Hauptversammlung bei Bastei Lübbe

Neue Sachlichkeit

20. September 2018
von Tamara Weise
Kurssturz hin, Altlasten her: Für den Aufsichtsrat und den Vorstand von Bastei Lübbe hätte die Hauptversammlung gestern kaum besser laufen können. Die Aktionäre stellten ihnen zwar kritische Fragen – aber keine Hürden in den Weg.

Die Hauptversammlung im November 2017 Jahr markierte das Ende einer Ära – und den Beginn einer neuen. Statt Thomas Schierack, der am 20. September als CEO gehen musste, stand Carel Halff auf der Bühne, nach nur wenigen Wochen im Amt. Erklärungen für das Vergangene fand er zu diesem Zeitpunkt nur wenige, aber ohnehin wollte er lieber seinen Blick in die Zukunft richten. "Wir werden das Haus neu bauen", lautete seine Botschaft an die Aktionäre. Sie nahmen es: als Versprechen.

Eine Bilanz voller Altlasten

Zehn Monate später nun die Fortsetzung: Wieder nahmen die Aktionäre im Foyer Platz, wieder ging es um Erfolge und Prognosen. Vor allem aber um die Bilanz für das Geschäftsjahr 2017/18, das am 31. März mit roten Zahlen zu Ende gegangen ist – sie steckt noch voller Altlasten (siehe Archiv: Konzernergebnis mit 18 Millionen Euro belastet).

Halff ließ keine Zweifel daran, dass er sie im Griff hat, redete nichts schön, wollte das Vergangene Vorjahre aber auch nicht kleinreden ("Nicht alles war falsch"). Die Ereignisse der vergangenen Monate seien schmerzhaft für die AG und die Mitarbeiter gewesen, brutal. Doch er sehe gute Gründe für Zuversicht. Wenn ihn jemand frage, ob das Glas halb voll oder halb leer sei, könne es nur eine Antwort geben: "Das Glas ist halb voll."

Erst schrumpfen, dann wachsen – Zukäufe nicht ausgeschlossen

Mangelnde Awareness für das Kerngeschäft, Halff zufolge war das einer der Hauptfehler der Vergangenheit – damit sei Schluss. Die neue Königsdisziplin präsentierte er den Aktionären betont sachlich, reduziert auf der Nötigste: Man wolle neue Zielgruppen erobern und Markttrends nutzen, wie es mit dem Verlagslabel Lyx bereits gelinge. Sobald die Sanierung abgeschlossen sei, werde Bastei Lübbe in diesem Umfeld auch wieder wachsen – durch eigene Neugründungen oder auch Übernahmen.

Am Ende, versprach er, werde dann wieder etwas übrig bleiben: Wie berichtet, rechnet Bastei Lübbe im laufenden Geschäftsjahr (bis Ende März 2019) mit einem Konzernumsatz in Höhe von etwa 95 Mio. Euro und einem positiven Ergebnis (EBIT) in der Größenordnung von 0,5 bis 2 Mio. Euro – langfristig hält das Unternehmen eine EBIT-Marge von 6 bis 8 Prozent für realistisch. Halff verbreitete Hoffnung: "Der Markt ist stabil und unser Konzept zukunftssicher."

Dafür setzte er Bastei Lübbe auf Diät, startete ein Effizienzprogramm, dass den Verlag schlanker, schneller und flexibler mache (Halff) – und trennte sich von Beteiligungen:   

  • Buchpartner wurde zum 31. März 2018 an die Minderheitsgesellschafter Familie Gellert zurückgeben (Bastei Lübbe hielt bis dahin 51 Prozent); der Geschäftsbereich "Retail" ist damit Geschichte (im Archiv: Bastei Lübbe verkauft Buchpartner-Beteiligung).
  • BookRix, der Selfpublisher-Dienstleister, gehört seit Ende August mehrheitlich zu Omega SA mit Sitz in Luxemburg – die Firma übernahm die Bastei Lübbe gehaltenen 54 Prozent der Anteile (im Archiv: Bastei Lübbe verkauft BookRix-Anteile).
  • Beam Shop ging ebenfalls zum 31. August in neue Hände – an die saltation Beteiligungs GmbH in Bielefeld (im Archiv: Bastei Lübbe gibt Beam ab).  
Status quo der Noch-Beteiligungen 

Als größere Posten bleiben im Portfolio, in Halffs neuem Haus, noch die oolipo AG (Beteiligung: 87 Prozent), der Games-Entwickler Daedelic (100 Prozent) und Räder (20 Prozent). Vorerst zumindest: Oolipo steht Halff zufolge kurz vor dem Verkauf – nicht die AG insgesamt, dafür fand sich kein Interessent, aber für die Software. Bei Daedelic ist Bastei Lübbe weiter an Bord, hat aber schon einen M&A-Prozess angestoßen, vor allem, um neue Geldgeber zu finden, die dem Unternehmen bei der aus seiner Sicht dringend notwendigen Internationalisierung helfen. Ein Jahr gibt sich Halff dafür Zeit – ob er die Beteiligung dann tatsächlich auflöst, ließ er offen.

Last but least ist da noch Räder, wie Buchpartner einst ein Hoffnungsträger der Kölner. Auf Rückfragen aus dem Kreis der Aktionäre zeigte sich, dass Bastei Lübbe hier tiefer drinsteckt, als von manchen vermutet. Von dieser  Beteiligung kann sich der Verlag nicht einfach trennen, weil er – über die 20-Prozent-Beteiligung hinaus – an Räder auch über ein Darlehen gebunden ist. 2,8 Millionen Euro hat Bastei Lübbe nach Angaben von Halff investiert, die mit sechs Prozent aber ordentlich verzinst würden. 

Vorstand und Aufsichtsrat haben also noch einige Hausaufgaben zu erledigen, betonen das auch immer wieder – auch gestern. Der Umgang mit den verbliebenen Beteiligungen und die Programmentwicklung sind dabei nur das eine. Das andere sind die Eigenkapitalquote, der seit 2015 laufende Konsortialkreditvertrag (Umfang: ca. 30 Mio. Euro) und die Fragen rund um die Schuld der Ehemalige. Und alles holten die Aktionäre gestern auf den Tisch:

Eigenkapitalquote. Sie lag zuletzt bei rund 30 Prozent – und soll steigen. Muss sie auch, findet Finanzvorstand Zimmermann, sieht seine Ziellinie hier bei 40 Prozent. Parallel arbeitet er daran, die Verschuldung zu drücken (aktuell: ca. 30 Mio. Euro).
 
Konsortialkreditvertrag. Nachdem Bastei Lübbe im März die geforderten Finanzkennzahlen nicht eingehalten hatte, musste der Verlag mit den Banken zu einer neuen Vereinbarung finden – was klappte: Bastei Lübbe bekam Aufschub bis 2020. Wie es danach weitergeht, konnte oder wollte gestern niemand mit Sicherheit sagen.  

Prozess gegen Ehemalige. In diesem Punkt hielten sich sowohl die Vorstände als auch die drei Aufsichtsräte bedeckt – mit Verweis auf "schwebende Verfahren" (im Archiv: Bastei Lübbe klagt gegen ehemalige Manager). Bastei Lübbe habe jetzt in erster Instanz zwar gegen Michael Nelles Beratungsfirma ConPair gewonnen – Nelles war Aufsichtsrat bis zur Hauptversammlung 2016 –, bleibe aber vorsichtig. Ihr Antrag, aufgrund der unklaren Situation die Entlastung der im Geschäftsjahr 2016/17 aktiven Aufsichtsräte und Vorstände noch einmal auszusetzen, fand bei den Aktionären breite Zustimmung.

Aktionäre fahren erneut ohne Dividende nach Hause

Der aktuellen Führungsriege stellten sie ein gutes Zeugnis aus, da haben sie keine Bedenken – da gibt es Rückendeckung: Für das Geschäftsjahr 2017/18 wurden Vorstand und Aufsichtsrat nahezu von allen anwesenden Aktionären entlastet (99,7 Prozent). Sie nahmen auch in Kauf, dass sie erneut ohne Dividende nach Hause fahren mussten und der Börsenkurs weiter bei mageren zwei Euro (pro Aktie) dahindümpelt. "Wir sitzen hier alle auf Verlusten" – solche Wortmeldungen gab es schon auch. Doch die meisten warten wohl auf den Aufschwung. Geduld, Geduld, mahnte etwa ein Vertreter von Kleinaktionären. Sein aktuelles Kursziel liegt bei 5,50 Euro.