Pressegespräch mit den Friedenspreisträgern Aleida und Jan Assmann

"Vor allem sind wir verheiratet"

12. Oktober 2018
von Sabine Cronau
Werden sie ihre Rede am Sonntag in der Paulskirche gemeinsam halten? Bei der traditionellen Pressekonferenz auf der Buchmesse wollten sich die beiden Friedenspreisträger Aleida und Jan Assmann nicht in die Karten schauen lassen. Dafür beeindruckten sie die Journalisten mit sehr persönlichen Momenten und kurzen Streifzügen durch ihre Forschungsfelder.  

"Mir blieb die Spucke weg": Sehr direkt erzählte Aleida Assmann von dem Tag, als der Anruf von Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller kam. Weil sie sich bis zur offiziellen Bekanntgabe der Friedenspreisträger 2018 zur Verschwiegenheit verpflichtet hatten, aber Besuch im Haus war, konnten sich die beiden Kulturwissenschaftler zunächst gar nicht über die Auszeichnung austauschen: "Dadurch hatte das Ganze etwas Irreales."

Inzwischen sieht die Sache anders aus: Als die ersten Interviewanfragen eingingen und sich die Ehrung sogar bis zur Kioskbesitzerin am angestammten Urlaubsort in Österreich herumgesprochen hatte – spätestens da merkte das Paar, dass der Friedenspreis einen Scheinwerfer auf ihre wissenschaftliche Arbeit, aber auch auf ihr Leben richtet.

Beides ist bei Aleida und Jan Assmann untrennbar miteinander verbunden. Auf die Frage, wie sich ihre gemeinsame Arbeit über Erinnerungskultur, über kulturelle und religiöse Konflikte überhaupt entwickelt habe, sagte Jan Assmann ganz schlicht: "Vor allem sind wir verheiratet." Und da sei es doch normal, sich für das zu interessieren, was den anderen beschäftige: "Unsere Zusammenarbeit war eine Folge der Lebensgemeinschaft."

So befasste sich Aleida Assmann mit der Ägyptologie, dem Fach ihres Mannes. Und Jan Assmann begann, englische Romane zu lesen, die seine Frau als Literaturwissenschaftlerin studierte: In diesem Punkt allerdings korrigierte Aleida Assmann ihren Mann rasch: Tatsächlich habe er die Romane laut vorgelesen – und sie sei dabei eingeschlafen.

"Eine sehr politische Entscheidung"

Auch wenn es beim Pressegespräch auf der Buchmesse oft heiter und humorvoll zuging: Für Vorsteher Heinrich Riethmüller ist die Auszeichnung der beiden Kulturwissenschaftler vor allem eine "sehr politische und aktuelle Entscheidung".

In einer Zeit, die immer stärker von Extremismus und auch von Antisemitismus geprägt sei, spiele das Forschungsthema der beiden, die Erinnerungskultur, das kollektive Gedächtnis einer Gesellschaft eine umso wichtigere Rolle: "Wir können nicht in Frieden und Freiheit leben, wenn wir uns der Geschichte nicht besinnen." Das gelte für die Deutschen nach ihrem Zivilisationsbruch ganz besonders.

Die Friedenspreisverleihungen verfolgt das Paar seit langem als Zuschauer am Fernsehen. Aleida Assmann erzählte zudem, dass sie sich vor einigen Monaten bei einem Vortrag über das kulturelle Gedächtnis einer Gesellschaft auch mit dem Friedenspreis beschäftigt habe – als Akt der Kanonisierung. Der Friedenspreis und die Reden in der Paulskirche seien ein großes Archiv der Stimmen "zur Geschichte des Landes, in dem ich aufgewachsen bin."

Dass sie von der Seite der wissenschaftlichen Beobachterin auf die Seite der Geehrten wechseln könnte, sei für sie undenkbar gewesen.

Aleida Assmann hat sich auch mit der umstrittenen Friedenspreisrede beschäftigt, die Martin Walser vor genau 20 Jahren in der Paulskirche gehalten hat: "Schon damals dachte ich sofort: Das ist ein seismischer Schock." Sie habe in den vergangenen Jahren noch intensiv mit Walser darüber diskutiert: "Für mich ist das nicht nur ein Skandal, sondern auch eine produktive Debatte gewesen – wie sie für mich manchmal auch in der Auseinandersetzung mit der AfD wünschenswert wäre."

Und wie bewerten Aleida und Jan Assmann den aktuellen Rechtsruck in der Gesellschaft? Die Entwicklung sei "alarmierend", so Aleida Assmann: "Das alte, das nie ganz verschwunden war, kehrt zurück an die Oberfläche und wird wieder Teil der Gesellschaft."

Die Rede der beiden Friedenspreisträger dürfte spannend werden: Die ARD überträgt den Festakt aus der Paulskirche am Sonntag, 14. Oktober, ab 10.45 Uhr. Mehr zur Begründung, zum Preis und den Preisträgern lesen Sie hier.