RWS-Buchhandlungen

Die Seele des Geschäfts

29. November 2018
von Sabine Schmidt
Mit der Digitalisierung hat sich die Rolle der RWS-Buchhandlungen grundlegend verändert – damit müssen auch neue Konzepte für die Ladenfläche her. Drei Beispiele.
Sack Fachmedien

Die Umwandlung vom Fachbuchhändler zum Informationsdienstleister hat Sack Fachmedien längst hinter sich, jetzt sollen sich auch die Buchhandlungen transformieren: Den Kunden soll die digitale Kompetenz des Unternehmens gleich ins Auge fallen. Die Kölner ­Filiale ist dafür das Pilotprojekt: Bücher gibt es hier zwar noch, doch sie stehen neuerdings nicht mehr im Zentrum. Stattdessen sind Computer in den Fokus gerückt, und die Kunden begegnen in dem Sack-Beratungszentrum vier Ansprechpartnern, die sich mit Gesetzeskommentaren ebenso auskennen wie mit Datenbank-Angeboten.

Digitales in Signalfarbe
Der Konzeptwechsel brachte Beratungstische in die 60 Quadratmeter große Filiale, dazu leuchtendes Orange als dominierende Farbe. Seit Juli ist das Geschäft wieder geöffnet – wie kommt die Neuausrichtung an? »Die Reaktionen sind unterschiedlich«, berichtet Niederlassungsleiterin Beatrix Reisenauer. »Vor allem junge, technikaffine Kunden sind begeistert. Es gibt aber auch andere, die irritiert oder enttäuscht sind.« Sie geht davon aus, dass Kunden eine Eingewöhnungszeit brauchen – und dass die Umstellung ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft ist.

Eine Kasse gibt es in dieser neuen RWS-Welt nicht mehr, bezahlt wird per Rechnung. »Es geht uns hier auch nicht nur um unmittelbaren Umsatz«, sagt Reisenauer. Die Filiale in Köln soll vielmehr Begegnungsstätte und Veranstaltungsort sein – und Werbefläche; ein Ausrufezeichen, das aufmerksam machen soll auf die digitale Kompetenz von Sack und auf das digitale Engagement, zu dem auch eine haus­eigene Entwicklungsabteilung gehört.

Die Mitarbeiter spielen eine Schlüsselrolle beim neuen Konzept und Reisenauer ist klar, dass sie eine Kröte schlucken müssen: »Sie sind Fachbuchhändler mit viel Erfahrung, müssen jetzt aber einen Teil ihres Wissens zur Seite schieben und sich stattdessen neues Wissen zu Datenbanken aneignen.« Sack legt großen Wert auf Schulungen, um das Team auf den neuen Weg mitzunehmen. Zudem sind regelmäßige Gespräche geplant: Nicht nur von Kundenseite, auch von den Mitarbeitern seien Anregungen für Veränderung und Weiterentwicklung erwünscht, so Reisenauer. »Das Konzept ist nicht unantastbar, wir wollen in Köln erst einmal Erfahrungen sammeln.« Wie viel Zeit man sich dafür nehmen wird, sei noch nicht festgelegt. »Sicher ist allerdings, dass wir das Kölner Konzept auf  andere Standorte übertragen werden.«

Sack Fachmedien

Schwerpunkt: RWS (gegründet 1971, Köln)
Firmengruppe: Verlag Dr. Otto Schmidt
Standorte: 9 (Berlin, Bielefeld, Darmstadt, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Köln, 2 x Münster)
Mitarbeiter: 135
www.sack.de

Schweitzer Fachinformationen: Bücher als Besuchermagnete

Com­puter sind auch bei Schweitzer Fach­informationen präsent: Kunden können an ihnen unter anderem den Zugang zu Datenbanken testen oder web­basierte Services wie das Schweitzer Mediacenter in Anspruch nehmen. Die Akzente sind aber etwas anders gesetzt als bei Sack: »In unseren Geschäften spielen gedruckte Werke nach wie vor eine wichtige Rolle«, sagt Barbara Mahlke, Programmleiterin Recht und Beratung.

Das gilt insbesondere für die vier Schweitzer RWS-Flaggschiffe: die Filialen in Berlin, Hamburg, Frankfurt und München – Geschäfte mit großer RWS-Fachbuch-Ladenfläche. »Die Kunden, die dorthin kommen, sind vorrangig an analogen Produkten interessiert und wollen zum Beispiel einen Rechtskommentar in die Hand nehmen.« Dennoch: Auch für Schweitzer spielt das Digitale die wichtigste Rolle. 
»Aktuell machen wir bereits mehr als 20 Prozent unseres Umsatzes mit elektronischen Angeboten, und unsere Services zielen auf Nutzungsoptimierungen für unsere Kunden«, erklärt die Programm­leiterin. Verkauft werden diese Angebote allerdings überwiegend über andere Kanäle, vor allem über den Außendienst. 

Die Schweitzer RWS-Buchhandlungen sind dagegen Orte, an denen es Kunden insbesondere um persönliche Begegnungen geht, um Beratung, Information, Netzwerken, etwa bei den zahlreichen Fachveranstaltungen, die dort stattfinden. »Unser Ladenkonzept sieht neben Print- und Digitalangeboten eine variable Veranstaltungsfläche vor und ist für die vier Schweitzer Flaggschiffe verbindlich«, erklärt Mahlke. In der Frankfurter Filiale finden im neuen, großen Veranstaltungsraum, der bis zu 100 Personen fasst, fast wöchentlich Veranstaltungen statt. 

Die anderen 21 Filialen sind dagegen individuell aufgestellt. Thye in Oldenburg zum Beispiel hat einen belletristischen Schwerpunkt, während Goethe + Schweitzer in Düsseldorf das Ladengeschäft mit allgemeinem Sortiment ganz aufgegeben hat. Am Firmensitz in Düsseldorf-Heerdt wurde dafür ein RWS-Beratungszentrum eröffnet, in dem Bücher aber nach wie vor präsent sind.

Schweitzer Fachinformationen

Schwerpunkt: RWS (gegründet 1868, München)
Firmengruppe: C. H. Beck Verlag
Standorte: 25 bundesweit, von Hamburg bis München und von Düsseldorf bis Dresden
Mitarbeiter: 600
www.schweitzer-online.de

Rickersche Universitätsbuchhandlung: Büro statt Laden

Gedruckte RWS-Werke haben im Ladengeschäft keinen Sinn, wenn die Kunden nicht mehr vorbeikommen. Dann kann die Fläche für anderes genutzt werden: Diese Konsequenz hat nicht nur die Buchhandlung Kozinowski gezogen, sondern auch die Rickersche Universitätsbuchhandlung in Gießen. »Lange Zeit waren wir eine RWS-Fachbuchhandlung«, erklärt Leiter Markus Lemke. »In den vergangenen fünf Jahren haben wir uns aber zu einer Buchhandlung mit allgemeinem Sortiment entwickelt, mit Schwerpunkten bei Belletristik sowie Kinder- und Jugendbuch.« Gießen habe kaum mehr Buchhandlungen, die Rickersche könne hier eine Lücke füllen – »und das neue Konzept funktioniert sehr gut«.

RWS-Literatur ist in der 125 Quadratmeter großen Buchhandlung nur noch in einem Nebenraum präsent: vor allem Literatur für Erstsemester. »Das eigentliche RWS-Geschäft findet heute im Büro statt«, erklärt Geschäftsführer Ralph Kohlheyer: Die Stammkunden rufen in der Regel an, und die bestellten Werke werden mit eigenem Kurier zeitnah ausgeliefert. 

Digitale Angebote, seien es Zeitschriften oder Datenbankzugänge, spielen für die Rickersche kaum eine Rolle. »Die Verlage bemühen sich leider darum, am Fachbuchhändler vorbei direkt zum Kunden zu kommen.« Ganz außen vor bleibt Digitales aber nicht: RWS-Umsatz macht Kohl­heyer vor allem mit Büchern, die zusätzlichen digitalen Content bieten. »Im reinen Jura-Bereich ist der Umsatz konstant geblieben, bei Werken etwa für fachkundige Anwälte und für Richter«, resümiert er. »Stark zurückgegangen sind Lehrangebote. Studierende arbeiten vor allem digital.« 

Neuer Spielraum
Die Herausforderung, die der Geschäftsführer für die Rickersche sieht: die Anwälte, Bibliothekare und Steuerprüfer als Kunden zu halten, die nach wie vor am traditionellen Fachbuch interessiert sind. Aber auch junge Juristen, die zumindest zuweilen analog lesen, will er gewinnen: »Die Herausforderung bleibt, uns umzustellen und anzupassen; in dem zunehmend digitalen RWS-Umfeld Spielraum für uns zu finden.«

Rickersche Universitätsbuchhandlung

Schwerpunkt: RWS-Sortiment und allgemeines Sortiment auf 125 Quadratmetern (gegründet 1832, übernommen 2005)
Inhaber: Die Lernkiste, Gießen
Standort: Gießen
Mitarbeiter: 4
www.rickersche.de

Mehr zum RWS-Buchhandel lesen Sie im Börsenblatt Nr. 48 Spezial Recht, Wirtschaft und Steuern vom 29. November.