesamtkunstwerk" Bauhaus gibt Kunsthistorikerin Christiane Kruse in diesem Band, der die Künstler-Biografien und die drei zentralen Schauplätze Weimar, Dessau, Berlin in den Fokus rückt.

Christiane Kruse: "Das Bauhaus in Weimar, Dessau und Berlin", Edition Braus, November, 128 S., 19,95 €

Fotoreise zu den Bauhäusern von heute
Weimar, Berlin, Dessau – aber auch Krefeld, Stuttgart, Neuruppin: Architektur von Bauhaus-Lehrern und Bauhaus-Schülern ist deutschlandweit an vielen Orten zu finden. Fotograf Hans Engels hat ihren Istzustand im 21. Jahrhundert dokumentiert – eine spannende Spurensuche, gedruckt auf matt gestrichenem Papier und nicht nur für Leser vom Fach. Für die Neuausgabe hat Engels alle Gebäude erneut besucht und aufgenommen.

Hans Engels, Axel Tilch: "Bauhaus-Architektur 1919 – 1933", Prestel, 152 S., 38 "

Die Linienführung der Moderne
Die "Weiße Stadt" von Tel Aviv zählt zum Unesco-Welterbe: Hier stehen rund 4.000 Häuser, die im Bauhaus- und im Internationalen Stil errichtet wurden. Yigal Gawze, selbst Architekt, hat sie fotografiert, mit besonderer Leidenschaft fürs Detail. Sein Buch ist eine Liebeserklärung an die Linienführung der Moderne – und an das Licht- und Schattenspiel auf weißen Mauern. 

Yigal Gawze: "form and light", Hirmer, Oktober, 120 S., 45 €

Nachfolger in aller Welt
"Ich verstehe meine Arbeit als Wettlauf gegen die Zeit", sagt Jean Molitor, der auf der ganzen Welt nach der Architektursprache der Moderne sucht – und dabei sogar im Kongo fündig wird. Sein Fotoprojekt "Bau1haus" widmet sich der vom Bauhaus inspirierten Architektur und wächst ständig. Gleich zwei neue zweisprachige Publikationen werfen Blicke ins Archiv: ein Katalog, bei Hatje Cantz zu einer Schau in Berlin erschienen, und ein auch textlich tiefergehendes Buch bei bebra, das zunächst Bauten in Deutschland vorstellt, bevor es nach Kuba und in die USA führt.

Jean Molitor: "bau1haus. die moderne in der welt", Hatje Cantz, 160 S., 40 €

Jean Molitor: "Bauhaus. Eine fotografische Weltreise", bebra, 224 S., 46 €

Persönlicher Einblick ins Netzwerk
Mit 22 Jahren hat Autor Nicholas Fox Weber die Bauhaus-Legenden Anni und Josef Albers kennengelernt, persönliches Wissen und viele Anekdoten fließen deshalb in sein Buch mit ein. Das macht die Darstellung von sechs Bauhäuslern (Gropius, Klee, Kandinsky, van der Rohe, Josef und – als einzige Frau – Anni Albers) sehr lebendig, zugleich aber auch merklich subjektiv; die Sympathiewerte für die Künstler hat Weber klar verteilt.

Nicholas Fox Weber: "Die Bauhaus-Bande. Meister der Moderne", Dom publishers, Oktober, 544 S., 48 €

Kampf gegen Geschlechterrollen
Dieses Buch will vier umschwärmte Frauen, allesamt künstlerisch talentierte "höhere Töchter", porträtieren und in ihrer Eigenständigkeit erfassen. Allein: Sie erscheinen immer vor der Folie des "Meisters", Bauhausdirektor Walter Gropius. Viel Persönliches, viel allzu Menschliches erfährt man über Alma Mahler, Lily Hildebrandt, Maria Benemann, Ilse und Walter Gropius, aber auch das macht das Bauhaus nun einmal aus.

Ursula Muscheler: "Mutter, Muse und Frau Bauhaus. Die Frauen um Walter Gropius", Berenberg, 160 S., 25 €

Frau Bauhaus
Jana Revedin, Architekturprofessorin in Paris und Lyon, hat für die Lebensgeschichte von Ilse Frank die Romanform gewählt: Lebendig beschreibt sie die Zeit des Bauhauses von 1923 bis zum Ende – immer aus der Perspektive der Buchhändlerin, Rezensentin und Schriftstellerin, die Bauhaus-Gründer Walter Gropius heiratete. Leerstellen bei Fakten werden fiktional gefüllt, es entsteht ein weichgezeichnetes Bild der Frau, die als erste das "Haus der emanzipierten Frau" umgesetzt hat.
   
Jana Revedin: "Jeder nennt mich hier Frau Bauhaus", DuMont, November, 288 S., 22 €

Die Innovationskraft der Künstlerinnen
Wie Kunst und Leben sich durchdringen, zeigen die glänzend recherchierten 20 Porträts von Architektinnen, Keramikerinnen, Möbelgestalterinnen und Fotografinnen. Wo sonst beim Thema Bauhaus meist nur Männer im Vordergrund stehen, wird in dieser komplett überarbeiteten Neuausgabe deutlich, wie sehr die Künstlerinnen Arbeiten und Denken im Bauhaus geprägt haben und wie stark ihre Innovationskraft war.

Ulrike Müller: "Bauhaus-Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design", Elisabeth Sandmann, Januar 2019, 160 S., 38 €

Der Geist der Umbruchjahre
Um die Konzepte des Bauhauses zu verstehen, die ja auch gesellschaftspolitische Statements waren, sollte man auch den geschichtlichen Hintergrund kennen. Sabina Becker beschreibt die kulturpolitischen Konstellationen und ästhetischen Debatten, die urbanen Lebenswelten und die Massenkultur, sie analysiert treffend, differenziert, klug: So wird das Bauhaus als Antwort auf drängende Fragen der damaligen Gegenwart greifbar.

Sabina Becker: "Experiment Weimar. Eine Kulturgeschichte Deutschlands 1918 – 1933", wbg Academic, 416 S., 69,95 €

Inspirationen für Amerikas Kunstszene
Mit der Wirkungsgeschichte des Bauhauses beschäftigt sich das Westfälische Landesmuseum in Münster – in der Ausstellung "Bauhaus und Amerika" (9. November 2018 – 10. März 2019). Dabei geht es vor allem um die Bauhausbühne – und um die künstlerischen Auseinandersetzungen mit Licht und Bewegung, von kinetischer Kunst über den Experimentalfilm bis zur Performance. Denn damit haben die Bauhäusler auch das amerikanische Kunstleben nach 1945 geprägt – die erzwungene Emigration als Brückenschlag in die neue Welt. Kerber verlegt den Katalog zur vielversprechenden Schau.

"Bauhaus und Amerika", Kerber, 272 S., 48 €