Christine Paxmann über den Ratgeber-Trend Waldbaden

"Alle lieben ihre Wälder - aber die Deutschen ganz besonders"

8. Januar 2019
von Börsenblatt
Woher kommt die neue Liebe zum Wald, die aktuell die Achtsamkeitsratgeber erfasst? Ein Interview mit Autorin Christine Paxmann, die sich dem Thema Wald von vielen Seiten nähert. 

Zum Thema Waldbaden gibt es etliche Neuerscheinungen (mehr dazu hier). Haben Sie eine Erklärung für den neuen Trend auf dem Ratgebermarkt?

Hier fügen sich zwei Trends zu einem Gesundheitsthema zusammen: die Sehnsucht nach der Natur zum einen, Achtsamkeit zum anderen. Insbesondere Peter Wohlleben hat ja die Waldbuch-Welle losgetreten. Dazu kommen andere Wege, die in den Wald führen. Wandern ist eine große Bewegung geworden. Die Natur wird Kindern wieder näher gebracht, zum Beispiel mit "grünen Klassenzimmern", also Unterricht im Wald. Und die Erwachsenen sehnen sich nach Entschleunigung, nach Ruhe, danach, bei sich selbst anzukommen. Das alles hat viel mit der Art zu tun, wie wir leben. Wenn immer mehr Menschen in Städten wohnen, wenn sie unter Stress, Hektik, Druck leiden, dann wächst die Sehnsucht danach, sich im Grünen zu erholen und im Wald abzutauchen. Kurzum: Das "Zurück zur Natur" wird wieder wichtig.

Die Begeisterung für den Wald ist nicht nur hierzulande festzustellen. Peter Wohlleben ist unter anderem auch in Frankreich und in den USA sehr erfolgreich. Stimmt es gar nicht, dass die Deutschen ein besonderes Verhältnis zum Wald haben?

Doch, es stimmt. Hier kommen verschiedene Faktoren zusammen. Dazu gehört die Geschichte, der Teutoburger Wald zum Beispiel: Er wurde nach dem Sieg Hermanns als Wall gegen die Römer gesehen. Aber auch die Literatur spielt eine große Rolle, etwa die Märchen der Brüder Grimm, denken Sie allein an Rotkäppchen. Und insbesondere die Romantiker haben den Wald überhöht, mystifiziert, verzaubert. Andere lieben auch ihre Wälder, aber die Deutschen ganz besonders.

Der neue Trend Waldduschen oder Waldbaden kommt aber gar nicht aus Deutschland...

Die Wurzeln liegen in Japan. "Shinrin-Yoku", wie es dort heißt, ist schon sehr alt und wurde in den 1950er Jahren wiederentdeckt: als einfache und günstige Möglichkeit, Resilienz und Selbstheilungskräfte zu stärken.

Kann der Wald das wirklich leisten?

Forscher haben jetzt nachgewiesen, dass das kein Humbug ist. Es stimmt tatsächlich, was Wanderfans und Waldenthusiasten schon längst intuitiv gewusst haben: Der Wald tut Körper und Seele gut, unter anderem dank der Terpene, den Botenstoffen der Bäume.

Im kulinarischen Buch-Bereich ist ein interessantes Phänomen zu beobachten: Je weniger selbst gekocht wird, desto wichtiger werden Rezeptbücher. Ist das beim Waldbaden auch so – wird eher in Büchern geblättert als wirklich ins Grüne zu gehen?

Sicherlich wird mancher auf der Couch sitzen bleiben. Allerdings haben Wissenschaftler festgestellt, dass selbst das Beobachten einer Fototapete mit Waldmotiven wirkt: Schon die Imagination stärkt die Selbstheilungskräfte.

Sie selbst haben sich auch imaginativ mit dem Wald befasst. Ihr neues Buch "Waldlust", das im Februar bei Sanssouci erscheint, ist kein Ratgeber, vielmehr ein essayistischer Text, in dem Sie den Wald von verschiedenen Seiten beleuchten. Wie sind Sie zu dieser Form gekommen?

Ich habe mich anregen lassen vom Nature Writing, das Wissenschaft, Geschichte, Literatur zusammenbringt, aber auch poetisch sein kann. Das Buch befasst sich mit dem Wald als Wirtschaftsfaktor, mit der Jagd, mit Borkenkäfern. Aber auch mit dem, was der Wald emotional bedeutet, damit, wie Literatur mit ihm umgeht, mit dem Wald als mythischem Ort. Ich wollte weg von der Bambi-Romantik, weg vom oberflächlichen, faktenlosen am Waldrand-Streifen, das nicht genau hinschauen mag - und zugleich wollte ich den Märchenwald nicht verlieren.

Zur Person:

Christine Paxmann hat Grafik-Design und Germanistik studiert, sie war Programmleiterin in diversen Verlagen. Heute hat sie eine Packaging-Agentur in München. Neben Kinder- und Jugendbüchern schreibt sie Sachbücher und Romane für Erwachsene.