Zum Tod von Buchhändler Dieter Heinrich

Buchhändler, Chef, Mensch, Freund

11. Januar 2019
von Börsenblatt
Wie erst in dieser Woche bekannt wurde, ist der saarländische Buchhändler Dieter Heinrich (Bock & Seip) an Heiligabend im Alter von 80 Jahren gestorben. Ein Nachruf von Klaus Feld, der lange die Geschäfte im Landesverband Saar des Börsenvereins geführt hat - unter dem Vorsitz von Dieter Heinrich.

"Ich mag keine Krimis mehr lesen, es gibt doch so viele andere gute Bücher" bekannte der Buchhändler Dieter Heinrich bei meinem Besuch Ende November 2018 in seinem Haus in Saarbrücken. Bei einem Sturz hatte er sich schwer am Knie verletzt. Das Bein war komplett geschient und er konnte sich nur sehr eingeschränkt bewegen. So machte er aus der Not eine Tugend, zog seine turnusmäßigen Lesewochen vor und las sich bereits in die Frühjahrsnovitäten ein.

Das Ergebnis dieser Lesewochen war für mich immer ein Genuss. Auf den gemeinsamen Fahrten zu den Sitzungstagen des Börsenvereins in Frankfurt erfuhr ich dann aus erster Hand, welche aktuellen Bücher sein Gefallen gefunden hatten. Seine Interessen gingen dabei querbeet, wobei ich schon eine gewisse Vorliebe für Biographien und Sachbücher heraushörte.

Seine Begeisterung für Bücher und seine Belesenheit waren ihm in die Wiege gelegt. Bereits unter seinem Vater hatte sich der Fokus der traditionsreichen Buchhandlung Bock & Seip in Saarbrücken infolge der Gründung der Universität nach dem Zweiten Weltkrieg im damals autonomen Saarland hin zu den Wissenschaften verlagert.

Folgerichtig absolvierte Dieter Heinrich eine Ausbildung bei einer Universitätsbuchhandlung in Erlangen, wo er seine bereits 1999 verstorbene Frau Ellen Groth kennenlernte. 1962 trat er in das väterliche Geschäft ein. Mit einem neuen Taschenbuchladen griff er einen damals neuen Trend auf und brachte seine ersten unternehmerischen Ideen in das seit 1872 bestehende Unternehmen ein.

Ein Gespür für den Markt und neue Konzepte

Diesen Ansatz, erfolgversprechende Laden- und Verkaufskonzepte in der eigenen Buchhandlung auszuprobieren, behielt er auch bei, als er in den 70er Jahren die Leitung der Firma gemeinsam mit seiner Frau übernahm. So reagierten beide nach der Eröffnung einer Großflächenbuchhandlung in Saarbrücken mit der Übernahme der Buchhandlung Regler mit ihren beiden Standorten in Saarlouis und Merzig auf die veränderte Marktlage.

Zur Tradition von Bock & Seip gehörte auch, sich als Inhaber ehrenamtlich für Kolleginnen und Kollegen in der Branche zu engagieren. Dieter Heinrich gehörte von 1967 bis 2012 dem Vorstand des bis dahin selbständigen Landesverbandes Saarland an. Von 1979 bis 1998 war er dessen Vorsitzender.

Den Landesverband vertrat er zusätzlich in den Gremien des Bundesverbandes, insbesondere im Sortimenterausschuss und in der Abgeordnetenversammlung. Der Börsenverein ehrte ihn dafür 1999 mit der Verleihung der Goldenen Nadel. Zudem war er viele Jahre im Prüfungsausschuss der IHK mit der Förderung des beruflichen Nachwuchses befasst.

Im Nachruf der Belegschaft wird er treffend charakterisiert: Buchhändler, Chef, Mensch, Freund. So habe auch ich ihn in der langen Zeit der Zusammenarbeit erlebt. Als Geschäftsführer des Landesverbandes habe ich bei ihm gewissermaßen nebenbei eine Buchhandelsausbildung erfahren.

Ein gegenseitiges Geben und Nehmen

Die Arbeit und die Mitgliedschaft im Landesverband war für ihn eine Herzensangelegenheit. Sie war geprägt von gegenseitigem Geben und Nehmen. In buchhändlerischen Fachfragen konnte ich immer seinen Rat einholen. Andererseits bediente er sich gerne in allen Problemen, die über sein Tagesgeschäft hinausgingen, der Kompetenz des Landesverbandes, weil es ihm Zeit und Arbeit sparte. Er wusste, dass der Nutzen der Mitgliedschaft durch die Inanspruchnahme der Leistungen des Verbandes entsteht.

Wie er es von seinem Vater gelernt hatte, übertrug er seit 1999 mehr und mehr Verantwortung in der Führung der Buchhandlungen seiner Tochter, der Buchhändlerin und Betriebswirtin Dörte Heinrich. Die fünf Enkelkinder von seinen drei Töchtern dankten es ihm mit großer Anhänglichkeit, dass er sich nun mehr Zeit für sie nahm.

Dass der Krankenbesuch im November mein letzter Kontakt mit Dieter Heinrich sein sollte, war damals nicht abzusehen. Sein schneller und unerwarteter Tod war auf eine nicht erkannte Krankheit zurückzuführen. Jetzt schaue ich mit großer Dankbarkeit zurück auf über 35 Jahre vertrauensvolle und freundschaftliche Zusammenarbeit mit einem liebenswerten Menschen.