Lieblingsbuchhandlung: Katharina Adler über Literatur Moths in München

Bibliophile Terrarien

31. Januar 2019
von Börsenblatt
Eine Hymne auf die Buchhandlung Literatur Moths in München von der Autorin Katharina Adler.

Literatur Moths! Diese Buchhandlung muss man mit einem Ausrufezeichen einführen. Denn sie scheut nicht den großen Auftritt. Das fängt schon auf der Straße an. Die beiden Schaufenster: bibliophile Terrarien. Ganz eigene Welten werden hier rund um Lektüren angelegt – oder gern mal Kunst und Buch wie zwei schöne wilde Bestien aufeinander losgelassen. Vor den Schaufenstern darf man dann aber natürlich nicht haltmachen. Es bedarf einer gewissen Standhaftigkeit, den Laden nicht mit ganzen Bücherstapeln wieder zu verlassen. Literatur Moths versteht es viel zu gut, ungeahnte Gelüste zu wecken.

Das liegt natürlich immer an den Büchern selbst, aber vielleicht hilft schon die ausgeklügelte Einrichtung, auf einen Band aufmerksam zu werden, den man sonst übersehen hätte. Maßgefertigte Regale sind wie Bühnen angelegt, auf denen die Bücher in Szene gesetzt werden. Dazu schimmert die Beleuchtung durch eine Konstruktion von Holzstreben und Plexiglas. Und vorne am Eingang stehen alte Kinosessel; von hier aus lässt sich der Büchertisch mit den Romanneuheiten gut studieren, man bekommt einen Ausblick auf das Lyrikregal, das neben Etabliertem geheftete Gedichtzyklen in Kleinauflagen bereithält. Abgesehen von diesen ausgesuchten Heften, einer kleiner Auswahl an Taschenbüchern und einigen Graphic Novels im Fanzine-Format bekennt sich Literatur Moths zum Hardcover. Eine Spezialität sind dabei die Sonderausgaben – Literaturklassiker in liebevoll gestalteten Gewändern.

Das Verkaufsträchtige steht bei Literatur Moths auch bereit. Im hinteren Kabinett geht es dabei spielerisch zu. Neben den Kochbüchern steht eine Ginflasche, eine Kühltasche oder eine Butterbrotdose, passend zum jeweiligen Kulinarikband. Papeterieartikel, Zierstempel: Solche Dinge gibt es da auch, sie stellen aber die Ernsthaftigkeit, die vorne im Laden herrscht, nicht infrage. Inhalte trumpfen immer, trotz aller Liebe zur Ästhetik.

Das zeigt die durchdachte, ja mitunter strenge Auswahl, und das wird auch bei den Gesprächen deutlich, die Inhaberin Regina Moths oder Jacqueline Donié gern mit allen, die es wünschen, führen. Ich muss zugeben, ich mache mich lieber selbst auf die Suche. Doch obwohl ich eher im Stillen stöbere, so ist absolut klar: Wenn es um Bücher geht, ist hier Zeit bis in alle Ewigkeit, ja sogar bis nach Ladenschluss. Dann machen die Regale, die auf Rollen stehen, oft Platz für Lesungen. Manchmal meint man sie noch zu spüren, die Gäste eines vergangenen Abends, es ist ein Ort, an dem es lebendig und hochkonzentriert zugleich zugehen kann.

Literatur Moths. Anfangs habe ich "Moths" falsch ausgesprochen, nämlich wie die englische "Motte". Längst bin ich eines Besseren belehrt, so ganz mag ich mich davon aber nicht verabschieden. Eine gewisse Schönheit liegt für mich in dem Fehler – die Vorstellung, dass in dieser Buchhandlung alle Bücher und ihre Inhalte so zum Leuchten gebracht werden, dass man immer wieder dort hinschwirren muss – wie die Motten zum Licht.

Katharina Adler wurde 1980 in München geboren, wo sie nach Stationen in Leipzig und Berlin heute wieder lebt. 2018 erschien ihr schon als Manuskript ausgezeichneter Debütroman "Ida" (Rowohlt) und gelangte sogleich auf die Bestsellerlisten.