Über Sinn und Irrsinn der Arbeitswelt

Sprengers Denkzettel

20. November 2018
von Börsenblatt
Der Managementberater und Bestsellerautor Reinhard K. Sprenger hat seine "Wirtschaftswoche"-Kolumnen über Unternehmen und Führungskräfte zu einem Buch zusammengefasst.

Er denke permanent nach "über unsere Arbeitswelt, über ein gelingendes und insofern erfolgreiches Berufsleben", schreibt Reinhard K. Sprenger. "Das Nachdenken entzündet sich an kleinen Wirtschaftsnachrichten, an Gesprächen mit Managern, an metaphorischen Parallelen, die mir beim Lesen von Prosa aufscheinen." Seine Beobachtungen können die Leser der "Wirtschaftswoche" regelmäßig in der Kolumne "Sprengers Spitzen" teilen. Nun ist das gleich­namige Buch erschienen, in dem der bekannte Berater "42 unbequeme Management-Wahrheiten" gebündelt hat (Handelsblatt Fachmedien, 100 S., 19,80 Euro). Mit seiner "Denk-­Zettel-Sammlung" zum aktuellen Wirtschaftsgeschehen und den handelnden Personen will Sprenger "Sinn und Irrsinn ­unserer hype-getriebenen Arbeitswelt und ihrer Führungs­trends entlarven". Daraus entstanden sei auch "eine Art ­Management-Chronik der vergangenen vier Jahre".

Der sendungsbewusste Experte nimmt kein Blatt vor den Mund – wenn er auch andeutet, dass ihn die "WiWo"-Redakteure bisweilen zurückpfeifen und "vor grobem Unfug bewahren". Trotzdem: "In Zeiten politisch korrekter Hirnverseuchung" reize es ihn einfach, "dagegenzuschreiben".

Er knöpft sich zum Beispiel die Transparenzdiskussion bei Managergehältern vor ("Intransparenz schadet weniger als Transparenz nützt"). Er wundert sich über VW-Kunden, für die moralischer Konsum – beziehungsweise in diesem Fall: Nicht-Konsum – offenbar keine Rolle spielt, denn sonst hätte VW so kurz nach der Dieselaffäre nicht direkt alle Verkaufsrekorde gebrochen. "Die sozialen Folgen ihres Konsums sind den Menschen egal", lautet Sprengers Fazit. "Damit verspielen sie aber auch ihr wirtschaftsmoralisches Empörungsrecht – und ­tragen Mitverantwortung dafür, beim nächsten Mal wieder betrogen zu werden."

Andererseits ist er der Meinung, dass sich die Wirtschaft unnötig selbst schwächt, wenn sie den "Moralisierern" zu sehr entgegenkommt mit all den Codes of Conduct, Compliance-Richtlinien oder Umweltbekenntnissen, die in vorauseilendem Gehorsam an die Unternehmenspforte gehängt werden. "Wollte man die Tugendhaftigkeit von Managern zum Maßstab machen, dann wären die Leitungsgremien leer", glaubt Sprenger. "Unternehmen sollen Güter und Dienstleistungen für Kunden erzeugen, dabei gilt das ökonomische Prinzip. ­Alles andere sollten wir den Kirchen überlassen."

Seine Schlussnoten sind stets pointiert, manche Gedankengänge aber schwer nachzuvollziehen, etwa wenn er die Kultur des "Füreinanders" erklärt. Seine Belesenheit demonstriert er immer wieder mit eingestreuten Zitaten – von Goethe über Niklas Luhmann bis Frank Zappa.

Eine seiner auffälligsten Kolumnen handelt von der "Feminisierung der Männer". Während bei Männern "früher Mut, Leistungsstreben und Autonomie anerkannt" worden seien, "heißen dieselben Eigenschaften heute Aggressivität, Karrieregeilheit und Unnahbarkeit. Zugespitzt kann man sagen: Unternehmen sind heute Veranstaltungen zur Unterdrückung unerwünschten Männlichkeitsverhaltens." Sprenger verwahrt sich gegen "Machogehabe", hält es aber trotzdem "für völlig aus der Luft gegriffen, dass als 'weiblich' kategorisierte Verhaltensweisen erfolgreicher ­machen".

Für das Geschlechterthema ist Sprenger bekannt. Erst vergangene Woche bezeichnete er Männer "als reine Sättigungsbeilage in Besetzungsprozessen". Noch so eine Spitze. Wäre er nicht gegen Quoten, würde er wahrscheinlich demnächst eine Männerquote in Unternehmen fordern.