Antiquariat

"Prall gedeckter Tisch"

14. Januar 2019
von Börsenblatt
Am 25. Januar beginnt die dreitägige Stuttgarter Antiquariatsmesse, die älteste und wichtigste Veranstaltung dieser Art im deutschsprachigen Raum. Ein Gespräch mit Peter Fritzen, Trier.

Peter Fritzen ist Antiquar und Grafikhändler in Trier (siehe hier) und seit Januar 2018 stellvertretender Vorsitzender des Verbands Deutscher Antiquare. Dem Vorstand des Verbands gehört Fritzen seit Januar 2016 an, zunächst als Beisitzer.

Was erwartet Besucher in diesem Jahr in Stuttgart?

Peter Fritzen: Auf der Stuttgarter Antiquariatsmesse werden sich 71 Aussteller aus sechs Ländern mit ihrem hochwertigen Angebot präsentieren. Wir haben, was die Ausstellerzahl in Stuttgart angeht, 2019 den Turnaround gegenüber 2018 geschafft. Es gibt außerdem eine thematisch sehr aktuelle und spannende Ausstellung in Kooperation mit der Brasilien-Bibliothek der Robert Bosch GmbH, die sich der deutschen Auswanderung nach Brasilien im 19. Jahrhundert widmet. Der Ausstellungskatalog ist diesmal keine separate Publikation, sondern Teil des Verbandshandbuchs 2019/2020, das soeben erschienen ist.

Gibt es Neuerungen in Stuttgart?

Die Messe wird erst um 12 Uhr, also eine Stunde später eröffnet, weil wir die Mitgliederversammlung des Verbands auf den Freitagvormittag gelegt haben. Am Freitagabend laden wir alle Interessierten zu einer Veranstaltung mit Roland Paul zum Thema der Brasilien-Ausstellung ein. Nicht mehr ganz neu ist die Unterbringung der Cafeteria innerhalb des Kunstgebäudes (und nicht in einem angebauten Zelt) – das war 2018 auch schon so.

Welche Bedeutung hat der Messekatalog für den Erfolg der Veranstaltung?

Über den Stellenwert des Messekatalogs hat der Vorstand des Verbands intensiv diskutiert. Es gibt ja erfolgreiche internationale Messen, die entweder gar keinen Katalog haben oder nur eine abgespeckte Katalogversion, die zum Beispiel "Highlights" zusammenfasst. Klar ist, dass sich mit dem eventuellen Verzicht auf einen Katalog die Teilnahmekosten der Stuttgarter Antiquariatsmesse deutlich reduzieren ließen. Andererseits erwarten die Stuttgarter Messebesucher einen Katalog, er gehört zur Tradition der Veranstaltung. Bibliothekare, mit denen ich über das Thema gesprochen habe, benötigen ihn schlicht zur Vorbereitung eines Messebesuchs. Neu ist übrigens in diesem Jahr, dass Aussteller zwei Doppelseiten im Katalog buchen können, bislang war das ja strikt auf eine Doppelseite beschränkt. Immerhin 16 Aussteller sind im Messekatalog jetzt mit zwei Doppelseiten vertreten.

Wie sehen Sie die Online-Nachträge, die es 2019 zum zweiten Mal gibt?

Diese Nachträge (siehe hier), an denen sich Stand heute etwa ein Viertel der Aussteller beteiligt, gehören zum Ansatz, die Messe stetig weiterzuentwickeln und überall dort, wo das sinnvoll und möglich ist, Feinjustierungen vorzunehmen oder Neuerungen auszuprobieren. Allerdings vermute ich persönlich, dass sich eher die Buchung mehrerer Doppelseiten im gedruckten Katalog durchsetzen wird, der Vorteil der Online-Nachträge also nicht allzu groß ist.

Ist die Dauer der Stuttgarter Antiquariatsmesse derzeit ein Thema?

Diese kommt gelegentlich aus dem Kreis der Aussteller auf, im Augenblick ist eine Verkürzung der Messe um einen Tag aber kein Thema. Welcher Tag sollte das sein? Die Grafikhändler schwören mit guten Argumenten auf den Sonntag. Der Freitag ist für diejenigen wichtig, die etwa Bibliothekare als Kunden haben, die am Wochenende nicht kommen. Und dann gibt es ja auch noch den Ludwigsburg-Zusammenhang, den die Stuttgarter Öffnungszeiten berühren. Die Ludwigsburger Messe ist, da muss man gar nicht um den heißen Brei herumreden, für Stuttgart ganz wichtig. Und umgekehrt. Erst in der Verbindung beider Veranstaltungen lohnt es sich für manchen Fachbesucher aus dem Ausland, ins Flugzeug zu steigen.

Wir haben als Vorstand zu solchen Fragen auch schon externen Sachverstand eingeholt und kritische Mitglieder, die nicht im Vorstand sind, zu Vorstandssitzungen eingeladen, um mit ihnen über bestimmte Themen zu reden. Unter dem Strich gilt dasselbe wie beim Katalog und den Online-Nachträgen: Wir versuchen jedes Jahr, die Stuttgarter Antiquariatsmesse zu optimieren und kleine Mängel abzustellen, damit es eine schöne Messe bleibt.

Und der Veranstaltungsort Kunstverein?

Im Kunstgebäude am Schlossplatz bekommen wir 70 bis 80 Ausstellerinnen und Aussteller gut unter. 2019 haben wir 71 Aussteller – es wird vielleicht kleine Ausschläge nach oben oder unten geben, aber Platzprobleme halte ich für unwahrscheinlich. Der Vorstand hat sich trotzdem andere Räumlichkeiten im Stuttgarter Raum genau angesehen und über Termine, Mieten usw. verhandelt. Es gibt aber aus unserer Sicht keine adäquate Alternative. Wir stehen als Vorstand dazu, dass der Württembergische Kunstverein einen schönen Saal hat, und wir werden die Messe dort fortsetzen. Das ist ein gewachsener Organismus, der jetzt viele Jahrzehnte alt ist. Immerhin findet die Messe seit 1973 am selben Ort statt.

In der Anmeldung für die Stuttgarter Messe versichern Ausstellern, nicht "an einer zeitgleichen Antiquariatsmesse in Baden-Württemberg" teilzunehmen. Was ist der Hintergrund dieser Klausel?

Den genauen historischen Hintergrund dieser Klausel kenne ich nicht, mir leuchtet die Regelung aber ein. Es könnte ja sonst leicht der Eindruck entstehen, ein Aussteller präsentierte auf der einen Messe seine A-Ware, auf der anderen sein B-Angebot. Das fände ich unkollegial und auch für die Besucherinnen und Besucher der Messen nicht sinnvoll.

Die Amsterdamer Messe scheint davon zu profitieren, dass Amsterdam 2020 Kongress und Messe der ILAB austrägt; ein Zukunftsmodell auch für Stuttgart?

ILAB-Kongress und -Messe finden ja alle zwei Jahre im Herbst statt. Insofern wäre es schon aus grundsätzlichen terminlichen Gründen schwierig, die Stuttgarter Messe im Januar als Rahmen für eine solche Veranstaltung zu nutzen; auch wegen der Nähe der kalifornischen Messe. Der Vorstand hat über die Frage diskutiert, bislang gibt es allerdings keine konkreten Überlegungen dazu. Aktuell steht für die ILAB erst einmal die Vorbereitung auf Amsterdam 2020 an.

Was sagen Sie Kollegen, die 2019 weder in Ludwigsburg noch in Stuttgart ausstellen und angeben, über eine Fahrt dorthin als Fachbesucher noch einmal nachdenken zu müssen?

Die beiden Messen bieten einen prall gedeckten Tisch mit Spezialitäten aus aller Welt. Wer diesen Tisch nicht aufsuchen will, ist entweder satt oder hat überhaupt keine Lust mehr … Wer dagegen noch Hunger hat, der soll nach Stuttgart und Ludwigsburg gehen! Nirgendwo sonst in Deutschland kann man so viele konzentrierte haptische Bücher- und Grafikeindrücke sammeln wie auf diesen beiden Antiquariatsmessen.

Fragen: Björn Biester