Jahrestagung der IG Unabhängige Verlage

"Wo ist der Barcode - und ist er eigentlich gut lesbar?"

15. Februar 2019
von Börsenblatt
Ein Buchladen nur mit Indie-Büchern? Was kostet ein Meter Büchertisch? Warum kein Samstagsverkauf auf der Frankfurter Buchmesse? Am zweiten Tag der Jahrestagung der IG Unabhängige Verlage (IGUV) diskutierten die knapp 60 Teilnehmer im Frankfurter Haus des Buches u.a. um eigene Buchhandlungen von Indie-Verlagen, die Buch Berlin und die Teilnahme an Buchmessen.

Shakespeares Enkel mit Lerneffekten

"Welche Alternativen gibt es in einem Markt, dessen Konzentrationsprozess weiter fortschreitet?", fragte Björn Bedey, Verleger von Bedey Media und im Vorstand der IGUV, und stellte ein Pilotprojekt vor: Shakespeares Enkel. Es ist eine Stadtteilbuchhandlung als Vollsortiment mit Barsortimentsanbindung (Umbreit), die ausschließlich Bücher von aktuell 42 Independent-Verlagen in ihren Regalen stehen hat - mehr waren nicht unterzukriegen. Auf einer Warteliste stehen weiter Verlage, die mit von der Partie sein wollen. Gerne hätte Bedey die Buchhandlung als Genossenschaft gegründe, aber das sei ein recht kompliziertes Konstrukt, so dass es jetzt eine GbR ist, die von vier Indie-Verlagen getragen wird: salomo publishing (Dresden), Lysandra Books Verlag (Dresden und Leipzig), Edition Roter Drache (Remda-Teichel) und Acabus (Hamburg).

Seit der Eröffnung am 25. August 2018  in der Nähe des Dresdner Zwingers wird die Buchhandlung jede Woche von einem anderen Verlag betreut: "Das funktioniert", resümierte Bedey. Öffnungszeiten sind Mittwoch bis Samstag von 15 bis 19 Uhr: "In dieser Zeit kommen die Leute im Viertel von der Arbeit nach Hause und in unseren Laden; ebenso fänden auch erstaunlich viele Interessierte den Weg, die von weiter her kämen, um in den Programmen der Indie-Verlage zu stöbern. Die Verleger sammeln bislang viele Erfahrungen von der Registrierkasse bis zur Frage: "Wo ist der Barcode - und ist er eigentlich gut lesbar?" "Meine Achtung vor dem Buchhändler-Beruf ist seitdem beachtlich gestiegen". Das Konzept solle jedoch nicht nur in Dresden, sondern auch an anderen Orten stattfinden; in der Weihnachtszeit wurde in Meißen ein Pop-up-Store eröffnet.

Steffi Bieber-Geske vom 2010 gegründeten Biber & Butzemann Verlag, die Shakespeares Enkel turnusgemäß für eine Woche betrieben hat, könnte sich solch einen Indie-Buchladen auch am Berliner Stadtrand vorstellen. Sie spricht von insgesamt guten Erfahrungen: "In Dresden hatten wir ein kleines Minus, in Meißen ein großes Plus. Schön ist, dass die Kunden im Durchschnitt drei Bücher kaufen." Auch Buchhändlerin Katrin Röttgen als Vertreterin der IG Unabhängige Sortimente (IGUS) sah das Pilotprojekt positiv: "Letztlich profitieren auch wir Buchhändlerinnen von Euren Erfahrungen - und wir brauchen nicht mehr länger nach dem Barcode suchen ..."

Treffpunkt für Familien

Bieber-Geske berichtete auch von der nach ihren Angaben drittgrößten Buchmesse in Deutschland, der Buch Berlin. Rund 5000 Besucher seien am 24. und 25. November 2018 ins Mercure Hotel Berlin-Moabit gekommen, wo 250 Aussteller ihre Waren präsentierten. "Mehr Aussteller gingen nicht, wir haben noch eine Warteliste", so Bieber-Geske. Insbesondere die Nachfrage von Selfpublishern sei groß, aber mehr als 30 Prozent wären zu viel, hatten die Veranstalter festgestellt. Dieses Jahr wird das Hotel noch größere Räumlichkeiten bereitstellen, in Hotelsuiten sollen Lesungen mit Wohnzimmercharakter stattfinden. "Die Messe hat familiären Charakter, jeder Verlag kann seinen Büchertisch (1 Meter = 116 Euro) individuell gestalten". Es sei ein Treffpunkt im Vorweihnachtsgeschäft, bei dem sich die Besucher inzwischen gezielt mit Weihnachtsgeschenken eindeckten. "Vor allem Fantasy geht bombastisch." Der Verein Bücherzauber, der die Buchmesse organisiert, arbeitet bislang ehrenamtlich mit Minijobbern, dieses Jahr will man mithilfe von EU-Fördergeldern eine Mitarbeiterin bezahlen können. Zudem werden von 14. bis 16. Juni für die junge Zielgruppe die Buch Berlin Kids stattfinden.

Bücherverkauf in Frankfurt und Buchhandlungsbusse

Auch über die Leipziger und die Frankfurter Buchmesse diskutierten die knapp 60 Teilnehmer der Tagung, vor allem über den Bücherverkauf. "In Leipzig gibt es viele kleine Verlage, weil sie dort Bücher verkaufen können - so können wir die Standkosten refinanzieren" sagte Björn Bedey. In Frankfurt ginge das nur am Sonntag "- aber warum nur an einem der beiden Publikumstage Bücher verkauft werden dürfen, das verstehen die Leute nicht." Die meisten Käufe seine Impulskäufe, "die sind am Montag weg, die gehen uns dann ganz verloren". Bedey ging auf die logistischen Probleme großer Verlage ein, die dann nicht wüssten, wohin mit ihren Paletten - "aber es geht uns hier ja nicht um ein Verkaufen-Müssen, sondern um ein Verkaufen-Dürfen." Katrin Röttgen von der IG Unabhängige Sortimente erklärte, dass sie selbst getätigte Impulskäufe besser finde als wenn Bestellungen gleich mit dem Smartphone online getätigt würden. "Allerdings sind Buchhändler, die samstags mit ihren Kunden in Bussen zur Buchmesse fahren, naturgemäß wenig begeistert, wenn die Kunden schon auf der Messe statt bei ihnen kaufen." Vielen Verlegern schien das Procedere rund um die Buchhandlungsbusfahrten noch nicht so bekannt zu sein; es gab viele Überlegungen, wie man die Befürchtungen der Sortimenter minimieren könnte. Pala-Verleger Wolfgang Hertling brachte es jedoch auf den Punkt: "Man kann das nicht gegeneinander aufrechnen, die Verleger haben auf ihrer Seite genauso recht wie die Buchhändler auf ihrer Seite. Wir müssen an dieser Stelle miteinander reden."