Der neue Gesundheitstrend Waldbaden

Ab in die Waldklinik

13. Dezember 2018
von Sabine Schmidt
Jetzt wird gebadet – und zwar unter Bäumen. Denn die Liebe zur Natur und der Dauerbrenner Achtsamkeit verschmelzen zum Trendthema "Waldbaden". Viele Verlage laden zum angeleiteten, heilsamen Verweilen in der Natur ein.

Der Wald wird zum Rückzugsraum – in einer Gegenwart, in der die Menschen immer mehr Zeit vor Bildschirmen verbringen, in Zügen, auf Straßen, zwischen Häuserschluchten und grauen Betonmauern. "Zurück zur Natur" lautet die Devise für alle, die gehetzt, gestresst, depressiv sind. Peter Wohlleben, Förster und Bestsellerautor, hat wesentlich dazu beigetragen, den Waldweg für Leser zu ebnen. Seine Bücher haben die Sehnsucht nach dem Wald aufgenommen und verstärkt. Und jetzt verbindet sich diese Sehnsucht mit einem zentralen Gesundheitsthema der Psyche: Achtsamkeit.

Der neue Trend kommt aus Japan (wo er schon lange bekannt ist), heißt "Shinrin-Yoku", zu Deutsch "Waldbaden" – und bezeichnet mehr als den guten alten Spaziergang. Es geht um den bewussten, entschleunigten Besuch im Wald, um von seinen wohltuenden, ja heilenden Kräften zu profitieren. Die pflanzlichen Botenstoffe in der Waldluft "können den Blutdruck senken, Stress reduzieren und japanischen Studien zufolge bei Krebs und Diabetes helfen", erklärt Jörg Meier in seinem Ratgeber "Im Wald baden. Der Heilpfad zu Glück und Gesundheit" (Knaur MensSana, 192 S., 19,99 Eu­ro). Der Verlag stellt den Autor als ersten deutschen Shinrin-Yoku-Coach vor. "Waldluft ist Medizin zum Einatmen", sagt Meier über die kostenlose und für jedermann zugängliche Waldklinik. Er erklärt, was der Wald für den modernen Menschen tun kann und nimmt die Leser mit auf einen achtsamen Ausflug. Sein Rat: möglichst regelmäßig und gleich für ein paar Stunden im Grünen zu verweilen.

In sein Buch hat er ganz unterschiedliche Übungen aufgenommen. "Warm werden mit der Waldmedizin" heißt eine – einatmen, sich treiben lassen, der Intuition vertrauen, denn: "Heilung zwischen Bäumen geschieht nur, wenn man nichts tut." Eine andere Übung heißt "Die Rückkehr des Frühlings" – den Körper durchschütteln, Anspannungen in den Armen, in den Schultern, im Nacken loslassen. Nur: Was ist daran eigentlich so revolutionär? "Früher wusste jeder intuitiv, dass der Wald Körper und Seele guttut. Neu ist, dass diese heilsame Wirkung jetzt wissenschaftlich belegt ist", sagt Kosmos-Produktmanager Stefan Raps. "Das beeindruckt und überzeugt viele Leser." Darauf setzt auch Waldpädagoge Rainer Schall. "Waldbaden mit allen Sinnen" heißt sein Titel, in dem man zunächst einmal die Bäume kennenlernt, denen man später im Wald begegnet (Kosmos, Februar 2019, 96 S., 10 Euro).

"Wir legen in unseren Büchern eben immer auch einen Schwerpunkt auf die Natur", erklärt Raps den besonderen Akzent bei Kosmos, der über das Spirituelle, Gesundheitsfördernde hinausgeht und zum Verlagsprofil passt. Natürlich gibt auch dieses Buch Tipps zum Waldbaden in freier Natur. Zudem liefert es Übungen und ­Rezepte für zu Hause, etwa Ideen für Räucherstoffe und Heilsalben. "Auch das ist ein Thema, das immer mehr Menschen anspricht", weiß Raps.

Den ersten regionalen Titel zum Trend liefert übrigens die Kosmos-Schwester Belser, neben Kunstbüchern auf Regionalia spezialisiert. In dem Buch "Waldbaden. Orte zum Kraft tanken in Baden-Württemberg" stellt die Autorin Annette Maria Rieger besondere Wald-Kraftorte, die schönsten Waldarten und ihre heilsame Wirkung vor (April 2019, 128 S., 18 Euro). Die beiden Titel aus Stuttgart stehen beispielhaft für eine ganze Wald­baden-Welle, die in den nächsten Monaten in den Buchhandel plätschert – erste Vorboten gab es schon im Frühjahr, etwa "Waldbaden. Das Praxisbuch" bei Christian oder "Waldbaden. Mit der heilenden Kraft der Natur sich selbst neu entdecken" (mvg).  

Dass der Wald aber nicht nur in der warmen Jahreszeit, sondern auch im Winter Kraft- und Heilquelle sein kann, erklärt Ulli Felber in seinem aktuellen Titel "Waldbaden im Jahreskreis" (Schirner, 200 S., 19,95 Euro). Um dem Rhythmus der Natur zu folgen, stellt er jahreszeitliche Übungen vor (etwa die Farben des Herbstes bewusst wahrnehmen) und gibt Informationen zu Festen, Mythen, Bräuchen. Hinzu kommen Rezepte, etwa für eine Rauhnacht-Räuchermischung.

Den Wald als "Teil unserer kulturellen Seele" durchforstet Valentin Kirschgruber in dem Buch "Die Magie des Waldes" (Kailash, 240 S., 15 Euro). Ihm geht es um die Ruhe, die der Wald ausstrahlt, um den Zauber, der die Menschen zu Erzählungen und Märchen angeregt hat. Die Maxime des Autors: "Wer tief in den Wald eintaucht – nicht nur äußerlich, sondern auch geistig –, der wird in ihm einen Lehrer erkennen, der die Antwort auf unsere Nöte kennt."

Wer keinen Wald in der Nähe hat, kann aber auch im Park abschalten oder im eigenen Garten. Anregungen liefert das Buch "Into Nature. 100 kreative Wege, dich mit der Natur zu verbinden", das im Februar 2019 bei Knesebeck erscheint (192 S., 12 Euro). "Das Besondere ist hier der Tagebuch-Charakter", sagt Lektor Marc Schmid über den Titel, der im Geschenkbuch­segment angesiedelt ist. "Leser können eintragen, was für sie wichtig ist, was sie erleben, wenn sie achtsame Streifzüge durch die Natur unternehmen." Klänge zeichnen – so heißt eine der Übungen. Man lauscht der Natur, versucht, ein Geräusch in einer Zeichnung festzuhalten.  Und auch hier bekommt der Leser Tipps für Tage, an denen er nicht nach draußen kann.

"Schon die Imagination kann nachweislich eine positive Wirkung haben, selbst eine Fototapete mit Waldmotiven", weiß Christine Paxmann. Sie hat bereits Anfang 2017 bei BLV einen Ratgeber zum Waldbaden verfasst, als der Begriff in Deutschland noch nicht en vogue war: "Kraftquelle Grün". Jetzt hat sie, aufbauend auf ihren Recherchen, ein neues Buch geschrieben. "Waldlust" (Sanssouci, Februar 2019, 160 S., 14 Euro) ist kein Ratgeber, sondern ein essayistischer Text, in dem sich Paxmann dem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven nähert. Es geht um Waldwirtschaft und Borkenkäfer, aber ebenso um die emotionale Bedeutung von Bäumen, um den Wald als mythischen Ort. "Ich wollte den oberflächlichen Kulissen­charakter hinter mir lassen", sagt sie: "Ich habe mich anregen lassen vom Nature Writing, das Wissenschaft, Geschichte, Literatur zusammenbringt, aber auch poetisch sein kann."

Fest steht: Die Sehnsucht nach Natur ist groß. Das spiegelt sich auf dem Buchmarkt wider. Und vielen Menschen würde es vermutlich guttun, den Stress hinter sich zu lassen, einen Baumstamm zu berühren, bei sich selbst anzukommen. Peter Wohlleben formuliert es in einem aktuellen Beitrag in der "Zeit" auf seine Weise: Waldbaden gebe den Menschen die Erlaubnis, "endlich wieder im Wald herumtrödeln zu dürfen" – statt sich walkend und joggend selbst in der Freizeit auf Hochleistung zu trimmen.


Weitere Buchtipps und Anregungen für den Buchhandel zum Thema Waldbaden finden Sie im aktuellen Börsenblatt-Spezial Gesundheit, Medizin & Bewusstes Leben.