Interview mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Tobias Wahl

"Ohne Unterstützung der Verlage wird es keine Zukunft für KNV geben"

19. Februar 2019
von Börsenblatt
Der Geschäftsbetrieb bei KNV geht weiter: Das ist für Tobias Wahl die derzeit wichtigste Botschaft an die Branche. Der vorläufige Insolvenzverwalter (Kanzlei anchor) will sicherstellen, dass alle Bücher, die ab dem Insolvenzantrag von KNV gekauft werden, auch von KNV bezahlt werden - und erläutert im Interview die nächsten Arbeitsschritte.

Was genau sind jetzt Ihre Aufgaben als vorläufiger Insolvenzverwalter?
Als vorläufiger Insolvenzverwalter arbeite ich mit unserem Insolvenzteam intensiv an einer Zukunftslösung für die insolventen KNV-Gesellschaften. Unsere derzeit wichtigste Botschaft für die Branche lautet: Es geht weiter! Als vorläufiger Insolvenzverwalter habe ich die Aufgabe, das Unternehmen zu stabilisieren und weiterzuführen sowie die Fortführungsmöglichkeiten auszuloten. Laut der Insolvenzordnung habe ich das Vermögen der Schuldnerin zu sichern und zu erhalten. Zu meinen wesentlichen Aufgaben gehört eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung und die nachhaltige Sanierung von KNV sowie der Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze.

Wie verschafft man sich möglichst schnell einen Überblick über das Unternehmen, die Branche etc.?
Als ich von meiner Bestellung durch das Amtsgericht Stuttgart gehört habe, bin ich umgehend zum Firmensitz gefahren und habe mich mit der Geschäftsleitung, Führungskräften und dem Betriebsrat getroffen. Ich habe nun Zugang zu allen relevanten Unterlagen, die mein Team und ich nun intensiv sichten werden und ich sitze Tür an Tür neben der Geschäftsleitung, mit der ich mich intensiv austausche.

Welches Team unterstützt Sie bei Ihren Aufgaben?
Ich greife nicht nur auf die Ressourcen von KNV zurück, sondern werde auch von unserem über 10 Personen starken anchor-Team unterstützt. Wir sind Teamarbeit gewohnt und lösen Herausforderungen auch gemeinsam im Team. Wir sind es gewohnt, mit einem interdisziplinären Team von juristischen und betriebswirtschaftlichen Experten zusammenzuarbeiten und Lösungen für komplexe Fragestellungen zu erarbeiten. Der Teamgedanke spielt bei anchor eine wichtige Rolle.

Welche Rolle spielt die Geschäftsführung von KNV?
Die Geschäftsführung führt in enger Abstimmung mit mir die Geschäfte der Unternehmen vollumfänglich und uneingeschränkt weiter.

Und welche Rolle spielen die Mitarbeiter von KNV?
Auch für die Mitarbeiter geht es trotz des Insolvenzantrages weiter wie zuvor. Die Mitarbeiter kümmern sich wie bisher auch um das operative Geschäft, damit Buchbestellungen mit der gewohnten Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit beim jeweiligen Buchhändler ankommen. Alle Mitarbeiter sind hoch motiviert, rücken noch enger zusammen, ziehen an einem Strang und versuchen ihren Teil dazu beizusteuern, um KNV zu erhalten und fortzuführen. Das ist ein sehr erfreuliches Signal.

Was können die Verlage jetzt tun, um Sie bei Ihren Aufgaben zu unterstützen? Viele Verlage sind verunsichert, weil sie auf Außenständen sitzen und sind zögerlich mit der Weiterbelieferung …
Die Geschäftsleitung und ich werben um das Vertrauen der Verlage, die KNV über Jahrzehnte die Treue gehalten haben. Ohne die Unterstützung der Verlage wird es keine Zukunft für KNV geben. Und das Vertrauen ist da, denn wir haben bereits viele positive Rückmeldungen erhalten und das bestärkt uns in der Hoffnung, dass es eine Zukunftslösung geben wird. Aber wir appellieren auch an die Verlage, in dieser Situation die bisherigen Konditionen beizubehalten und für uns nicht zu verschlechtern.

Wie garantieren Sie den Verlagen, dass diese für zukünftige Lieferungen bezahlt werden? Können Sie Masseverbindlichkeiten begründen?
Unmittelbar nach dem Insolvenzantrag habe ich als vorläufiger Insolvenzverwalter alle Verlage angeschrieben und sie über die Insolvenz der KNV-Unternehmen informiert. Von Seiten der KNV wird der Geschäftsbetrieb der Unternehmen uneingeschränkt und vollumfänglich fortgeführt. Um die KNV-Unternehmen zu stabilisieren ist die weitere Belieferung von Bücherware durch die Verlage unverzichtbar. Hier setzen wir auf die Verbundenheit zu KNV und das Vertrauen, welches KNV bei den Verlagen genießt.

Ich habe die Verlage bereits am Tag der Antragstellung schriftlich informiert, dass ich sicherstellen will, dass alle Bücher, die ab dem Insolvenzantrag von KNV gekauft werden, auch von KNV bezahlt werden. Das gilt für alle Fälle, bei denen ich der Bestellung zuvor zugestimmt habe. 

Was können die Buchhändler tun, um Sie zu unterstützen?
Wir bitten die Buchhändler uns die Treue zu halten und unsere Dienstleistungen sowie unseren verlässlichen und pünktlichen Service weiter zu nutzen. Buchhändler können bei KNV alles bestellen, was wir vorrätig haben. Und sofern wir bestimmte Bücher nicht vorrätig haben sollten, sollte der Buchhändler natürlich im Interesse seines Kunden bei anderen Anbietern bestellen.

Der Geschäftsbetrieb läuft weiter. Gibt es irgendwelche Einschränkungen / Verzögerungen - beispielsweise bezüglich Anlieferung oder Auslieferung der Ware?
Jede Insolvenz bedeutet für die Branche einen Schock und ist für viele Beteiligte eine völlig ungewohnte Situation, auf die man sich erst einstellen muss. Wir führen den Geschäftsbetrieb uneingeschränkt fort, aber es trifft auch zu, dass es am Anfang zu kurzfristigen insolvenzbedingten Verzögerungen gekommen ist. Das ist aber normal, wenn aus insolvenzbedingten Gründen Arbeitsprozesse umgestellt werden. In der Regel normalisieren sich spätestens nach zwei Wochen die Arbeitsabläufe wieder.

Können Sie bitte erläutern, was es mit der Umstellung der Konten auf sich hat – warum jetzt nur noch auf Ihre Konten überwiesen werden darf?
Wichtig für den Sanierungserfolg, den Erhalt und die Fortführung von KNV ist auch die Aufrechterhaltung der für die Betriebsfortführung notwendigen Liquidität. Ab dem Insolvenzantrag sollen Zahlungen von Kunden/Buchhandlungen nicht mehr an die bisherigen Geschäftskonten von KNV, sondern auf die Treuhandkonten des vorläufigen Insolvenzverwalters überwiesen werden.

Wie lange wird es schätzungsweise dauern, bis das Insolvenzverfahren eröffnet wird?
Das Insolvenzverfahren wird vom Amtsgericht Stuttgart nach Beendigung des Insolvenzgeldzeitraums eröffnet werden. Dies wird voraussichtlich Ende April / Anfang Mai der Fall sein.

Was passiert mit den Gehältern der Mitarbeiter nach Ende April?
Nach dem Auslaufen des Insolvenzgeldes werden die Löhne und Gehälter von den jeweiligen KNV-Gesellschaften wieder selbst bezahlt.

Haben Sie schon Kontakt zu den Investoren aufgenommen, die vor der Insolvenz schon im Gespräch mit KNV waren?
Ich habe bereits erste Kontakte zu Investoren, aber ich möchte hierzu nicht näher eingehen, denn wir stehen noch ganz am Anfang des Verfahrens. Zudem kann ich aufgrund der Vertraulichkeit keine näheren Angaben machen, aber klar ist, dass wir in Kürze mit der Investorensuche beginnen werden.

Haben Sie möglicherweise noch zusätzliche Investoren im Hinterkopf, die Sie ansprechen können?
Die Investorensuche sowie die Gespräche und Verhandlungen mit potentiellen Investoren werden einen großen Teil der Arbeit einnehmen. Hier befinden wir uns noch ganz am Anfang, da der Insolvenzantrag erst gerade vor wenigen Tage bei Gericht eingereicht worden ist.

Zur Person

Tobias Wahl ist Partner der Kanzlei anchor Rechtsanwälte, die auf Insolvenzverwaltung und insolvenzrechtliche Beratung spezialisiert ist. Als vorläufiger Insolvenzverwalter hat er zuletzt den Küchenbauer ALNO AG begleitet, 2017 war er an der Insolvenzverwaltung und Sanierung der Lutz-Gruppe, eines Wurst- und Geflügelproduzenten, beiteiligt. Erfahrung in der Branche hat er 2009 während der Insolvenz der Papierfabrik Scheufelen gesammelt, die von einem irischen Investor gekauft wurde.

Die bundesweit tätige Kanzlei anchor Rechtsanwälte und die Unternehmensberatung anchor Management sind mit insgesamt 15 Partnern und 120 Mitarbeitern an 11 Standorten in Augsburg, Braunschweig, Düsseldorf, Hannover, Hildesheim, Köln, Mannheim, München, Weilheim, Stuttgart und Ulm vertreten.

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