KNV-Insolvenz

Chronik der jüngeren Ereignisse

15. Februar 2019
von Börsenblatt
Wie konnte es soweit kommen? Woran das Unternehmen scheiterte und was noch versucht wurde, um die Insolvenz abzuwenden - eine Chronik der Ereignisse.

14. Februar 2019

Die Geschäftsführer der KNV Gruppe melden beim Amtsgericht Stuttgart Insolvenz an. Am Tag zuvor waren Verhandlungen mit potenziellen Investoren endgültig gescheitert – Insidern zufolge soll es mehrere Interessenten gegeben haben. Die Auslieferung LKG ist von der Insolvenz nicht betroffen.

 

Januar 2019

Für Kunden aus dem Buchhandel organisiert KNV eine neue Kooperation, inklusive Category Management, ständig wechselnden Aktionen zu Trendthemen, Non-Books und Werbemitteln. Die Kooperation legt einen klaren Fokus auf den Endkunden, bekommt deshalb den Namen „Mensch“.

Dezember 2018

Die 2015 abgeschlossene Konsortialfinanzierung läuft Ende des Monats aus, laut Bilanz von 2016 (das ist die aktuellste, die im Bundesanzeiger derzeit zu finden ist). Dazu kommt noch ein weiterer Einschnitt: Nach rund sechs Jahren verlässt Geschäftsführer Uwe Ratajczak die KNV Gruppe, sein Nachfolger soll im April 2019 Jens Neuner werden, wird angekündigt. Der 39-jährige Betriebswirt war zuletzt Geschäftsführer von redcoon Logistics. Ob er seinen Posten noch antritt?

 

März 2018

Am 24. März gibt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Dr. Vai & Partner aus Stuttgart die Bilanz der KNV Gruppe für 2016 frei, sie wird später im Bundesanzeiger veröffentlicht (als letzte vor dem Insolvenzantrag). Die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten summieren sich hier auf einen Betrag von gut 174 Millionen Euro. 

 In ihrer Abschlussbemerkung nehmen die Wirtschaftsprüfer darauf Bezug, auch auf den Ende des Jahres auslaufenden Konsortialkreditvertrag. Sie warnen: „Sofern es nicht gelingt, die vorgegebenen Ziele der Unternehmensplanung zu erreichen, wäre eine Bestandsgefährdung des Unternehmens nicht auszuschließen.“ Die Geschäftsführung selbst notiert dazu: „Risiken für die weitere Unternehmensentwicklung und Wachstum bestehen, wenn verlorengegangene Umsätze nicht nachhaltig zurückgewonnen und neue Volumina akquiriert werden können. (...) Erst ab 2019 werden wir wieder positive Jahresergebnisse ausweisen können.“

1. Februar 2018

Das neue Reserve-Lager für die KNO VA nimmt seinen Betrieb auf (Fläche: 43.000 Quadratmeter). Es liegt am Erfurter Kreuz, rund 20 Kilometer vom KNV Logistikzentrum entfernt, – und soll das bisherige Extralager im Schwarzwald ersetzen.Platz ist für bis zu 90.000 Paletten, dazu gibt es bis zu 50.000 Wannenstellplätze. In das Projekt investiert die KNV Gruppe dem Vernehmen nach rund 20 Mio. Euro (plus Ausstattung).

Juli 2017

Oliver Voerster ordnet die Geschäftsführung der KNV Gruppe neu. Thomas Raff, der nach dem Ausscheiden von Frank Thurmann die Leitung der IT-Bereiche der Unternehmensgruppe übernommen hatte, steigt weiter auf, tritt neben Oliver Voerster und Uwe Ratajczak. Dazu stößt Bertram Feuerbacher, promovierter Physiker und zuvor langjähriger Finanzchef des Autoersatzteil-Großhändlers Trost. Die KNV Gruppe kennt er seit 2016 – seitdem war er Mitglied im Beirat.

 31. März 2017

Frank Thurmann, neben Oliver Voerster lange Zeit geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensgruppe, scheidet aus. „Aus familiären Gründen kam für ihn eine weitere operative Führung der Logistik am Standort Erfurt nicht in Betracht“, hieß es in der offiziellen Pressemitteilung im Januar – Thurmann wolle sich neuen Herausforderungen stellen. Bekannt ist: Rund ein Jahr später wird er Mitgründer eines IT-Dienstleisters für die Logistikbranche (Promotives GmbH, Berlin).

Februar 2017

Mit dem Barsortiment Umbreit aus Bietigheim-Bissingen vereinbart KNV eine Transportkooperation – den Bücherwagendienst wollen sie künftig gemeinsam betreiben. Los geht es im zweiten Quartal 2017. 

1. Januar 2017

KNV verkauft den operativen Geschäftsbetrieb der PoD-Sparte (Print on Demand) an Canon Deutschland Business Services, schließt zugleich eine strategische Partnerschaft für dieses Segment ab – das eine Besonderheit darstellt: Laut KNV handelt es sich um „die erste vollintegrierte PoD-Produktion innerhalb des Buchgroßhandels und einer Verlagsauslieferung in Deutschland“. Mehr als 700.000 Titel von über 250 Verlagen hat das Unternehmen nach eigenen Angaben heute in der Datenbank – gedruckt wird erst nach Bestellung, direkt im Logistikzentrum Erfurt.

Die POD-Aktivitäten reichen zurück bis 2010: In diesem Jahr führte KNV die Dachmarke KN Digital ein und gründete zunächst zusammen mit dem Druckkonzern Euradius die KN Digital Printforce (PoD, Print on Demand vor Ort).

8. April 2016

Aus Stuttgart kommt die Meldung, dass KNV rückwirkend zum 1. Januar seine Beteiligung an Buchpartner gelöst hat – der Rackjobber beliefert Rewe, Edeka & Co. mit Büchern, sieht sich als Marktführer. Die neuen, alten Inhaber von Buchpartner, die Familie Gellert, hatten da bereits einen anderen Partner gefunden: Bastei Lübbe. Zu KNV gehörte das Unternehmen seit Anfang 2011.  

Februar 2016

Das Logistikzentrum in Erfurt geht in den Vollbetrieb, mit Verspätung – Stuttgart ist als Logistikstandorte für die KNV Gruppe damit endgültig Geschichte. Die Verwaltung bleibt in Stuttgart. 

Juli 2015

KNV Logistik erreicht die nächste Etappe – schließt den Umzug der Verlagsauslieferung von Stuttgart nach Erfurt ab. In einzelnen Zustellregionen berichten Buchhändler wieder über ausbleibende Pakete und Doppellieferungen (zum Artikel)

Oktober 2014

Die ersten Pakete verlassen das Logistikzentrum in Erfurt. Buchhändler klagen über Lieferverzögerungen und Fehllieferungen, im Weihnachtsgeschäft spitzt sich die Lage weiter zu. Anfang Dezember räumt Oliver Voerster „schwerwiegende Probleme“ ein und bittet um die Loyalität seiner Kunden. Zum Artikel.

Oktober 2013

KNV gibt den Verkauf seiner Stuttgarter Immobilien und Grundstücke bekannt, insgesamt geht es um rund 80.000 Quadratmeter. Vorgesehen ist, dass sich KNV nach Abriss und Neubau einzelner Gebäude auf dem Vaihinger Gelände einmietet – mit seiner Verwaltung und 600 Mitarbeitern (Investor ist der Entwickler Blue State). So kam es, im August 2014. Hauptakteur auf dem ehemaligen KNV-Betriebsgelände ist heute Daimler Benz.

1. Mai 2013

Thomas Raff wird Mitglied der Geschäftsleitung bei KNO VA und LKG. Dazu verantwortet er das Joint Venture KN Digital Printforce. Er kam 1994 ins Unternehmen, arbeitete in mehreren leitenden Positionen.

 

10. April 2013

Frank Thurmann und Oliver Voerster legen in Erfurt den Grundstein für das neue Logistikzentrum von KNO VA und KNV – gemeinsam mit rund 200 Gästen aus Politik und Wirtschaft. Mit dem Grundstein werden die Firmenchronik des 2010 verstorbenen Seniorchefs Jürgen Voerster, eine aktuelle Tageszeitung sowie verschiedene Dokumente mit Zeitbezug in den Fundamenten mit eingelassen.

 

3. September 2012

Es wird Erfurt – jetzt ist es raus. Für den 3. September laden der Thüringische Wirtschaftsminister Matthias Machnig und Oliver Voerster zur Pressekonferenz in die Landeshauptstadt ein. Machnig gibt sich an diesem denkwürdigen Tag so sonnig wie das Wetter: „Schwäbische Unternehmer sind sehr bescheiden, aber auch sehr emotional“, sagt er. „Wenn sie etwas erreichen wollen, verfolgen sie ihr Ziel mit großem Nachdruck.“ Oliver Voerster selbst betont zum ersten Mal: Der Umzug der Logistik nach Erfurt, die Schaffung einer Zentrallogistik – das sei für ihn ein Jahrhundertprojekt. Auf die Frage, ob er erleichtert sei, dass es nach den Vorarbeiten jetzt endlich losgeht, sagt er im Interview mit boersenblatt.net: „Wirklich durchatmen werde ich wohl erst, wenn alles funktioniert und wir mindestens die Hälfte unserer Finanzierung zurückbezahlt haben. Die nächsten Jahre dürften wohl die spannendsten in meinem Leben werden, vielleicht auch die nervenaufreibendsten. Aber mein Ziel steht fest: Ich möchte das Unternehmen eines Tages gern schuldenfrei an die nächste Generation übergeben.“

 

 

11. Juli 2012

Das Bundeskartellamt veröffentlicht seinen Bericht zum Kauf von Könemann durch Libri, gibt dafür grünes Licht. Interessant ist das Papier heute noch, weil es die allgemeinen Erwartungen verdeutlicht, die anfangs an das Konzept der Zentrallogistik von KNV / KNO VA geknüpft waren. Zitat: „Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamtes werden sich durch den bevorstehenden Konsolidierungsschritt von KNV/KNO signifikant kleinere variable Kosten für KNV im Vergleich zu Libri ergeben. (...) Kostenersparnisse ergeben sich einerseits aus Skaleneffekten bei der Lagerung und Distribution von Büchern und andererseits aus einer spürbar kleineren Kapitalbindung aufgrund des freien Zugriffs auf den Lagerbestand der Verlagsauslieferung.“

 

1. Juli 2012

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte holt sich die KNV Gruppe auf Geschäftsführungsebene externe Unterstützung: Uwe Ratajczak, vorher Logistikleiter und Geschäftsführer beim Logistikkonzern Fiege in Thüringen, ergänzt ab Juli die Geschäftsführung – übernimmt das Ressort Logistik und soll sich insbesondere um das neue Logistikzentrum kümmern. Ein konkreter Standort wird noch nicht genannt, nur, dass es in Richtung Erfurt geht.

 

7. Oktober 2011

Die Konzentration im Zwischenbuchhandel gewinnt an Fahrt: Könemann und Libri geben bekannt, dass sie ab Mitte 2012 zusammenarbeiten wollen – verbunden mit der Auflösung des Standort Hagens (Könemann). KNV-Chef Oliver Voerster wiederholt in einer Stellungnahme gegenüber dem Börsenblatt seine Prognose vom Mai: "Unsere These vom Mai dieses Jahres, dass es in Zukunft im Wesentlichen nur noch vier Verlagsauslieferungen geben wird, wurde in der Presse intensiv diskutiert. Dass es dann nicht mehr vier Barsortimente geben wird, ist wohl allen klar. Unsere aktualisierte Formel heißt nun: 4 + 2.“

 

19. Mai 2011

Für die Branche ist es das größte Investitionsvorhaben seit langem: Die KNV Gruppe kündigt an, ihre Logistikaktivitäten komplett zu erneuern – will dafür mehr als 100 Millionen Euro ausgeben (der Betrag erhöht sich später auf mehr als 150 Millionen Euro). „Nur so bleiben wir konkurrenzfähig und können den langfristigen Erfolg unserer Unternehmen sichern“, erklärt Oliver Voerster als geschäftsführender Gesellschafter. Der Standort bleibt zunächst offen, wird aber schon eingekreist („in der Mitte von Deutschland“), das Konzept ist fertig in der Schublade: Barsortiment und Verlagsauslieferung sollen zusammenwachsen – es soll die „modernste Medienlogistik Europas entstehen“. Die Kunden reagieren positiv, die Wettbewerber abwartend.

 

Die fast 190 Jahre Firmengeschichte vor dem Erfurter Großprojekt waren von wechselhaften Anforderungen, aber großer Kontinuität bei den Eigentümern und in der Geschäftsführung geprägt - der Geschäftsführende Gesellschafter Oliver Voerster führte das Unternehmen in der sechsten Generation. 

2004: Zusammenführung der Barsortimente Koch, Neff & Oetinger und Koehler & Volckmar unter dem Dach KNV.

1987: Übernahme des Grossohauses Wegner in Hamburg

1972: Ausscheiden der Familie Volckmar-Frentzel

1960: Umzug an den neuen Standort Stuttgart-Vaihingen

1955: Koehler & Volckmar wird von den Gesellschafterfamilien als eigene GmbH in Köln gegründet, auch um das wirtschaftliche Risiko zu streuen.

1949: Enteignung der Unternehmen in Leipzig

1948: Flucht der Inhaberfamilien von Leipzig nach Stuttgart, Wiederaufbau unter dem  Namen KNO

1943/44: Weitgehende Zerstörung der Gebäude in Leipzig und Stuttgart

1938: Abwehr der drohenden Enteignung im Nationalsozialismus

1920: Start des Bücherwagendienstes

1918: Fusion von Koehler und Volckmar: Unter dem Druck von Inflation und wirtschaftlicher Unsicherheit fusionierte Volckmar im Jahr 1918 mit seinem schärfsten Konkurrenten, dem Kommissionsgeschäft von K.F. Koehler – aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Im Barsortimentskatalog waren beinahe 100 000 Titel verzeichnet.

1907: Fusion mit L. Staackmann

1903: Übernahme von A. Koch in Stuttgart

1858: Erster Barsortimentskatalog, 167 Titel sind verzeichnet

1848: Gründung des Barsortiments F. Volckmar

1829: Gründung von F. Volckmar Kommissionsgeschäft in Leipzig. Insbesondere in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung des Kommissionsgeschäfts Friedrich Volckmar am Buchhandelsplatz Leipzig wuchs das Unternehmen auch durch Zukäufe und Fusionen.