Forderungskatalog für 2019 von Rainer Moritz

Ganz schön anspruchsvoll

2. Januar 2019
von Börsenblatt
Vieles muss besser werden im Jahr 2019. Und einiges von dem, was 2018 war, kann uns getrost gestohlen beleiben. Die traditionellen Forderungen von Rainer Moritz an das neue Jahr.

Zu den beliebtesten Kalendersprüchen zählt der Appell, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Nützen tut das meist wenig, aber da man am Anfang eines Jahres immer noch voller Hoffnung ist, wende ich mich energisch an das noch frische 2019 und fordere es auf, uns mit dem zu verschonen, was uns 2018 vergällt hat. Es muss vieles besser werden.
Konkret verlange ich, dass

  1. Marie-Luise Marjan (alias Mutter Beimer) und ich eine Menschenkette vor dem WDR-Gebäude bilden, um gegen die Einstellung der "Lindenstraße" zu protestieren;
  2. die SPD in den Umfragen wieder zulegt und nicht mehr auf mein Mitleid oder ein Rudolf-Scharping-Comeback angewiesen ist;
  3. Oliver Kahn, Peter Hahne, Tim Mälzer und Dieter Nuhr Ruhe geben;
  4. das Berliner Ministerium für Bildung und Wissenschaft von jemandem übernommen wird, der in seinem früheren Leben schon mal mit Bildung und Wissenschaft zu tun hatte;
  5. der TSV 1860 München in die zweite Liga aufsteigt;
  6. Gerbrand Bakkers demnächst bei Suhrkamp erscheinender Essay "Echte Bäume weinen nicht" dem einen oder anderen Naturbeseelten zu denken gibt;
  7. Gerhard Schröder seinen Altersruhesitz in Russland oder im noch ferneren Korea bei seinen neuen Schwiegereltern nimmt;
  8. es ein Ende hat mit den Forderungen nach Horst Seehofers Rücktritt, weil er spätestens Anfang Februar freiwillig seinen Platz räumt;
  9. ich mir endlich den Namen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin merken kann;
  10. keine neuen Kriminalromanserien mit neuen Ermittlern aus dem Limousin oder dem Béarn erscheinen;
  11. ich endlich begreife, was mir der Thalia-Imperativ "Welt, bleib wach" sagen will;
  12. das Gemaule über Annegret Kramp-Karrenbauers Kostüme aufhört und wir uns stattdessen über Karl Lauterbachs Fliegen oder Anton Hofreiters Frisur ereifern;
  13. die Meisenknödel auf meinem Balkon in der Vogelwelt wieder stärkere Beachtung finden;
  14. die Befürworterinnen von gendergerechter Sprache sich mitunter ein klein wenig mit Grammatik und Wortbildungslehre befassen;
  15. die zunehmende Musikberieselung in Restaurants ein Ende findet, weil ich ansonsten vom Ehezwist am Nachbartisch nur die Hälfte mitbekomme;
  16. in diesen Restaurants auch keine Tortellinis oder Gnocchis angeboten werden;
  17. viele verzichtbare Sängerinnen und Sänger Heino nach­eifern und sich still von der Bühne zurückziehen;
  18. Buchhändlerinnen und Buchhändler ein sorgenfreies Leben haben;
  19. mir jemand erklärt, warum Ursula von der Leyen, die fast mal Bundespräsidentin geworden wäre, nun fast gar nichts mehr wird;
  20. mein Literaturhausbuchhändler Stephan Samtleben mal wieder einen Gedanken an seine Website verschwendet;
  21. für den Deutschen Buchpreis auch Romane infrage kommen, die nicht in China, Argentinien oder auf Teneriffa spielen;
  22. die Redewendung "am Ende des Tages" verschwindet;
  23. Joachim Löw das mit dem Bundestrainerjob sein lässt, sich in südbadischer Abgeschiedenheit viel Zeit nimmt, seine Memoiren zu schreiben, und Jürgen Klopp übernimmt;
  24. Königin Elizabeth II. darüber nachdenkt, dass ihr Charles in Ermangelung anderer beruflicher Alternativen auch gern mal König wäre;
  25. nicht jeder, dem nichts einfällt, eine Ausbildung zum "Coach" macht und damit Geld verdienen möchte;
  26. die Vollbärte bei jungen Männern sehr bald der Vergangenheit angehören;
  27. man es mit der Beweihräucherung der Familie ­Obama nicht übertreibt;
  28. ich damit aufhöre, wenn ein Glas Wein 8,50 Euro kostet, mit schmerzverzerrter Miene den Betrag in Mark umzurechnen;
  29. meine Forderungen wie im letzten Jahr vorrangig behandelt werden, von wem auch immer.