Coach und Beraterin Ellen Braun und LD-Herausgeber Matthias Koeffler stellten am 24. Januar auf der future!publish-Konferenz in Berlin die Ergebnisse der Umfrage vor, die sie gemeinsam durchgeführt hatten. Auch in seinem Newsletter "Langendorfs Dienst" präsentiert Koeffler diese. An der Umfrage haben sich danach 14 unabhängige Buchhandlungen (keine Filialisten) mit Ladengrößen ziwschen 100 und 2.000 Quadratmetern beteiligt. "Damit erreichen wir keine repräsentativen Ergebnisse, aber wir erhalten ein Stimmungsbild, das ziemlich eindeutig ist", so Koeffler.
Bisher seien Veranstaltungen vor Ort ein Mittel des Marketings gewesen, jetzt würden diese weiter in den Mittelpunkt des Kerngeschäfts der Buchhandlung rücken, die Kuratorin, Entdeckerin und Literaturvermittlerin vor Ort sei. Neu dabei die Frage, welche Folgen diese Praxis habe − etwa für die Kosten- und Erlössituation sowie die Zusammenarbeit zwischen Buchhandlungen und Verlagen.
Kaum einer kenne die genauen Kosten, fasst Koeffler die Umfrageergebnisse in "Langendorfs Dienst" zusammen: "Sie lassen sich allenfalls hochrechnen. Die Buchhandlungen müssen diese weitgehend allein stemmen. Wenn sie Unterstützung haben wollen, müssen sie meistens betteln. Und der Schluss liegt nahe: Weil die wenigsten wissen, wie hoch die Kosten wirklich sind, wissen sie auch nicht, wie diese dann wieder hereinkommen."
Ergebnisse der Umfrage: Wie finanzieren sich Veranstaltungen vor Ort?
- Anzahl der Veranstaltungen: Hier reicht die Spanne von 2 bis 200 Veranstalungen pro Jahr; fünf der 14 teilnehmenden Buchhandlungen organisieren mehr als 60 im Jahr. Eine Antwort: "Wir haben im Jahr 2017 ca. 60 Veranstaltungen durchgeführt. Neben 20 klassischen Lesungen Veranstaltungen für Kinder, z.B. Vorlesestunden, Bilderbuchkino, Kindertheater, Schulklassenbesuche in der Buchhandlung und Lesungen in Schulen. Des Weiteren Ausstellungen, Museumsfahrten, Bücherfrühstück, Poetry Slam und Veranstaltungen mit dem örtlichen Kino."
- Und die Kosten? Zwei Buchhandlungen hätten gesagt: "Haben wir nicht erfasst", fünf machten Circa-Angaben, so Koeffler. Nur zwei hätten Angaben inkl. Personalkosten machen können. Acht der 14 Buchhandlungen würden bis 10.000 Euro im Jahr ausgeben; drei über 10.000 Euro.
Eine Antwort, die Koeffler zitiert: "Wir haben an Honoraren inkl. KSK [Künstlersozialkasse] und Spesen (Fahrtkosten, Übernachtung, Bewirtung) ca. 23.000.-€ aufgewendet. Hinzu kommen ca. 700 Stunden für Vorbereitung, Werbung und Veranstaltungsdurchführung mit 22.-€ pro Stunde. (Anm. d. LD-Red. = 15.400 €) Unsere Werbeaufwendungen liegen etwa bei 2.500.-€."
Die Buchhandlung mit den höchsten Ausgaben (inkl. Honorar, Mieten und Bewirtung) sei auf circa 82.500 Euro im Jahr gekommen.
- Eine Profit-Center-Rechnung für jede Veranstaltung machen nur drei der 14 Buchhandlungen.
- Was würde eine Veranstaltung kosten, wenn Sie alles reinrechneten? Hier machten fünf Buchhandlungen Angaben zwischen 1.000 bis 2.000 Euro pro Veranstaltung. Zwei erklärten: "50 % mehr als das, was wir den Kunden als Ticketpreis zumuten können".
Unterstützung durch Verlage
Von Verlagen wünschen sich die teilnehmenden Buchhandlungen laut Umfrage:
- 2 von 14: Informationen über Lesereisen und Angebote von Vertreterinnen und Vertretern
- 7 von 14: Unterstützung bei der Presse- und Social-Media-Arbeit
- 5 von 14: Freiexemplare für die Lesungen (100 Prozent Rabatt)
- 7 von 14 (50 Prozent): größere Beteiligung an den Kosten, meist an den Autorenhonoraren (bezahlbare Promis und mehr Unterstützung für Debütantinnen und Debütanten durch die Verlage)
Und zwei Buchhandlungen hätten sich gewünscht, dass Verlage "die Autoren fitmachen" − damit diese einen "attraktiven Abend gestalten können".
Als Fazit rät Koeffler den Buchhandlungen etwa, die Kosten genauer aufzuschlüsseln. Und: "Verlage und Buchhandlungen müssen miteinander reden, wie sich dieses Engagement finanzieren lässt."
Und natürlich ist es schön, wenn Verlage uns dabei helfen, Veranstaltungen vorzubereiten, durchzuführen und nachzubereiten. Viele Verlage sind hier sehr aktiv. Sicher gibt es noch Luft nach oben, was die Vorbereitung der AutorInnen auf ihre Lesungen anbelangt. Zum Glück wächst eine sehr selbstbewusste Generation von AutorInnen nach, die oftmals scharf darauf sind, Bühnen für sich zu erobern und es lieben, mit Publikum in Kontakt zu kommen. Aber es gibt immer noch die eher verdrucksten, vorleseunfähigen ZeitgenossInnen, deren Besuch niemandem etwas bringt: weder dem Verlag, noch dem Publikum, nicht dem Buchhändler und nicht dem Buch. Davon sollten dann alle Abstand nehmen. In erster Linie natürlich der Verlag, der im eigenen Interesse die VorleserInnen coachen sollte (oder ihnen zumindest empfehlen sollte, das in Anspruch zu nehmen). Ein Lesungsbesucher, der sich langweilt ist gleichzeitig eine verpasste Chance.
Ein anderer Wunsch meinerseits an die Verlage ist, dass uns gut tun würde, wenn die Honorare nicht weiter steigen. Mir ist nicht bekannt, was der Auslöser in den vergangenen Jahren dafür war, dass die Honorare angestiegen sind - manchmal erheblich. Vielleicht hat das damit zu tun, dass die Literaturhäuser über Etats verfügen, die Buchhandlungen in der Regel nicht zur Verfügung steht...
Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn die Verlage uns veranstaltende Buchhandlungen hätscheln und wohl versorgen. Wir lohnen es ihnen mit einem begeisterungsfähigen Publikum, AutorInnen, die gerne wieder zu uns kommen, Pressearbeit vom Feinsten und - nach Möglichkeit - guten Umsätzen.
Zwischen Verlage und Buchhandlungen sollte kein Blatt Papier passen. Ohne die hervorragende Arbeit von Verlagen, ohne deren Risikobereitschaft, ohne deren Innovationsbereitschaft wären wir Buchhandlungen nichts! Und was wären die Verlage ohne die kleinen und großen Buchhandlungen mit ihren individuellen Geistern vor und hinter dem Tresen: bestens vernetzt, engagiert im face-to-face-Beratungsgespräch, einfallsreich im Erfinden immer neuer Verkaufsformate und mit den tollsten Bühnen für - genau: die AutorInnen!
Wir wissen, was für ein Aufwand das Ganze auch für Buchhandlungen ist, wie schlecht sich das »rechnen« lässt, und können somit die Bitte um Unterstützung gut verstehen. Allerdings geht sie eben leider an der Realität für uns als (»kleiner«) Verlag vorbei, für die wir um Verständnis werben möchten:
Wir organisieren für unsere Autor*innen 150-250 Veranstaltungen im Jahr – und damit mehr als jede Buchhandlung. Das ist nur zu schaffen, indem eine von uns fünf Personen im Verlag den Großteil ihrer Arbeitszeit mit der Organisation von Veranstaltung beschäftigt ist. Was auch dadurch zustande kommt, dass immer mehr Veranstalter, so haben wir den Eindruck (und meinen dabei nicht nur Buchhandlungen), mehr und mehr Organisation, die eigentlich ihre Sache wäre, an den Verlag auslagern – bis hin zur Auswahl von zu lesenden Passagen (!!). Zudem übernehmen wir selbst bei vielen Veranstaltungen Moderation, Lesen oder Dolmetschen, um den Veranstalter zu entlasten. Wir können – über diesen schon sehr großen Aufwand hinaus – unmöglich eine nennenswerten Anteil unserer Veranstaltungen auch noch mitfinanzieren! Das mag bei großen Verlagen anders sein – dafür muss bei uns aber auch keine Buchhandlung überzogene Honorarforderungen befürchten.
Bei den Honoraren für Autor*innen berücksichtigen wir immer die Möglichkeiten der Veranstalter vor Ort. Natürlich kann ein großes Festival mehr zahlen als eine Kleinstadtbuchhandlung. Dennoch sollte das Honorar immer auch für den Autor zumutbar sein, sollte seiner künstlerischen Leistung und seinem Aufwand angemessen sein. Viele unserer Autor*innen nehmen auch geringe Honorare in Kauf, damit sich Veranstaltungen realisieren lassen, wofür wir und der Buchhandel ihnen sehr dankbar sein können.
Wir finden es wichtig, hier im konstruktiven Gespräch zu sein über gegenseitige Erwartungen und Möglichkeiten. (Vielleicht könnte auch eine Umfrage unter Verlagen zu dem Thema zur Verständigung hilfreich sein.)
Wie schon in den vorigen Kommentaren betont wurde, ziehen wir ja letztlich alle an einem Strang und sollten dies auch weiterhin tun!
Die – sehr verständliche – Bitte von Buchhandlungen um finanzielle Unterstützung bei der Veranstaltungsorganisation wäre doch im Übrigen eigentlich am besten aufgehoben bei der (öffentlichen) Kulturförderung. Hier ist – trotz Buchhandlungspreis – noch viel Luft nach oben, was die Wertschätzung des Buchhandels- und Verlagswesens für die kulturelle Vielfalt und Lebendigkeit angeht, die es zu erhalten gilt – eben auch mittels der nötigen finanziellen Unterstützung.
Darum sollten Buchhandlungen als mehr angesehen werden, als nur "Geschäfte". Wir sind nicht nur Einzelhandel, sondern erfüllen viele Aufgaben, die auch Literaturhäuser erfüllen. Nur das wir von der Marge unserer Produktverkäufe leben müssen.
Darum wäre es vielleicht klug, wenn veranstaltende Buchhandlungen gleichzeitig gemeinnützige Vereine gründen würden, die dann Fördergelder beantragen können. Dass dafür in den Buchhandlungen keine ganzen Stellen geschafffen werden können, ist klar. Das gibt der Markt nicht her. Vereinfachte bürokratische Strukturen, die Antragsprosa nicht zum kafkaesken Erlebnis werden lassen, wären da ein Anfang.
Monika Grütters Engagement für den stationären Buchhandel in allen Ehren, der Buchhandelspreis als Förderinstrument ist extrem wichtig. Ich wünschte mir als Veranstalter jedoch, dass ich nicht bei Verlagen betteln muss, damit wir gemeinsam wenigstens kleine Honare zahlen können. Die meisten interessanten Verlage haben dafür nämlich auch kaum Budget.