Interview mit Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang

"Der vorläufige Insolvenzverwalter ist sich der Systemrelevanz von KNV bewusst"

15. Februar 2019
von Börsenblatt
Welche Aufgaben und Möglichkeiten hat der vorläufige Insolvenzverwalter? Wie priorisiert er die Aufgaben? Was passiert mit den aktuellen Geschäftsführern? Wie wird entschieden, ob das Unternehmen als Ganzes erhalten oder zerschlagen wird? Antworten von Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins. 

Wie lange dauert es, bis ein Insolvenzverwalter eingesetzt ist?

Die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Verfahren KNV ist bereits heute, also am ersten Tag nach der Stellung des Insolvenzantrags, erfolgt. Damit hat der Insolvenzrichter Zeit für die von Amts wegen notwendige Prüfung gewonnen, ob der von KNV gestellte Insolvenzantrag begründet ist und ob das Verfahren eröffnet werden kann. Diese Prüfung kann einige Wochen in Anspruch nehmen und wird regelmäßig dem vorläufigen Verwalter übertragen. Aller Erfahrung nach wird der vorläufige Verwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch zum endgültigen Insolvenzverwalter ernannt.

Welche Aufgaben und Möglichkeiten hat der vorläufige Insolvenzverwalter?

Vorliegend hat das Insolvenzgericht zwar nur einen sog. „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt, von dessen Zustimmung aber zugleich die Wirksamkeit von Verfügungen der Schuldnerin abhängig gemacht. Daneben hat es ihm aufgetragen, durch Überwachung der Schuldnerin deren Vermögen zu sichern und zu erhalten sowie zu prüfen, ob das Vermögen die Kosten des Verfahrens decken wird. Vor allem hat es der Schuldnerin verboten, über Bankkonten und über Außenstände zu verfügen. Entsprechend hat es Drittschuldnern – wie z.B. von KNV belieferten Buchhandlungen - verboten, an die Schuldnerin zu zahlen, und dazu aufgefordert, nur noch an den vorläufigen Verwalter zu zahlen. Damit werden bei der Fortführung des Betriebs von KNV nach derzeitigem Stand zwar keine späteren bevorrechtigten Masseschulden begründet. Doch bleibt die Zuordnung der Forderungen der Verlage zu Ware, die vom Handel bei KNV bestellt wird, faktisch gesichert. Voraussetzung dafür ist, dass die Lieferung der Bücher durch die Verlage unter einem sog. verlängerten Eigentumsvorbehalt erfolgt, was regelmäßig der Fall ist. Mit Ausnahme eines gewissen Kostenbeitrages für das Tätigwerden des vorläufigen Insolvenzverwalters sind die Forderungen von Verlagen, die KNV während des Insolvenzverfahrens beliefern, also gesichert.

 

Wie priorisiert ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Aufgaben und arbeitet sich in eine für ihn wahrscheinlich neue und ja auch sehr komplexe Materie ein?

Das ist die Kunst und Kompetenz des guten Insolvenzverwalters und macht diese Tätigkeit zu einer besonders anspruchsvollen, zugleich deshalb aber auch sehr gut bezahlten Aufgabe. Im Rahmen der Fortführung des Unternehmens ist es einerseits wichtig, dass sich der Insolvenzverwalter persönlich einen raschen Überblick über die Vertragsverhältnisse und die Funktionsweise des Unternehmens in der Branche verschafft. Andererseits hat er häufig besonders dann Erfolg, wenn er über eine sehr gute Teamfähigkeit verfügt und es versteht, auf die Mitarbeiter des Unternehmens, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zuzugreifen. Und eine Kernaufgabe ist natürlich die Identifikation geeigneter Investoren und die Verhandlungen mit diesen über die ganze oder teilweise Übernahme der Firma.

 

Was passiert mit den aktuellen Geschäftsführern? Bleiben sie an Bord?

Sie sind es, die in der jetzigen vorläufigen Verwaltung – und in den Grenzen der vom Insolvenzgericht angeordneten Sicherungsmaßnahmen – das Geschäft fortführen. Für Verfügungen über Vermögensgegenstände bedürfen sie der Zustimmung des vorläufigen Verwalters. Forderungen dürfen sie nicht einziehen. Masseverbindlichkeiten können sie nicht begründen. Das wäre übrigens bei Eigenverwaltung auf Antrag der Schuldnerin anders gewesen.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nur noch der dann bestellte Insolvenzverwalter verwaltungs- und verfügungsbefugt. Wie weit sich der Verwalter im eröffneten Verfahren der bisherigen Geschäftsführung bedienen wird, bleibt abzuwarten. Natürlich kann und wird sich der Insolvenzverwalter mit ihr intensiv austauschen sowie informieren und ggf. beraten lassen.

 

Wie wird entschieden, ob das Unternehmen als Ganzes erhalten oder zerschlagen wird?

Darüber kann man leider nur spekulieren. Der Insolvenzverwalter muss sich letztendlich ein Bild von den Insolvenzursachen machen und zudem ermitteln, ob es hinreichend großes Interesse geeigneter Investoren an dem Unternehmen gibt. Im Berichtstermin, den die Insolvenzordnung vorschreibt, hat er der Gläubigerversammlung über die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin und deren Ursachen zu berichten. Die Versammlung der Gläubiger entscheidet auf dieser Grundlage, ob das Unternehmen stillgelegt oder – ggf. ganz oder teilweise – vorläufig fortgeführt oder auch veräußert werden soll.

 

Die KNV-Gruppe ist ein komplexes Unternehmen und spielt eine systemrelevante Rolle für die Branche. Wie kann man das dem Insolvenzverwalter vermitteln?

Bereits aus der ersten Pressemeldung des vorläufigen Insolvenzverwalters geht deutlich hervor, dass dieser sich der Systemrelevanz von KNV für die gesamte Buchbranche von Anfang an bewusst ist. Jetzt muss er sich zunächst einmal einen Überblick verschaffen und alles sichten. Wenn er vom Börsenverein dabei Informationen und Unterstützung braucht, stehen ihm hier natürlich alle Türen offen.

 

Wie sollten sich Buchhändler und Verlage jetzt verhalten?

Die heute durch das Amtsgericht Stuttgart erfolgte rasche Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ist zunächst einmal ein sehr hilfreicher Schritt. Auch wenn dieser Insolvenzverwalter nach den bisherigen Anordnungen keine im eröffneten Verfahren bevorrechtigten Verbindlichkeiten für KNV begründen kann, sollte es aufgrund der alleinigen Befugnis zur Forderungseinziehung beim vorläufigen Verwalter für Verlage grundsätzlich möglich sein, weiter Ware zu liefern. Die Veräußerungsermächtigung für am Lager vorhandene Ware dürfte Bestand haben, zumal die Schuldnerin auch dazu der Zustimmung des Vorläufigen Verwalters bedarf. Die Buchhandelskunden von KNV sollten sich momentan noch mit Remissionen zurückhalten. Sobald aber Klarheit darüber besteht, ob der vorläufige Verwalter auch für daraus entstehende Ansprüche einstehen kann - insoweit kommt auch eine Erweiterung der gerichtlichen Anordnungen in Betracht-, könnte auch in dieser Hinsicht bald wieder etwas mehr Normalität in die Abläufe zurückkehren.

 

Welche Hilfestellungen bietet der Börsenverein?

Hier wird momentan in Vorstand, Geschäftsführung und an praktisch allen Stellen des Hauses über sinnvolle Hilfsmöglichkeiten für betroffene Unternehmen nachgedacht und vieles vorbereitet. Es ist aber einfach noch zu früh, dazu Ergebnisse zu kommunizieren. Seit gestern Morgen haben wir, vor allem in der Rechtsabteilung, in einer großen Kraftanstrengung bereits über 150 Mitgliedsunternehmen persönlich zu ihren Fragen in Verbindung mit der Insolvenz beraten. Derzeit erarbeiten wir ein Papier mit den wichtigsten branchenspezifischen Fragen und Antworten zum Thema, das wir voraussichtlich gegen Ende nächster Woche unseren Mitgliedern zur Verfügung stellen können.

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